Gottes Neue Bibel

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 7

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr auf dem Ölberg (Fortsetzung)
Ev. Joh. Kap. 8

- Kapitel 120 -

Agrikolas Fragen nach der Führung der Menschen

Hier machte Agrikola große Augen und sagte: ,,Herr, nur Du als das selbständigste und das allerfreieste Wesen der ganzen Unendlichkeit kannst uns Menschen gegenüber solche Worte reden! Es ist wahr; wenn ich nach undenkbar langen Zeiten in einem gewissen Grade selig werde und dann dennoch eine ewige selige Zukunft vor mir habe, so ist das unselige Sein von einer Unzahl von Erdjahren Dauer am Ende doch soviel wie nichts; aber ein elender Tag, der mich gepeinigt und gemartert hat, ist denn auch ein Etwas für den endlichen Menschen, und es ist dann bei der zurückgebliebenen Erinnerung sehr die Frage, ob mir eine Ewigkeit ganz als Ersatz für die ausgestandenen Leiden dienen kann oder wird.
2
Denn man ward ein elender Bürger dieser Welt bloß durch Deinen allmächtigen Willen. Man kam unter reißende Tiere von Menschen, bekam keine Erziehung außer der eines selbst- und herrschsüchtigen Heidentums, einen Trug von einer Unzahl von Lügen und Betrügereien aller Art und Gattung, die man als heilige Wahrheiten annehmen mußte, und hätte man sie bei einer reifer und heller gewordenen Vernunft nicht angenommen und etwa dagegen gestritten, so wäre man wie ein elendes Ungeziefer vertilgt worden; denn Tausende von derlei schreiendsten Beispielen sind mir nur zu wohl bekannt.
3
Bei solch einer allergeist- und gottlosesten Erziehung aber kann ich am Ende doch selbst nichts anderes als ein wildes, reißendes Tier in einer Menschengestalt werden. Nun, weil ich aber das geworden bin und eigentlich unmöglich etwas anderes werden konnte, so bin ich darum von Dir auf eine undenkbar lange Zeit völlig verworfen und habe aber auch keine Mittel, um mir in meiner großen Not helfen zu können.
4
Da läßt sich denn doch Dir als dem einen, wahren Gott die sehr gewichtige Frage aufwerfen, warum ich denn durch Deinen allmächtigen Willen ein Mensch auf dieser Erde habe werden müssen. Ich war ja vorher ein volles Nichts, habe niemals bestanden und habe auch nie bestehen wollen. Warum bin ich denn geworden?
5
Und weil ich denn schon einmal geworden bin - nicht durch meinen, sondern lediglich durch Deinen allmächtigen Willen -, so frage ich, warum ich denn durch Deine allerweiseste Fürsorge nicht gleich in solchen Verhältnissen in diese Welt kam, durch die ich sogleich zu einem wahren Menschen nach Deiner Ordnung bin gebildet und gestellt worden. Warum mußte ich denn früher ein reißendes Tier werden, ärger denn alle Löwen, Panther, Tiger und Hyänen?
6
Siehe, Herr, das ist eine gar gewichtige Frage! Es ist wohl wahr, daß alle Menschen einmal den Tod des Fleisches verkosten müssen; aber das Traurigste des Allertraurigsten dabei ist das, daß wir dann jenseits dafür einen nahe endlos langen Seelentod zu erdulden haben, der uns armen Sterblichen durch Deine Allmacht unwiderruflich beschieden ist. Meiner noch höchst kurzsichtigen Weisheit kommt das wahrlich höchst sonderbar vor! Denn ich als ein oberster Richter in Rom könnte nach meinen Vernunftprinzipien kein Kind, das sich irgend gegen seine Eltern vergangen hat, völlig verdammen, und das um so weniger, weil es sicher nicht am Kinde liegt, so es schuldlos eine schlechte und oft sehr elende Erziehung bekam. Hätten es die Eltern nur anders und - sage - gerecht erzogen, so würde das Kind gegen sie auch sicher anders handeln! Aber am Ende können auch die armen Eltern wenig oder nichts dafür; denn sie haben ja selbst nie eine bessere Erziehung genossen und können also ihren Kindern unmöglich etwas Besseres geben, als was sie selbst besitzen.
7
Aber Du, mein Herr und mein Gott, besitzest von Ewigkeit her das endlos Beste und könntest den armen Menschen, Deinen Geschöpfen, Deinen Kindern, auch das Allerbeste für ihr Herz und für ihre Seele geben; doch das tust Du wohlweislich nicht, sondern die Menschen müssen vorher zu den gräßlichsten Raubtieren werden, dann erst suchst Du sie mit Deinen scharfen Gerichten heim, und nur sehr wenige können sagen: ,Der Herr Himmels und der Erde hat sich unser endlich doch wieder einmal erbarmt!`
8
Herr, vergib mir, daß ich nun so ganz frei von der Leber weg geredet habe; aber es hat mich wahrlich Dein geheimnisvolles Benehmen gegen die drei Magier dazu verleitet! Können sie dafür, daß sie also sind, wie sie sind?! Sie suchen Dich schon eine geraume Zeit und können Dich nicht finden, und nun sind sie in Deiner Nähe, und Du offenbarest Dich ihnen noch immer nicht! O Herr, sage es mir doch, warum das, von Deiner unbegrenzten Weisheit ausgehend, also sein muß, da anderseits Deine väterliche Liebe, Milde und Güte denn doch will, daß alle Menschen glücklich, weise und selig werden sollen! Denn bei diesem fortwährenden Wüten und Toben der Menschen gegeneinander ist es ja doch unmöglich denkbar, daß sie je den Lebenszweck erreichen können, den Du ihnen gestellt hast. - Herr, da bitte ich Dich um eine Erklärung!"

Fußnoten