Das Grosse Evangelium Johannes: Band 5
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi
Ev. Matth. Kap. 16 (Fortsetzung)
- Kapitel 163 -
Der materialistische Glaube des Pharisäeranführers
1
(Cyrenius:) ,,Hier suchte dich Markus durch seine aufrichtigsten Beteuerungen von deiner vagen Idee abzubringen; du aber sagtest zu ihm ganz freundlich lächelnd, ihm dabei auf die Achsel klopfend: ,Ja, ja, lieber Freund, ich verarge es dir ja nicht, daß du also sprichst; denn fürs erste bist du selbst ein ausgepickter, altfeiner Römer, und fürs zweite ist ein gewisses Muß da, dem dawider zu reden und zu handeln sehr unratsam wäre! Daher bleibe du nur bei dem, bei dem du zu deinem großen Vorteile zu bleiben hast; wir aber bleiben vorderhand noch immer bei dem, was uns einen sichern Vorteil abwirft, und werden dem erst dann völlig ungetreu, wenn uns anderseitige größere Vorteile für bleibend angeboten werden! Versessen sind wir auf unsere Sache, die schon sehr in allerlei Mißkredit geraten ist, gerade nicht; wenn uns aber anderseitige größere Vorteile - wie gesagt - für bleibend geboten werden, dann können auch wir ebensogut, wie es uns bekanntermaßen schon viele unserer Kollegen dem Tempel gegenüber treulos getan haben, unserem alten, morschgewordenen Institute den Rücken kehren und, so es sein muß, auch mit vielen andern den Zimmermeister aus Nazareth als einen Gott anbeten!
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Aber wir benötigen dazu wahrlich keiner Wunder, sondern allein reeller irdischer Vorteile, und sind dann aber auch für alles zu haben und zu gebrauchen, und das um so mehr, weil wir als welterfahrene Menschen es nur zu gut und zu klar aus zahllosen Erfahrungen wissen, was man im Grunde des Grundes von jeder Gotteslehre zu halten hat. Wunderwerke sind ein altes Mittel, die unerfahrenen Kinder der Erde breitzuschlagen. Warum sollen sie in dieser Zeit, in der es der Blinden noch eine übergroße Menge gibt, außer Wert gekommen sein, besonders, so sie auf eine feinere Weise als im Altertume betrieben werden, und noch mehr besonders, wenn die höchsten Machthaber daran sich sicher nicht ohne geheimst gehaltene Gründe beteiligen?! Denn eine recht festest innegehaltene Gotteslehre ist für die Regenten ja stets mehr wert als zehntausend der größten Festungskerker und zwanzigtausend Legionen der tapfersten Krieger.
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Die gutkonstruierten Gotteslehren beleben die blinden Menschen zur Tätigkeit, durch die ein Staat und dessen Regent erst recht reich und mächtig werden kann, während die vielen Kerker und die scharfen Schwerter alle Menschen, die sie treffen, untätig machen müssen. Nachdem sich also ein in einem Staatsverbande lebender Mensch zu einer Götterlehre aus staatsklugen Gründen bekennen muß - so er kein Narr und kein Feind seiner selbst ist -, so ist es wohl am Ende ganz gleichgültig, ob man einen Jehova, einen Zeus oder gar den Zimmermann von Nazareth als Gott anbetet; denn die besseren Gesetze geben die Machthaber ja immer unter dem bleibenden Titel ,Gottes Gebote` heraus! Sie für sich können dann noch tun, was sie wollen, und stellen sich im Notfalle auch gleich über alle die schönen Göttergebote.
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Kann ich mit meinem Gottesbekenntnis einen vorteilhaften Tausch machen, so tausche ich, wie jeder von uns, gleich; soll uns aber in der noch leidlich vorteilhaften Sphäre, in der wir uns jetzt befinden, etwas ohne Entgelt entzogen werden, - ah, da werden wir uns auch mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zur Wehr zu stellen wissen! Denn es handelt sich da ums Sein oder Nichtsein.
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Sind wir mit unserer Einrichtung der Regierung von keinem besondern Nutzen mehr, so entschädige sie uns aber entsprechend, und wir schauen den ganzen Tempelplunder sicher nimmer an! Es wird uns dann wenig kümmern, was der Kaiser aus dem Tempel machen wird. Für die Essäer wäre er ganz gut zu gebrauchen. Sie könnten ihn leicht mit ihren neuen, indischen Wundern zu einer zehnfach größeren Rente umgestalten! Wir verstehen uns ohnehin nicht mehr so recht darauf und werden von den Essäern ohnemaßen allenthalben jedes schmählichsten Betruges verdächtigt. Wo aber ein theokratisches Institut einmal durch und durch von einer andern Partei in seinen Mysterien verdächtigt wird, da hat sich an seinem noch so festen Gemäuer auch schon der fressende Krebs angesetzt, der es, wenn auch langsam, aber nach und nach dennoch sicher zerstören und zugrunde richten wird und muß.
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Ein solches Institut gleicht einem Menschen, der ein Magier ist. Es darf nur ein zweiter, neidischer Magier kommen und nur einigen helleren Köpfen in die Ohren raunen: ,So und so übt der betrügerische Magier seine Künste aus!` und ihnen dann aber auch praktisch zeigen, daß seine Verdächtigung eine reelle ist, - und der verratene Magier kann sich aber auch schon bald aus dem Staube machen, bevor noch die Sache allgemein ruchbar wird, sonst kann es ihm übel ergehen! Wohl ihm, wenn er irgendeinen Mächtigen zum Beschützer hat! Ohne den ist er in wenigen Tagen mit aller seiner Zauberei fertig und kann bei noch sehr günstigen Umständen am Hungertuche zu nagen anfangen. Er wird sich natürlich auch solange als möglich wehren - aber retten vom Zugrundegehen nimmer!
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Denn was einmal verdächtigt ist, das kommt auf kein grünes Plätzchen mehr, was aber auch ganz natürlich ist; denn ein Magier kann seine Stücke nur mit natürlichen Mitteln zustande bringen, in welcher Art sie aber dann auch notwendig als völlig wertlos erscheinen müssen und zu schlecht sind, als daß an ihnen ein allerbarster Narr ein Vergnügen finden sollte, und natürlich noch weniger ein weiser Mensch. Derjenige aber, dem der effektive Grund nicht bekannt ist und auch nicht bekannt sein kann, der muß sie als reine Wunder ansehen und staunen und zahlen; denn er muß es sich selbst eingestehen, daß es dabei nach seinen Begriffen nicht mit natürlichen Dingen zugehen kann. Wird er aber dann von jemand Kundigem überwiesen, daß sein angestauntes Wunder, das er so teuer als etwas Außerordentliches bezahlt hatte, dennoch ganz auf dem allernatürlichsten Wege zustande gebracht ward, dann hat für ihn der frühere Magier aufgehört, ein Wundermann zu sein, und steht nun als ein ganz gemeiner Betrüger vor seinen früheren Bewunderern. Kann der sich je vor dem früheren Gönner reinwaschen? Ich sage: Nein und nimmer! Aus ist es mit ihm für alle Zeiten!
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Und da ein theosophisch-theokratisches Institut im Grunde nichts anderes als eine wohlkonditionierte Zauberei ist, umhüllt mit allerlei mystischer, aber in sich gar nichts sagender Zeremonie und einer Legion von allerlei weisen Sprüchen, Lehren und Gesetzen, so steht ihm auch dasselbe dekretative () Los unvermeidsam bevor, das ein jeder etwas flau gewordene Magier alle Tage für sich zu gewärtigen hat. Aus dem aber wirst du, mein alter Freund Markus, leicht den reinen Grund einsehen, aus dem mir für meine Person jede wohlbestellte Götterkunde ganz einerlei ist, so ich in ihr die besseren Lebensvorteile ersehe; aber so diese nicht evident () in den Vordergrund treten wollen, wie es hier der Fall zu sein scheint, da kann mir's doch niemand verargen, wenn ich mit aller Kraft und Klugheit mein Institut so lange verteidige, als es mir eine gute Existenz bietet. Daß die Verteidigung nur in den Grenzen des bescheiden Möglichen verbleiben muß, davon wird der Grund im Angesichte der allermächtigsten Römer dir hoffentlich nicht schwer begreiflich sein. Ich meine nun auch, daß du mir diese Geschichten da im Ernste nicht mehr als ein reines Wunder wirst aufbürden wollen?!
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Ah, kannst du mir aber dafür, wenn ich dir's glaube und dir sehr schmeichle, entschiedene Vorteile bieten, dann kannst du zu mir sagen: ,Siehe, jener Nazaräer hat nicht nur dies alles, sondern auch dies Meer mit allen seinen Fischen bloß durch seinen Willen urplötzlich ins Dasein gerufen, und überhaupt diese ganze Erde erst vor zwei Jahren erschaffen!` - und ich werde es dir glauben! Was ich dir damit sagen will, wirst du auch ohne alle nähere Erörterung sicher ganz wohl verstanden haben.`"