Gottes Neue Bibel

Das Evangelium nach Johannes

Lutherbibel von 1912 mit Apokryphen

- Kapitel 10 -

Jesus, der wahre Hirte

(Psalm 23,1-6; Hesekiel 34,11-24)
1
Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer nicht zur Tür eingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Mörder.
2
Der aber zur Tür hineingeht, der ist ein Hirte der Schafe.
3
Dem tut der Türhüter auf, und die Schafe hören seine Stimme; und er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie aus.
4
Und wenn er seine Schafe hat ausgelassen, geht er vor ihnen hin, und die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme.
5
Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen von ihm; denn sie kennen der Fremden Stimme nicht.
6
Diesen Spruch sagte Jesus zu ihnen; sie verstanden aber nicht, was es war, das er zu ihnen sagte.

Jesus, der gute Hirte

7
Da sprach Jesus wieder zu ihnen: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen.
8
Alle, die vor mir gekommen sind, die sind Diebe und Mörder; aber die Schafe haben ihnen nicht gehorcht.
9
Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden.
10
Ein Dieb kommt nur, daß er stehle, würge und umbringe.
11
Ich bin gekommen, daß sie das Leben und volle Genüge haben sollen.
12
Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte läßt sein Leben für seine Schafe. Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verläßt die Schafe und flieht; und der Wolf erhascht und zerstreut die Schafe.
13
Der Mietling aber flieht; denn er ist ein Mietling und achtet der Schafe nicht.
14
Ich bin der gute Hirte und erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen,
15
wie mich mein Vater kennt und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.
16
Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle; und dieselben muß ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und wird eine Herde und ein Hirte werden.
17
Darum liebt mich mein Vater, daß ich mein Leben lasse, auf daß ich's wiedernehme.
18
Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wiederzunehmen. Solch Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.
19
Da ward abermals eine Zwietracht unter den Juden über diese Worte.
20
Viele unter ihnen sprachen: Er hat den Teufel und ist unsinnig; was höret ihr ihm zu?
21
Die andern sprachen: Das sind nicht Worte eines Besessenen; kann der Teufel auch der Blinden Augen auftun?

Der Hirte kennt seine Schafe

22
Es ward aber Kirchweihe zu Jerusalem und war Winter.
23
Und Jesus wandelte im Tempel in der Halle Salomos.
24
Da umringten ihn die Juden und sprachen zu ihm: Wie lange hältst du unsere Seele auf? Bist du Christus, so sage es uns frei heraus.
25
Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubet nicht. Die Werke, die ich tue in meines Vaters Namen, die zeugen von mir.
26
Aber ihr glaubet nicht; denn ihr seid von meinen Schafen nicht, wie ich euch gesagt habe.
27
Denn meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie; und sie folgen mir,
28
und ich gebe ihnen das ewige Leben; und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen.
29
Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn alles; und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen.
30
Ich und der Vater sind eins.

Erneute Versuche, Jesus zu steinigen

31
Da hoben die Juden abermals Steine auf, daß sie ihn steinigten.
32
Jesus antwortete ihnen: Viel gute Werke habe ich euch erzeigt von meinem Vater; um welches Werk unter ihnen steinigt ihr mich?
33
Die Juden antworteten ihm und sprachen: Um des guten Werks willen steinigen wir dich nicht, sondern um der Gotteslästerung willen und daß du ein Mensch bist und machst dich selbst zu Gott.
34
Jesus antwortete ihnen: Steht nicht geschrieben in eurem Gesetz: “Ich habe gesagt: Ihr seid Götter”?
35
So er die Götter nennt, zu welchen das Wort geschah, und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden,
36
sprecht ihr denn zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: “Du lästerst Gott”, darum daß ich sage: Ich bin Gottes Sohn?
37
Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubet mir nicht;
38
tue ich sie aber, glaubet doch den Werken, wollt ihr mir nicht glauben, auf daß ihr erkennet und glaubet, daß der Vater in mir ist und ich in ihm.
39
Sie suchten abermals ihn zu greifen; aber er entging ihnen aus ihren Händen

Die Gläubigen jenseits des Jordans

40
und zog hin wieder jenseit des Jordans an den Ort, da Johannes zuvor getauft hatte, und blieb allda.
41
Und viele kamen zu ihm und sprachen: Johannes tat kein Zeichen; aber alles, was Johannes von diesem gesagt hat, das ist wahr.
42
Und glaubten allda viele an ihn.