Bischof Martin
Die Entwicklung einer Seele im Jenseits
- Kapitel 4 -
Bischof Martins Ärgernis an dem lutherischen Tempel und des Engels Entgegnung. Martins Bereitschaft zum Dienst als Schafhirte
Sie gehen nun weiter, mehr gegen Mittag gewendet, und kommen zu einem ganz gewöhnlichen Bauernhof, vor dem ein leicht erkennbarer kleiner lutherischer Tempel steht. Als der Bischof dieses größten Dornes in seinen Augen ansichtig wird, bleibt er stehen, um ein Kreuz ums andere über seine stark kahle Stirne zu schlagen und sich an die Brust mit geballter Faust unter steter Begleitung des Mea culpa, mea culpa, mea maxima zu schlagen.
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Der Engel aber fragt ihn: ,,Bruder, was hast du denn? Stört dich etwas hier? Warum gehst du denn nicht weiter?"
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Der Bischof spricht: ,,Siehst du denn den lutherischen Tempel nicht, der des leibhaftigen Gottstehunsbei ist? Wie kann da ein Christ sich einem so verfl... - oh, will's nicht sagen - Orte nahen?
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Oder bist du etwa selbst der verkleidete Gottstehunsbei?! - - Oooooh - wenn du das - bist, so ver - laß mich, o du abscheulichster - Gottstehunsbei!"
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Spricht der Engel: ,,Möchtest du noch einmal die Tour von deinen 5-10 Millionen Jahren auf einem noch finstereren und magereren Orte des Geisterreichs zubringen? So dir solches lieber ist, sage es nur rund heraus; sieh, hier ist dein altes Bischofsgewand schon in Bereitschaft! Diesmal aber wirst du wohl zehnmal so lange zu harren haben, bis dir jemand zu Hilfe kommen wird!
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Siehst du mich denn nicht noch in deinem Bischofsgewande einhergehen? Ihr aber habt ja eine Meinung und sagt: der Teufel könne sich wohl bis zu einem Engel des Lichtes verstellen, aber die vom Heiligen Geiste durchdrungene Gestalt eines Bischofs wäre ihm unmöglich nachzuahmen! Willst du deine Meinung nicht selbst verdammen, wie magst du mich denn für einen Teufel halten? (der Bischof sinkt fast zusammen, schlägt ein großes Kreuz und spricht: ,Gott steh uns bei!`)
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Verdammst du aber deine dogmatische Meinung, die aus der Unüberwindbarkeit des Felsen Petri durch die Pforten der Hölle herrührt, da hebst du damit ja ganz Rom auf. Und ich begreife dann nicht, wie dich als einen offenbaren Gegner Roms dies Häuschen genieren kann, das du für einen evangelischen Tempel hältst?! Siehst du denn nicht ein, daß da in deinem ganzen nunmaligen Benehmen auch nicht die leiseste Spur einer moralischen und noch weniger religiösen Konsequenz vorhanden ist?"
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Spricht der Bischof: ,,Du hast freilich verzweifelt stark recht, wenn man die Sache beim Lichte betrachtet. Aber so du wirklich ein Bischof bist, so wird dir ja von Rom aus auch bekannt sein, daß da jeder Rechtgläubige allen seinen Verstand unter den Gehorsam des blinden, unbedingten Glaubens gefangennehmen muß! Wo aber der Verstand mit den schwersten Fesseln belegt ist, wo wohl sollte da bei unsereinem eine Konsequenz im Denken und Handeln herauswachsen?!
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Bei uns heißt es: ,Der Mensch hüte sich vor allem, in den Geist der Religion einzudringen; er wisse nichts, sondern glaube alles blind und fest! Es ist dem Menschen heilsamer, als ein Dummkopf in den Himmel, denn als ein Aufgeklärter in die Hölle zu kommen! Man fürchte Gott der Hölle und liebe Ihn des Himmels wegen!` Wenn aber das der Grund unserer Lehre ist, wie willst du von mir denn eine Konsequenz haben?"
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Spricht der Engel: ,,Leider ist mir nur zu bekannt, wie es mit der Lehre Babels steht, und wie sie dem Evangelium schnurstracks entgegen ist, allda es ausdrücklich heißt: ,Verdammet nicht, auf daß ihr nicht verdammet werdet; und richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!` Ihr aber verdammet und richtet allzeit jedermann, der sich nicht unter euer Babelszepter schmiegt!
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Sage: Seid ihr da wohl Christi, so ihr doch nicht im geringsten Seiner allersanftesten Lehre seid? Ist in Christi Lehre nicht die größte, allererhabenste Ordnung und Konsequenz wie in der ganzen Schöpfung? Weht nicht die Fülle des Heiligen Geistes aus jeglichem Worte des Evangeliums? Seid ihr aber im Wort und Werk nicht allzeit gegen den Heiligen Geist gewesen, da ihr absichtlich allzeit der reinsten Lehre entgegengehandelt habt, die voll ist des Heiligen Geistes, indem dieser erst die zuvor vom Herrn verkündigte Lehre für ewig bleibend den Aposteln und Jüngern wiedergab?!
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Du siehst daraus, auf welch verdammlichem Grunde du stehst, wie ganz reif für die Hölle! Aber der Herr will dir Gnade für Recht ergehen lassen; darum beschickt Er mich zu dir, auf daß ich dich erretten solle aus deiner alten babylonischen Gefangenschaft!
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Aus dem Grunde will es der Herr, daß du dich vor allem mit deinem stärksten Augendorne vergleichen und aussöhnen sollst, so du je auf den Himmel einen Gnadenanspruch nehmen willst. Möchtest du aber bei deiner Babelslehre verharren, so wirst du dich selbst zur Hölle treiben, aus der dich schwerlich je ein Freund Jesu des Herrn herausholen wird!"
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Spricht der Bischof: ,,Ja, ja, liebster Freund, es fängt an, zum erstenmal etwas von einer Konsequenz in mir emporzutauchen! Daher habe nur Geduld mit mir; ich will ja in Gottesnamen schon tun, was du willst! Aber nur von der schrecklichsten Hölle rede mir nichts mehr - und führe mich nur weiter!"
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Spricht der Engel: ,,Wir sind vorderhand schon am Ziel. Siehe, eben hier bei diesem lutherischen Landmann und Bischofe zugleich, der ich selbst es bin, wirst du einen Dienst als Schafhirte bekommen; die treue Verwaltung dieses Amtes wird dir Brot und ein allmähliches Emporkommen bewirken! Wirst du aber dabei mürrisch und richterisch zu Werke gehen, so wirst du dir sehr schaden und wirst dir schmälern Brot und Emporkommen! Willst du aber ein getreuer Diener sein, so denke nicht mehr an dein irdisch Sein zurück, sondern vielmehr, daß du hier wieder von unten an mußt zu dienen anfangen, so du es vorwärtsbringen willst!
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Aber das merke dir übergut: Vorwärtsgehen heißt hier zurück treten und der Letzte und Geringste sein wollen. Denn niemand kommt eher zum Herrn, als bis er sich unter seine kleinste Zehe durch und durch in allem und jedem gedemütigt hat. - Nun weißt du für diese deine Lage alles; darum folge mir in dies Haus guten Herzens! Dein Wille!"
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Der Bischof folgt ihm nun ohne Einrede, denn er sieht, daß sein Führer es mit ihm unmöglich übel meinen kann.