Das Grosse Evangelium Johannes: Band 3
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi
- Kapitel 121 -
Über das Wesen Jesu
Es fingen sich aber an zu fragen viele, die auf dem Berge waren und diese Meine Anordnung vernommen hatten; auch Helena und Ouran wunderten sich ein wenig und fragten gleich mit vielen andern, sagend: ,,Sonderbar! Jetzt geht Er hin, um zu beten und Sich auf morgen vorzubereiten! Wen kann Er denn noch anrufen, und zu wem kann Er beten? Ist Er denn vielleicht ungeachtet Seines allein tiefsten Wissens dennoch nicht das höchste Gottwesen? Sich Selbst wird Er ja doch nicht anbeten!? Und täte Er es, so möchte man denn doch sehr fragen und sagen: Wozu denn das? Sonderbar! Er geht beten und Sich auf morgen vorbereiten, als ob Er als das höchste Gottwesen nicht schon von Ewigkeit dazu in Hülle und Fülle vorbereitet gewesen wäre! Sonderbar, sonderbar! Hm, hm, hm; was soll das nun auf einmal heißen!? Hat Er doch zuvor geredet, wie nur ganz allein immer ein wahrer Gott reden kann! Vom leisesten Hauche Seines Willens hängt es ab, ob die Welt besteht oder nicht, und nun geht Er Selbst beten, heißt uns schlafen und ruhen oder auch beten und uns vorbereiten auf den morgigen Tag! Nun, wenn Er Selbst irgendein Ihm sicher allein bekanntes Gottwesen anbeten geht, wen sollen denn hernach wir anbeten? Ihn oder das uns völlig unbekannte Gottwesen, das Er nun anbetet?! Nein, das ist doch mehr, als was man sich in einem dümmsten Traume hätte können träumen lassen!"
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Hier erhebt sich plötzlich Mathael, etwas erregt, und sagt mit lauter Stimme, so, daß es viele hören können: ,,Was urteilet ihr denn hier wie die Blinden von den Farben! O ihr Blinden alle, wie ihr hier seid, mit Ausnahme des Engels Raphael, und ihr Seine alten Jünger auch, die ihr auch noch sehr blind und somit dumm seid!
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Trägt Er hier auf Erden nicht, gleich wie wir alle, Fleisch und Blut, aus dem Seine Seele wie die unsrige sich entwickelt hat, um fähig zu sein, in den Vollverband mit dem ewigen, grundgöttlichen Geiste zu treten?
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Nur der Geist in Ihm ist Gott, alles andere ist Mensch, wie wir da Menschen sind. So Er betet, so heißt das mit andern Worten: Er läßt Seinen Menschen ganz durchdringen von Seinem urewigsten Grundgeiste Gott, von dem alle andern Geister ebenso herrühren wie das kleine Abbild der Sonne in einem Tautropfen von der wirklichen Sonne.
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Er ist Seinem Geiste nach die wirkliche Sonne, wir und alle Geister aber sind nur lebendige Abbilder von dieser ewigen Urgrundsonne Gott. - Verstehet ihr nun wohl, was es heißt, so Er sagt, daß Er bete?"
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Die Jarah und die Helena begriffen das zuerst; aber die andern konnten sich noch nicht völlig orientieren, weil sie noch immer Seele und Geist untereinander warfen wie Kraut und Rüben! Aber dann fing Mathael an, sie ordentlich zu belehren, und es fanden sich darauf viele zurecht. Alle aber lobten die wirklich grundtiefe Weisheit des unerschrockenen Mathael, und die Helena ergriff des Mathael Hand, drückte sie an ihre Brust und sagte: ,,Ja, du mein allerherrlichster und von Gott mir gegebener Gemahl, wenn es mit deiner Weisheit also stets herrlicher fortgeht, so möchte ich denn doch wissen, wie stark ich dich am Ende noch lieben werde! Wärest du uns allen nun mit deiner Weisheit nicht zu Hilfe gekommen, so hätten wir am Ende alle an der Göttlichkeit des großen Meisters zu zweifeln angefangen, abgesehen von all den nie erhörten, von Ihm vor unsern Augen verübten wundervollsten Taten. Aber jetzt ist alles wieder in der vollsten Ordnung, und wir wissen nun alle zur Genüge, wen wir anzubeten und in vollstem Vertrauen anzurufen haben!"
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Sagt Cyrenius: ,,So sehr es mich auch freut, dich, meinen lieben Freund und nun Bruder Mathael, so gut als möglich gestellt zu wissen, so hätte es mich aber noch mehr gefreut, dich beständig um mich zu haben! Denn unter uns allen mit Ausnahme des Engels, der nun mit seinem Suetal sich bespricht, ist keiner, der also vom Grunde aus in allen Dingen erleuchtet wäre wie du! Wie gesegnet ist ein Volk, dessen Regent du sein wirst und eigentlich der Wesenheit nach schon bist! Aber sehen werden wir uns dennoch öfter; denn entweder werde ich zu dir kommen, oder du kommst zu mir!"
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Mathael ergreift des alten und greisen Cyrenius Hand und sagt: ,,Edelster Cyrenius, wir werden Hand in Hand wirken, und unser Grundsatz sei, das Volk im Namen des Herrn so weise und glücklich als möglich zu machen! Zwar werden wir stets unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das geistige Wohl der uns von Gott zur Leitung anvertrauten Völker richten, aber auch in naturmäßiger Hinsicht soll sich niemand über irgendeine drückende Not zu beklagen haben, besonders, wenn er einmal geistig in der Ordnung ist.
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Im großen römischen Reiche würde solch eine Volksleitung wohl mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben; aber in einem kleinen Lande ist das schon ganz leicht möglich in den Vollzug zu bringen, und glückliche kleine Staaten werden dann gewöhnlich zu einem Spiegel, in dem sich die großen beschauen, ob sie keinen Schmutz im Gesichte haben, und ob ihre Haare in der Ordnung sind.
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Ein Spiegel ist gewöhnlich nur so groß wie eine Handfläche, und doch kann sich der Mensch, so er will, nach und nach ganz vom Kopfe bis zur letzten Zehenspitze beschauen; also kann denn auch leicht ein kleines Land einem ganzen großen Reiche zum Spiegel werden. Wollte sich aber ein kleines Land ein großes Reich zum Muster nehmen, so würde es dabei wohl sehr eingehen und alle seine Untertanen in das größte Verderben stürzen! Daher wollen wir lieber ein kleiner Spiegel als ein Riese sein, der sich darin beschaut! - Habe ich recht oder nicht, hoher Cyrenius?"
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Sagt Cyrenius: ,,Nur den möchte ich noch kennen, der dir unrecht geben könnte! Du hast allzeit recht; denn aus dir spricht ja gleichfort der geweckte Geist Gottes. -
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Aber sieh du einmal nach der Stadt hin! Mir kommt das Feuer immer stärker vor. Am Ende brennt doch die ganze bedeutende Stadt ab? Unser Raphael könnte da wohl helfen, wenn es ihm darum zu tun wäre!?"