Gottes Neue Bibel

Der Psalter (Psalmen)

Lutherbibel von 1912 mit Apokryphen

- Kapitel 102 -

Das Gebet der Betrübten

1
Ein Gebet des Elenden, so er betrübt ist und seine Klage vor dem HERRN ausschüttet. HERR, höre mein Gebet und laß mein Schreien zu dir kommen!
2
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, neige deine Ohren zu mir; wenn ich dich anrufe, so erhöre mich bald!
3
Denn meine Tage sind vergangen wie ein Rauch, und meine Gebeine sind verbrannt wie ein Brand.
4
Mein Herz ist geschlagen und verdorrt wie Gras, daß ich auch vergesse, mein Brot zu essen.
5
Mein Gebein klebt an meinem Fleisch vor Heulen und Seufzen.
6
Ich bin wie eine Rohrdommel in der Wüste; ich bin gleich wie ein Käuzlein in den verstörten Stätten.
7
Ich wache und bin wie ein einsamer Vogel auf dem Dache.
8
Täglich schmähen mich meine Feinde; und die mich verspotten, schwören bei mir.
9
Denn ich esse Asche wie Brot und mische meinen Trank mit Weinen
10
vor deinem Drohen und Zorn, daß du mich aufgehoben und zu Boden gestoßen hast.
11
Meine Tage sind dahin wie Schatten, und ich verdorre wie Gras.
12
Du aber, HERR, bleibst ewiglich und dein Gedächtnis für und für.
13
Du wollest dich aufmachen und über Zion erbarmen; denn es ist Zeit, daß du ihr gnädig seist, und die Stunde ist gekommen.
14
Denn deine Knechte wollten gerne, daß sie gebaut würde, und sähen gerne, daß ihre Steine und Kalk zugerichtet würden,
15
daß die Heiden den Namen des HERRN fürchten und alle Könige auf Erden dein Ehre,
16
daß der HERR Zion baut und erscheint in seiner Ehre.
17
Er wendet sich zum Gebet der Verlassenen und verschmäht ihr Gebet nicht.
18
Das werde geschrieben auf die Nachkommen; und das Volk, das geschaffen soll werden, wird den HERRN loben.
19
Denn er schaut von seiner heiligen Höhe, und der HERR sieht vom Himmel auf die Erde,
20
daß er das Seufzen des Gefangenen höre und losmache die Kinder des Todes,
21
auf daß sie zu Zion predigen den Namen des HERRN und sein Lob zu Jerusalem,
22
wenn die Völker zusammenkommen und die Königreiche, dem HERRN zu dienen.
23
Er demütigt auf dem Wege meine Kraft; er verkürzt meine Tage.
24
Ich sage: Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage! Deine Jahre währen für und für.
25
Du hast vormals die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk.
26
Sie werden vergehen, aber du bleibest. Sie werden veralten wie ein Gewand; sie werden verwandelt wie ein Kleid, wenn du sie verwandeln wirst.
27
Du aber bleibest, wie du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende.
28
Die Kinder deiner Knechte werden bleiben, und ihr Same wird vor dir gedeihen.