Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
- Kapitel 24 -
Eine Rede des Herrn über die Kunst
Meine Jünger gaben nun unverhohlen ihre Verwunderung über die eigentümliche Einrichtung von Haus und Garten Ausdruck, die ihnen der eines jüdischen Weisen doch unziemlich schien, so daß Rael sich zu entschuldigen anfing, indem er darauf hinwies, daß seine vielen Reisen ihm oftmals Gelegenheit geboten hätten, die Kunstfertigkeit fremder Völker zu bewundern, und daß es doch nur diese sei, von der er wenige Beispiele in seinem Hause aufgestellt habe, unbeschadet dessen, daß diese Gegenstände Darstellungen böten, die den heidnischen Götterkultus vorführten. Es sei aber das Schöne, nicht der verkörperte Gedanke, dem er huldige oder doch nur so huldige, daß dadurch sein Glaube an einen Gott nicht verletzt werde.
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Es entstand nun ein Gegengerede, daß dies gefährlich und nicht mit den Satzungen Mosis zu vereinigen sei, der den Verkehr mit den Heiden verboten und das Festhalten an den alten, herkömmlichen Gebräuchen geboten habe.
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Schließlich fragte Rael Mich, sagend: ,,Herr und Meister, sage Du mir, ob ich Unrecht getan habe, daß mein Haus also eingerichtet ist, wie Du es nun gesehen hast, und sei versichert, ich selbst werde der erste sein, der alle diese Kunstwerke, an denen sich mein Auge erfreut hat, vernichtet, sowie Du mir sagst, es sei ein Unrecht!"
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Sagte Ich ihm: ,,Da kannst du ganz ruhig sein; denn wäre es ein Unrecht, so wäre bereits alles vernichtet! Denn dort, wo Ich weile, kann das Unrecht nicht lange bestehen. Du hast aber selbst gesehen, daß Ich deine Freude an diesen Werken teilte und dich bisher nicht tadelte."
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Nun wandte Ich Mich zu den Jüngern und fuhr fort: ,,Ihr aber, wann werdet ihr anfangen, gerecht zu urteilen, nicht aus euch heraus, sondern aus Meinem Geiste? Wißt ihr doch, daß Ich keine Freude daran habe, so nur nach bestimmten Wertsatzungen gehandelt wird! Handelt und urteilt nach den Satzungen des innersten, wahrsten Geistes, der in euch gelegt ist, und meinet nicht, daß das, was gegen eure Sitte, nun auch gegen Gott sei!
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Gott hat anderen Völkern sehr wohl erlauben können, was euch verschlossen bleiben mußte, um Sein Volk tüchtig zu erhalten zu dem, was jetzt als reife Frucht vorliegt. Wenn aber die Frucht vom Baum gelöst sein wird, so wird es am Baume selbst liegen, ob er eine neue zeitigen wird; denn er ist jetzt stark genug geworden, so daß er der Hilfe des Gärtners entbehren kann und selbst sich forthilft. Hat doch dieser alles getan, was zu tun möglich war! Wird aber der Baum faul und träge, so wird eben dieser Gärtner ihm die Axt an die Wurzel legen.
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Alle Völker sind zu vergleichen mit einem Fruchtbaum, der aber stets verschieden behandelt werden muß nach der Eigenart des Volkes.
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Moses gab den Juden die Gesetze und strengen Satzungen und Verbote, sich anders zu beschäftigen als mit dem inneren Sinn des Wortes Gottes. Wer berufen ist, den geistigen Kern zu bewahren nicht nur für diese Erde und deren Bewohner, sondern für die ganze Schöpfung, muß wohl verwahrt werden nach außen; denn wer nach außen strebt, kann nicht gleichzeitig Schlüsselbewahrer sein.
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Die Juden waren von jeher zähen und eigensinnigen Charakters. Dieses sind aber diejenigen Eigenschaften, welche dazu eignen, Bewahrer des göttlichen Wortes zu sein, damit es so unverletzt als möglich erhalten bleibe. Andere Völker, die dieses Zuges entbehrten, hatten auch andere Berufe und waren trotzdem nicht vor Gottes Auge verworfen, ebensowenig wie Hände und Füße von dem Menschen verachtet werden können, weil sie nicht gleich dem Herzen Bewahrer des innersten Lebens sind, sondern vielmehr auch hochgeachtet sind, da ohne diese Organe sein Leben doch nur ein mangelhaftes sein würde.
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Wer daher denken würde, daß es vor Gott ein Greuel ist, anders zu leben, geistig und leiblich, als wie es ein Volk tut, das offenbar in Seiner deutlichsten Führung steht, ist sehr im Irrtum. In späteren Zeiten, wo der Unterschied der Völker immer mehr verschwinden wird, wird es soweit kommen, daß die nebeneinanderwohnenden Menschen grundverschieden leben und dennoch Meinem Herzen gleich nahestehen können. Es soll sich aber da keiner über den andern ärgern.
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Ihr sehet daraus, daß Rael ruhig in der Gemeinschaft seiner Kunstwerke und in seinem prächtig eingerichteten Hause leben und Meinem Herzen gleichwohl sehr teuer sein kann; denn er sieht das alles an, ohne daß sein Herz daran hängt. Er betrachtet nur mit Dankbarkeit die geistige Fähigkeit, die von Mir in den Menschen gelegt wurde und zu solcher Kunstfertigkeit sich entwickelt, daß es andere Menschen auch erfreut.
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Würde er mit der Statue des Jupiter oder einer sonstigen Gottheit auch die Verehrung vor dem Götzen verbinden -, oder sonst irgend jemand in diesem Hause, so wären sie vernichtet worden, damit jeder hier sehe: Es gibt nur einen Gott! So aber ist das nicht der Fall. Rael und seine Hausgenossen stehen in dem vollen Glauben zu Mir und erfreuen sich an diesem allem nur aus Freude an der reinen Kunst.
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Warum soll Ich aber vernichten, was doch auch von Mir indirekt dadurch geschaffen wurde, daß Ich die Fähigkeit dazu in den Menschen legte, solange er einen rechten Gebrauch davon macht? Denn glaubet Mir, alles das, was ihr Kunst nennet, ist von Gott aus sehr weisen Gründen in das menschliche Herz hineingelegt worden, wie ihr leicht einsehen werdet!
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Ebensowenig wie ein untergeordnetes Tier, das nur eine begrenzte Intelligenz besitzt, imstande ist, ein Kunstprodukt durch Überlegung zu schaffen, ebensowenig ist das der Mensch imstande, wenn er seine geistigen Fähigkeiten nicht zu entwickeln sucht.
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Ihr wißt sehr wohl, daß ein Kulturvolk am leichtesten nach seinen Kunsterzeugnissen zu beurteilen ist; denn diese geben nach außen ein Bild von dem, was sich in der Seele des Volkes, in seinem Empfinden, Denken und Handeln abspiegelt. Je mehr dasselbe fortschreitet in dem Losringen der Seele vom materiellen Genuß, desto wirklich vollendetere Kunstwerke wird es schaffen können. Selbstverständlich ist es auch imstande, seine Kunstprodukte jeder Art zur Sinnlichkeit benutzen zu können. Dann aber werden diese auf den reinen Beschauer keinen erhebenden Eindruck, sondern einen abstoßenden hervorbringen.
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Nie aber werden Kunstprodukte von dem Standpunkt des Schönen aus erreicht werden können, wenn in der Seele des Künstlers nicht die Fähigkeit vorliegt, sich in reinere Sphären aufzuschwingen, das heißt mit geistigem Auge zu schauen, um selbst etwas zu schaffen. Wie er das Geschaute verwertet, steht in seinem freien Willen. Fortschreiten, um stets Vollendeteres zu geben, kann er jedoch nur, wenn er die Wege des vor Mir gerechten Schaffens einschlägt.
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Salomo hätte nie den Plan des Tempels entwerfen können, wenn er nicht im Geiste so frei gewesen wäre, um mit innerem Auge den Abglanz eines rein himmlischen Bauwerkes zu erschauen und danach in dem viel angestaunten Tempel ein schwaches Abbild dessen zu geben, was in Meinem Reiche jedem in der Fülle sichtbar ist. Denn nichts kann weder auf Erden noch in den Himmeln von Menschen oder Geistern geschaffen werden, was nicht in der großartigsten Fülle in Gott zu finden ist und damit auch in Seinen Werken. Wo irgend sich ein Abbild befindet, muß ein geistiges Original vorhanden sein, ebenso wo ein Schatten ein Gegenstand, der den Schatten wirft.
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Da aber Gott unendlich ist und in Ihm alles Gute und Schöne und Erhabene, so wird auch nie, geistig genommen, ein Ende sein können, wo es nicht noch etwas Schöneres gibt."