Bischof Martin
Die Entwicklung einer Seele im Jenseits
- Kapitel 70 -
Zweite Szene der Jesuitenprüfung und ihre Erklärung durch Borem
Bischof Martin sieht nun wieder hin und bemerkt, wie sich unseren Jesuiten eine Karawane Pilger naht, welche sehr viele Schätze und Reichtümer mit sich führt.
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Die Patres bemerken das, und als die Karawane in ihre Nähe kommt, wird sie von ihnen angehalten und gefragt, wohin sie ziehe und was sie mit sich führe.
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Die Karawane spricht: ,,Wir kommen von der Welt, haben dort mehrere Klöster ausgeraubt, und namentlich jene reichsten der Jesuiten, weil diese selbst die größten Räuber und Banditen auf der Welt sind.
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Denn der Menschheit durch falsche Reden, Frömmeleien, Gleisnerei und durch allerlei arge Vorspiegelungen von der Hölle und Verdammnis ihre oft kümmerlich erworbene Habe abnehmen und oft sogar mit allerlei Gewalt entreißen, ist noch ärger als öffentlich rauben und stehlen. Gegen Räuber und Diebe hat jedermann das Notwehr- und Verteidigungsrecht, aber gegen derlei jesuitische und andere mönchische Diebereien und Räubereien können sich nur sehr wenige schützen.
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Und so ist ihr Besitz ein höchst unrechtmäßiger. Es ist demnach recht und billig, daß wir diese früher erwähnten Klöster ausgeplündert haben. Nun tragen wir diesen Raub vor Gottes Thron und wollen dort so lange um Rache schreien, bis der Herr und Gott uns erhören wird und diese boshafteste und am meisten betrügerische Brut von der Wurzel aus vertilgen wird!"
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Als die solches vernehmen, da erglühen sie förmlich vor Wut und Grimm.
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Bischof Martin, der das alles mit angehört hatte, spricht zu Borem: ,,Bruder, jetzt sieht es im Ernste für diese unsere Jesuiten - wenigstens für die dreißig, die schon beim ersten Manöver zugegen waren - schlimm aus! Ich sehe wohl auch alle andern dieses Kollegiums, diese aber halten sich nicht bei diesen dreißig auf, sondern bilden eine abgesonderte Schar, die viel lichter aussieht als diese dreißig."
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Spricht Borem: ,,Diese andern sind schon so gut wie gerettet, aber diese dreißig stehen noch überaus locker. Gib aber nun acht, was da vor sich gehen wird!"
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Bischof Martin gibt nun aufmerksamen Gemütes acht und spricht nach einer Weile: ,,Aber, aber, aber! Bruder, ich bitte dich um Gottes willen, da müssen wir ja doch eingreifen! Ach, das sind ja wahrhaftige Teu- - - Gottstehunsbei! Nein, so was hätte ich von diesem Orden nie geahnt!
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Höre mich an, so du etwa die schrecklichste Sentenz der Jesuiten überhört hast: Als die Karawane mit ihrer Antwort und Erklärung fertig war, da wurden die Patres ganz glühend und schrien aus einem Rachen:
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,O ihr verruchtesten Gottesmörder, die ihr euch so frevelhaftig am Gottesheiligtum vergriffen habt! Ihr seid der gerechten Rache gerade von selbst in die Hände gefallen! Diese Jesuiten, die ihr so schändlichst beraubt habt, und gegen die ihr die Rache Gottes anflehen wollt, sind wir! Gott hat uns sicher hierhergestellt, damit wir euch ob eures unaussprechlich großen Frevels sogleich der tiefsten und schrecklichsten Hölle übergeben an dieser Stelle! Hinab mit euch, ihr ärgsten Teufel, zu den allerärgsten Teufeln!
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Komme herauf, Luzifer, herauf, du Satan, herauf, du Leviathan: Nehmet diese verruchtesten, allerbösesten, ketzerischsten, somit auch allerverfluchtesten, vermaledeitesten, überteuflischen Bösewichter in den ewig marter- und qualvollsten Empfang und werfet sie dorthin, wo die Hölle am allerglühendsten ist!`
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Mein Bruder, das ist doch sicher noch nicht dagewesen! Diese Kerle meinen es gut mit der armen Karawane! Ich meine, Bruder, solche Gemüter werden sich wohl ewig nimmer bessern?
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Ah, ah, ah, da sieh nun hin, da kommen wirklich drei scheußlichste Gestalten aus der Tiefe! Feuer sprüht aus ihren schrecklichen Rachen, die sie so weit aufsperren, daß sie ganze Häuser verschlingen könnten!
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Die Karawane gerät bei ihrem Anblicke in die größte zagendste Angst, legt ihre Bündel vor den Jesuiten nieder und fleht um Vergebung und Erbarmen.
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Aber die Jesuiten stoßen sie unbarmherzig zurück und schreien nur noch mehr, vor Zorn und Grimm glühschäumend: ,Hinab mit euch, hier ist kein Erbarmen und ewig keine Vergebung mehr! Die erschrecklichste ewige Qual in einer ewig vergeblichen, brennenden Reue sei euer Los und Lohn für euer Werk! Ergreift sie, ihr drei allergrößten und ärgsten Teufel, und vergeltet ihnen ewig, was sie an uns zeitlich getan haben!`
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Die Karawane bittet noch mehr, aber vergebens. Die drei Teufel nähern sich der Karawane. Die schreit nun noch entsetzlicher um Erbarmen, aber es ist vergeblich. Mit großer Wonne betrachten die Jesuiten die so endlos Geängstigten. Ah, das sind doch wahrhaftig verfluchte Kerle, ja das sind Teufel der Teufel!
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Die drei wirklichen Teufel lassen sich noch Zeit und schauen ganz bedenklich in das schreckliche Begehren der Jesuiten. Aber diese Luderkerle wollen die Armen sogleich ohne alle Gnade und Pardon in der Hölle haben.
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Da sieh, nun reden wirklich die drei Teufel und bemerken, daß der Jesuiten Urteil zu strenge und sogar ungerecht gegen diese nur kleinen Sünder geschöpft ist!
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Aber die Jesuiten sagen laut: ,Unser Urteil ist Gottes Urteil, somit gerecht! Daher fort mit ihnen, hinab zur Qual!`
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Die Teufel aber schreien entgegen: ,Ihr begehret zu viel! So hat Gott noch nie geurteilt! Wohlan, wir tun es, wie ihr wollt, aber höret: auf eure Rechnung, so euer Begehren nicht von Gott herrührt!`
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O Bruder, höre, siehe ein entsetzlicher Schrei entsteigt der unglücklichen Karawane und sie verschwindet nun mit den Teufeln. Die Jesuiten aber frohlocken mit heiteren Gesichtern! Bruder, was sagst du dazu? Sind das Teufel oder nicht?"
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Spricht Borem: ,,Mache dir aus allem dem nichts. Denn siehe, das alles ist - wie schon früher bemerkt - eine pure Erscheinlichkeit, die sich uns durch des Herrn allmächtige Vermittlung beschaulich darstellt, so diese Erscheinlichkeit zum Austritt aus den Gemütern dieser noch stark unsinnigen Patres genötigt wird!
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Denn die Ablegung des Bösen besteht nicht selten darin, daß dieses in seiner wahren Gestalt aus den Gemütern wie werktätig scheinend hinausgestoßen wird; aber das Ganze ist dennoch mehr ein blinder Lärm als irgendeine Wirklichkeit.
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Darum mußt du dir aus dem hier Geschauten eben nicht gar soviel machen. Alles, was du hier geschehen siehst, entstammt allein der allertiefsten Liebe und allerhöchsten Weisheit des Herrn und hat große Ähnlichkeit mit dem Erscheinen der mannigfachen Krankheiten der Menschen auf der Erde.
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Die Krankheiten sind zwar ein Übel des Leibes, aber dafür eine große Wohltat der Seele und nicht selten auch des Leibes selbst, weil durch sie ein schlechter Stoff gewaltsam aus dem Fleische geschafft wird.
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Also sind auch diese Erscheinungen nichts als mit herübergebrachte Krankheiten der Seele, die alle sämtlich hinausgetrieben werden müssen, und zwar durch geistige Medizinen wie die leiblichen durch leibliche, körperhafte Spezifika. Sonst könnte die Seele nimmer gesund werden und der Geist in ihr nimmer erstehen.
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Oder liegt bei einem Menschen auf der Welt die Seele nicht so lange kränklich darnieder und hat keine Lust zu irgendeiner Tätigkeit, solange der Leib krank darniederliegt? Ist aber der Leib gesund, so ist auch die Seele wieder voll Lust und Heiterkeit.
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Siehe, Bruder, ebenso geht es auch hier: alle diese haben überaus kranke Seelen. Diese Krankheit wird nun flott und wird hinausund hinweggetrieben durch die Kraft des Wortes Gottes, das da ist die einzige, allerkräftigste Medizin. Hat dieses einmal seine Operation gar sicher beendet, dann erst kommen wir an die Reihe und werden die Rekonvaleszenten laben und stärken mit der Liebe des Herrn.
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Nun, lieber Bruder, wirst du diese Erscheinlichkeiten sicher besser verstehen und wirst dich künftighin nicht mehr gar so sehr entsetzen, so du noch Ärgeres erschauen wirst, als du bis jetzt gesehen hast. Denn bei jeder Krankheit ist der letzte Stoff, der durch Arzneien hinausgeschafft wird, der ärgste, weil er der eigentliche Hauptgrund der Krankheit ist. So werden auch hier zuletzt erst die Hauptübel aus der Seele geführt.
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Darum mußt du dich nicht mehr gar so sehr ängstigen, so du diese Übel bei ihrem Austritt erschauen wirst. Sieh nun nur wieder hin; sogleich wird der dritte Akt beginnen, der auch wahrscheinlich der letzte sein wird für diese dreißig Jesuiten!"