Jephthah
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Jiftach aus Gilead war ein starker Held. Er war der Sohn einer Dirne. Gilead war Jiftachs Vater.
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Als die Frau des Gilead ihm Söhne gebar und die Söhne dieser Frau größer geworden waren, vertrieben sie Jiftach und sagten zu ihm: "Du kannst in unserer Familie nicht Erbe sei. Denn du bist der Sohn einer fremden Frau."
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Da floh Jiftach vor seinen Brüdern und ließ sich im Land Tob nieder. Dort scharten sich um Jiftach Leute ohne Hab und Gut und zogen mit ihm auf Beute aus.
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Als nun nach einiger Zeit die Ammoniter mit den Israeliten Krieg führten
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und die Ammoniter gegen die Israeliten zu Felde zogen, gingen die Ältesten von Gilead hin, um Jiftach aus dem Land Tob zu holen.
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Sie baten Jiftach: "Komm und sei unser Führer! Wir wollen gegen die Ammoniter kämpfen."
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Aber Jiftach antwortete den Ältesten von Gilead: "Habt ihr mich nicht gehaßt und aus dem Haus meines Vaters vertrieben? Warum kommt ihr jetzt zu mir, wo ihr in Not seid?"
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Die Ältesten von Gilead erwiderten Jiftach: "Deshalb haben wir uns jetzt dir wieder zugewandt. Wenn du mit uns gehst und gegen die Ammoniter kämpfst, sollst du über uns, über alle Bürger von Gilead gebieten."
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Da frage Jiftach die Ältesten von Gilead: "Wenn ihr mich zurückholt, um gegen die Ammoniter zu kämpfen, und der Herr sie mir preisgibt, werde ich dann euer Oberhaupt sein?"
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Die Altesten von Gilead antworteten Jiftach: "Der Herr ist Zeuge zwischen uns, daß wir so handeln, wie du verlangt hast."
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Da zog denn Jiftach mit den Ältesten von Gilead. Das Volk machte ihn zu seinem Oberhaupt und Führer. Jiftach trug alle seine Anliegen dem Herrn in Mizpa vor.
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Hierauf schickte Jiftach Boten an den König der Ammoniter mit der Anfrage: "Was willst du von mir, daß du gegen mich heranziehst, um mein Land zu bekriegen?"
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Der König der Ammoniter antwortete den Boten Jiftachs: "Israel hat mir mein Land weggenommen, als es aus Ägypten heraufzog, vom Arnon bis an den Jabbok und bis zum Jordan. Gib es mir jetzt gutwillig zurück!"
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Jiftach aber schickte nochmals Boten an den König der Ammoniter und ließ ihm sagen:
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"So spricht Jiftach: Israel hat das Land Moab und das Land der Ammoniter nicht weggenommen.
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Als die Israeliten aus Ägypten heraufzogen, durch die Wüste bis zum Schilfmeer wanderten und dann nach Kadesch gelangten,
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sandte Israel Boten an den König von Edom mit der Bitte: Ich möchte durch dein Land ziehen. Aber der König von Edom hörte nicht darauf. Auch an den König von Moab schickten sie, doch auch er wollte nicht. So blieben die Israeliten in Kadesch,
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zogen dann durch die Wüste, umgingen das Land Edom und das Land Moab und kamen in das Land östlich von Moab. Sie lagerten sich jenseits des Arnon, so daß sie kein Moabitergebiet betraten - denn der Arnon bildet die Grenze von Moab.
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Hierauf schickten die Israeliten Boten an Sihon, den König der Amoriter, den König von Heschbon, und Israel ließ ihm sagen: Wir möchten durch dein Land hindurchziehen bis an unseren Bestimmungsort.
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Aber Sihon traute dem Durchzug der Israeliten durch sein Gebiet nicht. Vielmehr bot Sihon sein ganzes Volk auf. Sie bezogen ein Lager in Jahaz, und er kämpfte gegen die Israeliten.
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Doch der Herr, der Gott Israels, gab Sihon mit seinem ganzen Heer in die Hand der Israeliten, die jene besiegten. So kam Israel in den Besitz des ganzen Landes der Amoriter, die in jenem Land wohnten,
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und eroberte das ganze Amoritergebiet vom Arnon bis zum Jabbok und von der Wüste bis zum Jordan.
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Jetzt aber, da der Herr, der Gott Israels, die Amoriter um seines Volkes Israel willen vertrieben hat, willst du es verdrängen?
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Nicht wahr, wen dein Gott Kemosch verdrängt, in dessen Besitz trittst du ein? Wen also der Herr, unser Gott, um unsertwillen verdrängt, in dessen Besitz treten wir ein.
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Und nun: bist du etwa stärker als der Moabiterkönig Balak, der Sohn Zippors? Hat er mit Israel gekämpft? Hat er mit ihnen Krieg geführt?
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Als Israel dreihundert Jahre lang in Heschbon und seinen Tochterstädten wohnte und in Aroër und seinen Tochterstädten und in allen Städten, die am Arnon liegen, warum habt ihr sie in dieser Zeit nicht zurückerobert?
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Ich habe dir nichts zuleide getan, sondern du tust mir Unrecht, wenn du mit mir Krieg führst. Der Herr, der Richter, wird heute zwischen den Israeliten und Ammonitern richten."
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Aber der Ammoniterkönig hörte nicht auf die Vorhaltungen, die Jiftach machte.
Jephthahs Gelübde und Sieg
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Da kam der Geist des Herrn über Jiftach, und er zog durch Gilead und Manasse. Hierauf ging er nach Mizpa in Gilead, und von Mizpa in Gilead rückte er gegen die Ammoniter vor.
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Jiftach machte aber dem Herrn folgendes Gelübde: "Wenn du die Ammoniter ganz in meine Gewalt gibst,
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soll der, der mir aus der Tür meines Hauses entgegenkommt, wenn ich siegreich von den Ammonitern heimkehre, dem Herrn gehören, und ich will ihn zum Brandopfer darbringen."
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So zog denn Jiftach gegen die Ammoniter, um mit ihnen zu kämpfen, und der Herr gab sie in seine Hand.
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Er brachte ihnen von Aroër an bis in die Gegend von Minnit, in zwanzig Städten, und bis Abel-Keramim eine gewaltige Niederlage bei. So wurden die Ammoniter vor den Israeliten gedemütigt.
Jephthahs Tochter
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Als nun Jiftach nach Mizpa in sein Haus zurückkehrte, siehe, da trat seine Tochter heraus ihm entgegen mit Pauken und im Reigentanz. Sie war sein einziges Kind; außer ihr hatte er weder Sohn noch Tochter.
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Sobald er sie erblickte, zerriß er seine Kleider und rief: "Wehe, meine Tochter! Du beugst mich tief darnieder! Ja, du bist es, die mich ins Unglück stürzt. Ich habe dem Herrn ein Gelübde gemacht und kann es nicht zurücknehmen."
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Sie sagte zu ihm: "Mein Vater, wenn du dem Herrn ein Gelübde gemacht hast, so erfülle an mir, was du gelobt hast! Denn der Herr hat dich Rache an deinen Feinden, den Ammonitern, nehmen lassen."
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Dann bat sie ihren Vater: "Dies möge mir gestattet sein: Laß mir noch zwei Monate Zeit! Ich möchte hingehen, auf die Berge steigen und mit meinen Freundinnen meine Jungfrauschaft beweinen."
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Er antwortete ihr: "Gehe hin!" Und er entließ sie auf zwei Monate. - So ging sie denn mit ihren Freundinnen hin und beweinte auf den Bergen ihre Jungfrauschaft.
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Nach zwei Monaten aber kehrte sie zu ihrem Vater zurück, und er vollzog an ihr das Gelübde, das er gemacht hatte. Sie hatte noch keinen Mann erkannt. Seitdem ist es Brauch in Israel,
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daß alljährlich die Töchter Israels hinausziehen, um für die Tochter Jiftachs aus Gilead Klagelieder zu singen, vier Tage im Jahr.