Gottes Neue Bibel

Die Geistige Sonne
Band 1

Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits

- Kapitel 56 -

Auf dem Weg zu Christus

Sehet, sie sind beisammen und unser vermeintlicher ,,Tafeldiener" fragt auch schon unseren Hauptredner, wie ihnen diese Reise hierher behagt hat, und was alles für Bemerkungen sie wohl untereinander gemacht haben dürften? Unser Hauptredner spricht: Lieber Freund und Bruder von sicher ganz besonders hoher Art! Ich sage dir, ein altes Sprichwort sagt: Viel Lärm und wenig Wolle! Also war es auch mit uns. Wir haben viel eitles Zeug miteinander geschwätzt, welches aber zusammengenommen, auf die Waage der Wahrheit gelegt, sicher ein ganz erbärmlich geringes Gewicht haben dürfte. Daher wird es auch meines Erachtens nicht vonnöten sein, dir, der du unsere Torheit von unseren Stirnen ablesen kannst, unser läppisches Zeug zu wiederholen, bis auf eines, welches zwar ich ausgesprochen habe, aber damit nicht sagen will, daß es darum etwas Gewichtiges sein solle, sondern es soll bloß seiner selbst willen gewichtig sein.
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Der vermeintliche Tafeldiener fragt den Hauptredner und spricht: Worin sollte denn dies seiner selbst wegen Gewichtige bestehen? Siehe, wir haben noch ein Stück Weges bis zum Palaste hin; also kannst du mir solches ja wohl kundgeben. Unser Hauptredner spricht: Lieber Freund und Bruder, wenn du mich geduldig anhören möchtest, da hätte ich fürwahr eine große Lust, so recht von meinem innersten Gefühlsgrunde kundzugeben, worin eigentlich dieses sowohl für mich wie auch für die ganze Gesellschaft am meisten Gewichtige besteht. Du winkst mir zu und sprichst, daß ich reden solle; also will ich denn auch ohne Zurückhalt auspacken, was ich nur immer in mir finde. Solche Ideen hatte ich wohl ganz heimlich auch schon auf der Erde; eigentlich aber waren sie nichts anderes als eine flüchtig vorüberziehende Phantasie und mußten allezeit meinem katholischen Glauben wieder den geziemenden Platz machen. Also aber waren und sind, jetzt noch mehr als damals, diese meine Phantasien beschaffen: Nr. 1 war mir die unbegreifliche Dreieinigkeit stets endlos hoch gestellt, daß ich machen konnte, was ich nur immer wollte, ich konnte dennoch nie die Liebe meines Herzens zu eben dieser unbegreiflichen Dreieinigkeit völlig erheben. Ich hatte wohl eine erbärmliche Furcht, verbunden mit einer unglaublichen Heiligenscheu. Das war aber auch alles, was ich gegen dieses allerhöchste dreieinige Wesen empfand; mehr war meinem Herzen unmöglich abzugewinnen.
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Wenn ich aber bedachte, daß man Gott über alles lieben soll, und das aus allen Lebenskräften, und mich dabei fragte: Ist solches wohl bei dir der Fall oder liebst du im Grunde dein Weib, deine Kinder und so manche deiner Freunde in deinem Herzen nicht offenbar mehr als die allerheiligste Dreieinigkeit? so bekam ich aus mir selbst allzeit die unzweideutige Antwort, daß ich nämlich mein Weib, meine Kinder und so manche Freunde ums überaus Bedeutende mehr liebte denn die allerheiligste Dreieinigkeit. Ja, ich muß ganz offen noch hinzu bemerken, daß ich es eigentlich nicht begreifen konnte, wie es einem Menschen möglich sein könnte, eben diese Dreieinigkeit zu lieben. Denn je mehr ich meine Liebe ins Große auszudehnen anfing, desto mehr wurde ich in mir gewahr, daß der Mensch für das gar zu Große nicht einmal liebefähig ist. Ich habe solches auch durch allerlei Gedankenbeispiele an mir versucht.
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Einmal dachte ich mir: Könntest du wohl ein allerschönstes Weib lieben, wenn sie etwa zweimal so groß wäre als ein Kirchturm? Ich stellte mir auch in meiner Phantasie ein solches Weib so lebhaft als nur immer möglich vor; und, weiß der Himmel, wie es geschah, hat solches meine Einbildungskraft oder irgendein Geist getan, kurz und gut, ich erblickte wirklich eine Erscheinung von einer solchen immens großen Weibsgestalt. Soviel ich mich zu erinnern weiß, war diese Gestalt wahrhaft schön zu nennen; aber anstatt daß sich in meinem Herzen irgendeine Liebe geregt hätte, hat sich desselben nur ein wahrhaft höllischer Schreck bemächtigt. Ich habe dadurch praktisch erfahren, daß des Menschen Herz gar zu große Dinge nicht zu lieben vermag, sondern es entsetzt sich vor ihnen wie ein schüchternes Kind, wenn es zum ersten Male einen gepanzerten Helden erblickt.
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Also habe ich auch mein Herz gefragt, ob ich wohl einen Berg oder die ganze Erde zu lieben vermöchte? Ich versuchte auch dafür mein Herz zu erwecken; aber es erging mir dabei wie einem eben nicht zu starken und kräftigen Menschen, so er eine unmäßig große Last aufheben sollte. Ich stellte mir bei diesem Liebesversuche wohl so manche große Helden vor und fragte mich: Diese müssen doch die ganze Erde heiß geliebt haben, weil sie um ihren Besitz so wütend gekämpft haben? Aber da sagte mir mein Herz: Diese Helden haben nicht die Erde geliebt, sondern allein nur sich selbst; sie wollten nicht Väter, sondern nur Herren und Herrscher der Erde sein. Als ich solches fand, da fand ich meinen Grundsatz noch mehr bekräftigt und ersah daraus noch klarer, daß der Mensch das für sein Verhältnis zu Große nimmer mit Liebe zu umfassen vermag. Also wollte ich mich auch einmal in einen Stern verlieben. Auch dieses ging nicht; denn er war mir zu weit entfernt, und ich kam mir bei dieser Liebe gerade so vor wie ein Fisch außer dem Wasser, der wohl ständig nach dem Wasser schnappt, aber trotz alledem dennoch keinen Tropfen in seinen Rachen bekommt. Mit dergleichen sonderbaren Liebesexempeln habe ich mein Herz vielfach auf die Probe gestellt, aber ich ging allzeit leer aus.
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Also ging es mir denn auch, wie gesagt, mit der Liebe zu der allerheiligsten Dreieinigkeit um kein Haar besser, im Gegenteile noch um vieles schlechter. Denn vor den bisher erwähnten Liebesproben hatte ich doch bis auf die riesenhafte Weibserscheinung keine Furcht. Was aber die Dreieinigkeit betrifft, so fürchtete ich dieselbe stets unaussprechlich, da ich durch meinen Glauben dieses allerhöchste Wesen nur als einen unerbittlichen, gerechtstrengen Richter kannte, der den Menschen durch das kurze Leben auf der Erde gewisserart nur zufolge eines fortwährenden strengen Bußlebens gnädig ist. Ist aber der Mensch einmal gestorben, so hat denn auch diese spärliche Gnade auf ewig aufgehört, und es harrt des Sünders nichts als die ewige Verdammnis und, wenn es nur ein wenig besser geht, ein ganz furchtbares, entsetzliches Fegefeuer. Vom Himmel ist vor dem Jüngsten Gerichte aber ohnehin keine Rede. Wann aber dieses allenfalls eintreffen sollte, darüber soll die Weisheit sogar alle Engel sitzenlassen. Es wird freilich wohl hinterdrein eine lange Seligkeit verheißen, und zwar auf die Weise, wie wir sie vor nicht langem verkostet haben.
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Wenn du, lieber Freund, nun dieses alles zusammenfassest, und zwar fürs erste die ganz eigentümliche, allergeheimnisvollste, unbegreiflichste Wesenheit der Dreieinigkeit Gottes, fürs zweite die unaussprechliche und unerbittlichste Richterstrenge dieses Wesens, fürs dritte die Hölle, das Fegefeuer, das Jüngste Gericht und zu allem dem viertens noch hinzufügst den ewigen Gaff- und Freßhimmel, vergesellschaftet mit einer ewigen Ruhe, so möchte ich doch das Herz kennen, welches selbst bei der größten Anstrengung und Notzüchtigung seines Gefühls solch ein Wesen Gottes mit der heißesten Liebe umfassen könnte.
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Mit Nr. 1, lieber Freund, wäre ich fertig. Jetzt kommt ein nicht viel besseres Nr. 2, und das ist das nicht um viel weniger geheimnisvolle allerheiligste Altarsakrament. Ich will dich bei dieser Gelegenheit nur auf einen dummen Gedanken von meiner Seite aufmerksam machen. Siehe, unsere Lehre zeigt uns in der Hostie unfehlbar und unwiderlegbar die vollkommene Gottheit. Nun aber gibt es doch eine Menge Kirchen und in einer jeden Kirche eine Menge Hostien. Wenn zum Beispiel mehrere Priester zu gleicher Zeit die Messe gelesen haben und nicht selten fast alle zugleich aufwandelten, - Freund, da kostete es mich nicht selten einen bedeutenden Kampf; denn ich mußte mir doch unter einer jeden Hostie das eigentliche göttliche Wesen vorstellen, und das vollkommen und nicht geteilt. Wie ging es mir aber bei dieser Vorstellung? Fürwahr, ich konnte mich des Gedankens von mehreren Göttern nicht erwehren, und besonders, wenn ich noch hinzudachte und auch zugleich mit meinen Augen ansah, daß in dem ausgesetzten Hochwürdigsten ein vollkommener Gott sich befand, dann ein gleich vollkommener auch bei der Wandlung von mehreren Priestern gezeigt wurde, wozu ich mir noch ein volles Kommunion-Ziborium von über hundert Göttern notwendig vorstellen mußte.
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Nun denke dir, wie es mir da gar oft ergangen ist, besonders wenn ich eben diese Hostie mit meiner Liebe habe erfassen wollen. Beim Anblick der vielen konnte ich mir doch unmöglich einen vorstellen; und somit war ich auch genötigt, fast gar keinen zu lieben. Am besten ging es mir noch allzeit bei dem in der sogenannten Monstranz; denn der hielt sich noch am längsten auf. - Solches aber wäre noch das weniger Dumme von meiner Seite; aber ein anderer Umstand hat sich da allzeit meines Gemütes bemächtigt, und den konnte ich unmöglich verdauen. Ich bitte dich aber, so ich ihn dir kundgeben werde, daß du mich darüber nicht gar weidlich verlachst.
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Siehe, dieser Umstand bestand darin, wenn ich eine so vollkommene Gotthostie ansah, da kam mir nicht selten dieser verzweifelte Gedanke, daß ich mich fragte: Wenn das der vollkommen wahre Gott ist, wie mich der Glaube lehrt, wie sieht es hernach mit dem eigentlichen Gott im Himmel aus? Muß Er da allzeit vollkommen herabsteigen, oder bleibt der Vater derweil im Himmel und steigt bloß der Sohn herab oder verrichtet diesen Dienst der hl. Geist?
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Ich habe darüber sogar einige Male nachgefragt, bekam aber nie eine andere Antwort, als daß alles solches ein undurchdringliches göttliches Geheimnis sei, und daß darüber nachzudenken schon beinahe eine der allergrößten Sünden ist, welche gar leichtlich zu einer Sünde im hl. Geiste wird.
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Auf eine solche Antwort habe ich dann gleichwohl meine dummen Gedanken soviel als nur immer möglich zurückziehen müssen; denn ich sah es nur zu gut ein, daß man darüber auf der Welt nie ins klare kommen wird, darum ich mich denn auch allzeit mit der geistigen Welt vertröstet habe. Ich habe freilich wohl dabei über die Worte Christi nachgedacht, der da nur gesagt hat, solches sei Sein Leib, aber nicht Seine Gottheit. Jedoch auch dieses nützte mir wenig. Am besten kam ich noch daraus, wenn ich mir darunter ein lebendiges Brot aus den Himmeln vorstellte, welches dem gläubigen Menschen eine Speise zum ewigen Leben abgeben kann, und lebte mit diesem Glauben, so gut es nur immer ging, bis zu meinem irdischen Ende.
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Das wäre nun, lieber Freund, meine Phantasie Nr. 2. - Nr. 3 hatte ich freilich wohl noch eine andere, und diese war der evangelische Christus. Da muß ich dir wohl aufrichtig gestehen, in Diesen war ich fortwährend gleich einer Magdalena förmlich verliebt. Und als ich einige Träume von Ihm hatte und mir so manche Szenen aus Seinem Wandel vorführte, da, muß ich dir sagen, ward mein Herz allzeit entflammt. Ich weiß auch nicht, wie es kam, ich konnte tun, was ich nur immer wollte, und ich war nicht imstande, Ihn trotz der katholischen Lehre für einen unerbittlichen Richter anzusehen. Denn die Szene mit dem Schächer am Kreuze und die Art, wie Er noch sterbend am Kreuze für Seine Beleidiger den Vater um Vergebung bat, ferner die Geschichte vom verlornen Sohne, die Geschichte vom barmherzigen Samaritan, die Geschichte vom Zöllner und Pharisäer im Tempel, die von der Ehebrecherin, und dergleichen noch eine Menge waren allzeit wie eine starke Mauer, gegen welche all mein katholischer Richterglaube nichts auszurichten vermochte. Und so dachte ich mir denn auch nach meiner Art einen Himmel, und diesen zwar also:
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Wenn der Himmel allenfalls wie eine recht herrliche Gegend auf der Erde wäre, in welcher man aber das unaussprechliche Glück hätte, mit Christo allein zusammenzukommen, von Ihm belehrt zu werden und von Ihm auch gleich einem Jünger eine liebtätige und liebersprießliche Beschäftigung zu bekommen, so wäre das doch ein Himmel, den sich kein sterblicher Mensch schöner, seliger und erhabener zu denken vermöchte.
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Ich habe mir auch öfter gedacht: Wenn es möglich wäre, daß ich Christum also haben könnte, wenn auch nur zuweilen, so wäre mir die allereinfachste Hütte der allerhöchste Himmel! Ja, ich habe mir auch nicht selten gedacht: Wenn ich nur Dich, mein herzallerliebster Christus, hätte, so fragte ich weder nach einem Himmel noch nach einer glückseligen Erde! - Siehe, lieber Freund und Bruder, das sind so meine Phantasien. Gedanken sind ja zollfrei und deswegen kann noch alles sein, wie es Gott will! Du magst nun darüber denken, was du willst; kannst du zu unserer Belehrung daraus etwas brauchen, so ist solches wohl und gut, wo aber nicht, da geschehe, wie allzeit, des allmächtigen dreieinigen Gottes Wille!
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Der vermeintliche Tafeldiener lächelt unsern Hauptredner an und sagt zu ihm: Höre, mein geliebter Freund! Deine Phantasien sind besser, als du glaubst; besonders aber, was deine dritte Phantasie betrifft, so ist sie unstreitig die beste. Siehe, es ist wahr, in der Gottheit liegen wohl ewig unerforschliche Dinge und Verhältnisse, Wege und Ratschlüsse, welche nie ein geschaffenes Wesen begreifen wird; aber was deine Liebe zu Christo betrifft, so soll dir darüber gar bald ein helles Licht werden. Soviel kann ich dir im voraus sagen, daß dir und deiner ganzen Gesellschaft sicher ehestens dieser dein Phantasiehimmel zuteil wird! Da wir aber nun schon vor der Türe dieses Palastes stehen, so gehen wir in denselben; allda sollst du das Nähere erfahren. -

Fußnoten