Gottes Neue Bibel

Bischof Martin

Die Entwicklung einer Seele im Jenseits

- Kapitel 21 -

Philosophisch dumme Ausrede Bischof Martins. Ein liebfreundlicher und göttlichernster Gewissensspiegel

Spricht Bischof Martin: ,,Gott lieben über alles und den Nächsten wie sich selbst, wäre schon recht, wenn man nur wüßte, wie man das anstellen soll! Denn Gott sollte man mit der reinsten Liebe lieben, desgleichen womöglich auch den Nächsten; aber woher sollte unsereiner eine solche Liebe nehmen, wodurch sie in sich erwecken?
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Ich kenne wohl das Gefühl der Freundschaft und kenne auch die Liebe zum weiblichen Geschlechte; auch kenne ich die interessierte Kinderliebe zu ihren Eltern; nur die Liebe der Eltern zu ihren Kindern kenne ich nicht! Kann aber die Gottliebe einer von diesen erwähnten Liebesarten gleichen, die alle auf den unlautersten Füßen basiert sind, indem sie nur auf Geschöpfe gerichtet sind?
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Ich behaupte sogar: der Mensch als ein Geschöpf kann Gott als seinen Schöpfer ebensowenig lieben wie ein Uhrwerk seinen Urheber! Denn dazu gehörte die vollkommenste göttliche Freiheit, der sich höchstens die freiesten Erzengel rühmen können, um Gott Seiner Heiligkeit wegen würdig lieben zu können! Wo aber ist der auf der untersten, unheiligsten Stufe stehende Mensch und wo die vollste göttliche Freiheit?
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Es müßte nur Gott gefallen, Sich von Seinen Geschöpfen so lieben zu lassen, wie sie sich untereinander lieben: wie die Kinder ihre Eltern, oder wie ein Jüngling seine schöne Maid, oder wie ein rechter Bruder den anderen, oder auch wie ein armer Mensch seinen höchst uninteressierten Wohltäter, oder wie ein Regent seinen Thron, oder wie ein jeder Mensch sich selbst!
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Dazu aber fehlt das sichtbare Objekt, ja sogar die Fähigkeit, sich dies erhabenste Objekt auf irgendeine Art vorstellen zu können! - Wie sieht Gott aus? Wer von den Menschen hat Gott je gesehen? Wer Ihn gesprochen? Wie aber kann man ein Wesen lieben, von dem man sich aber auch nicht den allerleisesten Begriff machen kann! Ein Wesen, das da nicht einmal historisch, sondern lediglich nur mythisch existiert unter allerlei mystisch poetischen Ausschmückungen, welche mit einer altjüdischen scharfen Moral allenthalben unterspickt sind!"
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Nun rede Ich: ,,Freund, Ich sage dir, mit diesem unsinnigen Gewäsch könntest du wohl nie auch nur einen Faden deines schmutzigsten Gewandes reinwaschen! Du hattest auf der Welt Objekte genug! Da waren Arme die Menge, Witwen, Waisen, eine Menge anderer Notleidender! Warum liebtest du sie nicht - und hattest doch Liebe genug, dich selbst über alles zu lieben?!
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Deine eigenen Eltern liebtest du nur der Gaben wegen; gaben sie dir aber zu wenig, so wünschtest du ihnen nichts sehnlicher als den Tod, um sie dann zu beerben!
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Deine untergeordneten Pfarrer liebtest du, so sie dir fleißig reichliche Opfer einsandten; blieben diese aus, da warst du bald ihr unerbittlichster Tyrann!
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Die reichen und viel opfernden Schafe segnetest du; die armen aber, die daher nur wenig oder nichts opfern konnten, wurden von dir mit der Hölle abgespeist!
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Die Witwen liebtest du wohl, so sie noch jung, schön und reich waren und sich zu allem herbeiließen, was dir angenehm war, ebenso üppige, honette weibliche Waisen von 16 bis 20 Jahren!
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Siehe, bei der Liebe so gestalteter Objekte ist es freilich unmöglich, sich zur geistigen Anschauung und Liebe des allerhöchsten und aller Liebe würdigsten Objektes zu erheben!
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Hattest du doch das Evangelium, die erhabenste Lehre Jesu, des Christus, als die Hauptlebensschule - warum versuchtest du nicht wenigstens einmal in deinem Leben, nur einen Text praktisch anzuwenden, auf daß du dann erfahren hättest, von wem diese Lehre ist?
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Heißt es nicht darinnen: ,Wer Mein Wort hört und danach lebt, der ist es, der Mich liebt; zu dem werde Ich kommen und werde Mich Ihm Selbst offenbaren!`
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Siehe, hättest du je nur einen Text an dir praktisch versucht, so würdest du dich wohl überzeugt haben, daß fürs erste die Lehre von Gott ist. Und fürs zweite wäre dir auch dadurch die Objektivität Gottes beschaulich geworden wie vielen Tausenden, die viel geringere Menschen waren als du!
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So steht auch geschrieben: ,Suchet, so werdet ihr's finden; bittet, so wird euch's gegeben, und klopfet an, so wird's euch aufgetan!` - Tatest du je etwas davon?
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Siehe, weil du von alledem nie etwas getan hast, so konntest du über Gott auch nie zu einer geistigen Anschauung gelangen. Es ist daher höchst widersinnig von dir, so du darum für Gott keine Liebe findest, weil Er dir nie zu einem Objekte geworden ist - da Er dir doch zum Objekte hätte werden müssen, so du nur im geringsten für diesen Zweck etwas getan hättest!
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Ich frage dich aber auch, unter welchem Bilde hättest du Gott wohl mit deiner schmutzigsten Liebe ergreifen können, das deinem steinernen Herzen einige Funken hätte zu entlocken vermögen zur Belebung eben solchen Gottesbildes in dir? Siehe, du schweigst; Ich aber will es dir zeigen!
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Höre: Gott müßte entweder des schönsten weiblichen Geschlechtes sein, dir die größte Macht und den größten Glanz verleihen und daneben dir noch gestatten, die schönsten Mädchen mit nie schwächer werdender Manneskraft zu beschlafen; und dir überhaupt alles gönnen, was dir deine Einbildungskraft als angenehm darstellete, ja womöglich dir am Ende sogar die Gottwesenheit rein abtreten, auf daß du dann mit der ganzen unendlichen Schöpfung nach deinem Belieben sozusagen ,Schindluder treiben` könntest!
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Siehe, nur unter solcher Objektivität wäre dir die Gottheit liebenswert. Aber unter dem Bilde des armen gekreuzigten Jesus war dir der Begriff ,Gottheit` unerträglich, widerlich, ja verächtlich sogar!
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Unter solchen Umständen mußt du nun freilich fragen, wie man Gott lieben solle, und zwar mit reinster Gottes würdiger Liebe! Der Grund davon ist - wie gezeigt - kein anderer denn der: du wolltest Gott nie erkennen und also auch nie lieben! Darum tatest du auch nichts, aus Furcht, es möchte ein besserer Geist in dich fahren, der dich zur Demut, zur Nächstenliebe und daraus zur wahren Erkenntnis und Liebe Gottes geleitet hätte!
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Siehe, das ist der eigentliche Grund, demzufolge du nun fragst, wie man Gott lieben solle und könne! So du aber schon deine Brüder nicht liebst, die du siehst und trotzdem nicht lieben magst, wie solltest du Gott lieben, den du noch nicht siehst, weil du Ihn nicht sehen willst!
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Siehe, wir beide sind dir nun die größten Freunde und Brüder, und du verachtest uns fortwährend in deinem Herzen, obgleich wir dir helfen wollen und dich durchschauen auf ein Haar! Darum wende dein Herz! Fange an, uns als deine Wohltäter zu lieben, so wirst du auch ohne deine dümmste Philosophie den Weg zum Herzen Gottes finden, wie es recht ist und sich geziemt! Es sei!"
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Spricht wieder Bischof Martin: ,,Ja, ja, mein Gott ja, du hast schon recht, ich liebe euch und schätze euch überaus ob eurer Weisheit und ob der damit vereinten Kraft, Liebe, Geduld und Ausharrung! Möchtest du, mein liebster Freund, mit mir aber dennoch nur so reden, daß ich aus deiner Rede nicht allzeit meine Fluchwürdigkeit in aller Fülle und Schwere erschauete, so wäre ich ohnehin schon lange förmlich verliebt in dich! Aber eben deine durchdringlichste Wortschärfe erfüllt mich eher mit einer Art geheimer Furcht als mit Liebe zu dir und deinem Freunde Petrus! Rede sonach schonender mit mir, und ich werde dich dann aus allen meinen Kräften lieben!"
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Rede Ich: ,,Freund, was verlangst du von Mir, daß ich dir's nicht angedeihen ließe im höchsten Vollmaße, ohne von dir dazu aufgefordert zu werden?! Meinst du denn, daß nur ein Schmeichelredner ein wahrer Freund ist oder einer, der sich aus lauter Ehrfurcht nicht getraut, die Wahrheit jemandem unters Gesicht zu bringen? Oh, da bist du in großer Irre!
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Du bist einer, an dem kein gutes Härchen irgendwo steht! Kein edles Werk der Liebe ziert dich! Hast du je etwas getan, das vor der Welt wie liebedel schien, so war es aber dennoch eitel Böses. Denn all dein Tun war nichts als eine arge Politik, hinter der irgendein geheimer herrschsüchtiger Plan verborgen lag!
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Gabst du irgend jemandem ein karges Almosen, so mußte davon nahezu der ganze Erdkreis Notiz nehmen. Sage, war das evangelisch, wo die Rechte nicht wissen soll, was die Linke tut?
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Gabst du jemandem einen sogenannten kirchlichen guten Rat, so war auch der allzeit so gestellt, daß am Ende dessen Wasser dennoch auf deine Mühle laufen mußte!
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Zeigtest du dich herablassend, so geschah es nur, um den unten Stehenden so recht anschaulich deine Höhe einzuprägen!
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War sanft der Ton deiner Rede, so wolltest du damit das erreichen, was da zu erreichen suchen die Sirenen mit ihrem Gesang und die Hyänen mit ihrer Weinerei hinter einem Busche! Du warst fortwährend ein gierigstes Raubtier!
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Kurz und gut, wie schon gesagt, an dir war auch nicht ein gutes Haar, und du befandest dich schon Hals über Kopf vollkommen in der Hölle! Gott der Herr aber erbarmte sich deiner, ergriff dich und will dich frei machen von all den Höllenbanden! Meinst du wohl, daß solches möglich sein könne, ohne dir zu zeigen, wie du beschaffen bist?!
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Oder hast du auf der Erde nie gesehen, was die Uhrmacher mit einer verdorbenen Uhr machen, wenn diese wieder gut und brauchbar werden soll? Siehe, sie zerlegen sie in die kleinsten Teile, aus denen sie zusammengesetzt ist, untersuchen da jedes Stückchen sorgfältigst und reinigen es, machen das Krumme gerade, feilen das Rauhe hinweg und ergänzen, wo irgend etwas fehlt, und setzen am Ende das Werk wieder zusammen, auf daß es wieder wirkend entspräche seiner Bestimmung! Meinst du wohl, daß solch eine ganz verdorbene Uhr zum Gehen käme, so der Uhrmacher bloß ihr Äußeres recht blank putzte, das Innere aber beließe, wie es is t?
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Ebenso aber bist auch du ein Uhrwerk, in dem auch nicht eines Rades Zahn in der Ordnung ist! Sollst du gebessert werden, so mußt du auch zerlegt werden in allem deinem verdorbenen Wesen! Es muß alles heraus ans Licht der ewigen unbestechlichsten Wahrheit, auf daß du dich selbst beschauen kannst und sehen, was alles in und an dir völlig verdorben ist!
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Hast du erst alle deine Gebrechen erkannt, dann erst kann die Raspel, die Feile, die Zange und endlich auch eine Putz- und Polierbürste angelegt werden, um aus dir wieder einen Menschen in der Ordnung Gottes zu gestalten. Und zwar einen ganz neuen Menschen; denn dein jetziger Mensch, wie du selbst es nun bist, ist dazu völlig unbrauchbar!
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So Ich nun aber all das an dir tue, sage: verdiene Ich da nicht deine Liebe?"

Fußnoten