Das Grosse Evangelium Johannes: Band 9
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr in der Gegend von Cäsarea Philippi
- Kapitel 163 -
Die Zweifelsfrage des Richters
Sagte darauf der Richter: ,,Ich lobe deinen Eifer, und du bist glücklich in deiner erprobten Überzeugung, und so dein Herr und Gott auch mir die Gnade erwiese, die er dir und deinen zwei Gefährten erwiesen hat, da würde sicher auch ich deine Sprache in meinem Munde führen. Aber da wir schon von dieser Sache reden, so muß ich dich dabei noch auf einen Umstand aufmerksam machen.
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Siehe, dein allmächtiger Helfer ist dem Leibe nach denn doch auch ein Mensch, in dem sicher eine große Fülle von einer uns unbegreiflich übernatürlichen Kraft wohnt, wie sie ähnlichermaßen nach der Schrift der Juden, die uns nicht unbekannt ist, einst auch im Menschen Moses, der ein Zuchtsohn () eines Pharao war, und dann auch in noch vielen andern Propheten gewohnt hat.
3
Alle diese außerordentlichen Menschen haben auch große Dinge und Zeichen gewirkt; aber gestorben sind sie dennoch alle dem Leibe nach. Wohin ihre Seelen gekommen sind, das weiß nun mit überzeugender Bestimmtheit kein lebender Mensch. Man glaubt wohl, und das aus vielen triftigen Vernunftgründen, daß die Seelen besonders großer und tugendhafter Menschen in einem seligsten Geisterreiche ewig fortleben und recht fromme Menschen mit solchen seligsten Seelen auch vielmals verkehrt haben, - nur ich und sicher auch du und noch mehrere deiner Gefährten haben noch keine solche Erfahrung gemacht, und wir müssen uns in dieser Sache bloß mit dem Glauben begnügen.
4
Wie, wenn dein neuer Gott und Herr am Ende dem Leibe nach denn doch sterben würde, entweder auf eine gewaltsame Weise unter den rachgierigen Händen seiner vielen Feinde oder auf eine ganz natürliche Art wie ein jeder andere Mensch, - würdest du auch dann noch bei deiner Behauptung stehenbleiben?"
5
Sagte der Arzt: ,,Noch stärker und ernster denn jetzt; denn Sein Leib ist ja sicher nicht Sein mächtigst wirkendes Wesen, sondern nur Sein sicher allenthalben wie daseiend wirkender Geist, der ewig leben muß! Denn lebte Er nicht ewig in gleicher Macht und Kraft, wer hätte Ihm dann einen tauglichen Leib geschaffen, durch den Er nun, für uns blinde Menschen sichtbar, eben also wirken kann, wie Er als ein purer Geist von Ewigkeit her gewirkt hat?
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Daß aber nicht Sein uns sichtbarer Leib, sondern nur Sein Geist wirkt, erklärt sich ja aus dem Umstande von selbst, daß Er mir aus der Ferne ohne die Anwesenheit Seines Leibes geholfen hat. Seine wirkende Kraft und Macht geht daher sicher nicht von Seinem Leibe, sondern nur von Seinem ewigen und überall wie völlig gegenwärtigen Geiste aus.
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Dieser Geist bedarf zu Seinem eigentlich göttlichen Wirken des Leibes nicht; da Er aber Sich dennoch mit einem sichtbaren Leibe umkleidet hat, so tat Er das sicher nur darum, um Sich uns in den Sphären des Geistes völlig blinden Menschen sichtbar, begreiflicher und zugänglicher zu machen und uns Seinen ewigen Willen und dessen endlose Kraft und Macht verständlicher zu offenbaren.
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Hat Er sicher aus purer Liebe zu uns Menschen diesen Zweck nach Seiner endlosen Weisheit wohlberechnet mit uns erreicht, so wird Er des uns nun sichtbaren Leibes auch nicht mehr bedürfen und wird ihn von Sich lassen in der Art und Weise, wie Er es für gut finden wird.
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Ob Er es vielleicht zulassen wird, daß Seine sicher überblinden und verstockten Feinde ihre Hände an Seinen Leib legen mögen, oder ob Er auf eine andere Weise Seinen Leib ablegen wird, das wird an meiner Behauptung nichts ändern. Denn einmal wird Er uns Menschen wieder unsichtbar werden, aber darum doch ebenso ewig fortwirken, wie Er vor Seiner Leibesannahme von Ewigkeit her gewirkt hat; denn ohne Sein Vorsein wäre auch kein anderes Sein denkbar.
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Daß Er aber sicher ein Meister und Herr alles Seins und Lebens ist, das ersehe ich aus dem, daß Er unseres Leibes gesunde und auch kranke Einrichtung bis in die allerkleinste Faser durch und durch allerhellst wohl kennen muß, auf daß Er dann mit der Macht Seines Willens gerade das wieder in einen gesunden und dem Naturleben des Leibes brauchbaren Zustand umgestalten kann, was in uns mit der Zeit schadhaft, krank und unbrauchbar geworden ist, was ich als ein alter und sicher vielfach erfahrener Arzt wohl einsehen muß. Denn wie möglich könnte man einem Kranken ein taugliches Mittel zur Herstellung seiner verlorenen Gesundheit geben, so man zuvor nicht wüßte, was und wo es ihm fehlt?
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Unser Sehen, Wahrnehmen und Beurteilen aber ist und bleibt bei aller unserer Erfahrenheit dennoch nur ein höchst plumpes und zusammenhangloses Stückwerk, weil wir den inneren Zusammenhang unserer physischen Lebensmaschine in ihren zahllos vielen allerkleinsten Teilen unmöglich schauen und beurteilen können und daher denn auch mit all unserm besten Wissen und Willen eine schwere Krankheit selbst mit den kräftigsten und wirksamsten Arzneien nimmer zu beheben imstande sind; denn wir sehen ja den eigentlichen, vielleicht allerkleinsten kranken Punkt in der so überaus kunstvollen Lebensmaschine nicht. Der Schöpfer und ewige Meister der Maschine aber ersieht im Augenblick alles in ihr, weiß somit allergenauest, wo der Fehler steckt, und weiß infolge Seiner ewigen Allweisheit um das rechte Mittel, das in Seinem Geiste vorhanden ist und sein muß, um damit den schadhaften Teil augenblicklich wieder von neuem in die gute Ordnung zu stellen und ihn zu beleben.
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Wenn du, lieber Freund, das so recht durchdacht hast, so wirst du auch einsehen, daß ich von meiner ursprünglichen Behauptung nicht um ein Haarbreit weichen kann und werde, wenn meines Gottes uns nun sichtbarer Leib auch tausend Male sterben würde; denn dessen bin ich nun mehr als von meinem nun überaus gesunden Dasein überzeugt, daß Sein Leib nicht Er Selbst, sondern pur ein Mittel ist, damit Er Sich uns Menschen näher offenbaren kann denn auf eine pur rein geistige Weise. Hätte Er mich etwa mit Seinen Händen berührt, und ich wäre darauf erst gesund geworden, dann würde ich vielleicht auch deine Besorgnis mit dir geteilt haben; aber da ich aus der Ferne - wie ich dir das schon früher gesagt habe - pur nur durch Seinen Geist geheilt worden bin, so bleibt Er auch ohne den Leib ewig Der, der Er von Ewigkeit her war.
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Fasse du solche meine Ansicht als eine volle Wahrheit recht tief in deinem Gemüte auf, und gehe in ein zuversichtliches Vertrauen auf die Allmacht Seines Willens über, bitte Ihn dann auch um die Heilung deines Leibes, und es wird dir werden, was da mir so wundersam geworden ist!"
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Sagte der Richter, ganz erstaunt über des Arztes gediegene Vernunft: ,,Ich danke dir, lieber Freund, für diese deine Belehrung! Du hast nun mein Gemüt ganz umgewandelt, und ich bin nun schon ganz deiner Ansicht. Oh, wollte dein und nun auch mein allein wahrer Gott auch mir helfen, wie Er dir geholfen hat, so würde ich wohl mein ganzes Leben hindurch Seinen Namen allein preisen und vor jedem Menschen Seine Ehre laut verkünden! O Herr und nun völlig mein allein allmächtiger lebendig wahrster Gott, hilf auch mir von meinem schon lange andauernden bösen Leiden! Dein heiligster Wille heile mich!"