Die Geistige Sonne
Band 1
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 72 -
Heikle Fragen - Ehrliche Antwort
Sehet, der mit dem Schlüssel versehene Mönchsgeist als Einwohner dieses himmlischen Paradieses öffnet die Türe und weiset uns, hineinzugehen. Was meint ihr wohl, sollen wir dieser Weisung folgen oder nicht? So mancher Katholik würde sagen, der Gehorsam fordere solches. Allein, weil ein anderer Grundsatz so lautet, daß man Gott mehr denn den Menschen gehorchen muß, so werden wir auch hier der Weisung nicht folgen, sondern fein draußen bleiben. Und ich werde mir noch obendrauf die Freiheit nehmen, diesen Turm durch eine leise Berührung mit meiner rechten Hand augenblicklich in den nichtigsten Staub zu verwandeln. Aber da der Schlüsselinhaber mit folgenden Worten uns droht: Wenn ihr euch nicht augenblicklich hineinbegebet, da will ich sogleich gewaltsame Hand an euch legen lassen, - so müssen wir uns schon dem Turme nahen, und zwar so weit, daß ich ihn mit meinem Finger werde erreichen können. - Nun sind wir am Turme, und seht, er befindet sich nicht mehr!
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Aber nun sehet auch unseren Einsperrer an, was für ein erbärmlich erstauntes Gesicht er schneidet. Und der andere, Bessergesinnte, naht sich ihm und spricht: Nun, mein lieber Bruder, was sagst du denn zu dieser Erscheinung? Konnte der Teufel wohl so etwas zuwege bringen? Der andere spricht: Ja, mein lieber Bruder, die Sache kommt mir außerordentlich rätselhaft vor. Bis jetzt hat diesem Turme kein Satan etwas anhaben können, ja, er stand da als eine wahrhaftig unüberwindliche Burg Gottes und alle Ketzer und Diener des Teufels als Widersacher der alleinseligmachenden Kirche haben darin ihr verdammliches Asyl gefunden. Noch nie hat es ein Teufel gewagt, sich diesem Turme zu nahen. Und siehe da, dieser Frevler oder was er ist, hat den Turm nur mit einem Finger berührt, und im Augenblicke war keine Spur mehr vom Turme. Ich sehe nun kein anderes Mittel, als diese drei, so gut es nur immer gehen kann, aus diesem heiligen Paradiese hinauszubringen, denn sonst rührt er uns noch etwas anderes an und vernichtet es ebenso wie diesen Turm.
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Ich muß es wahrhaftig bekennen, Gott der Herr ist fürwahr ein rätselhaftes Wesen; und wenn man glaubt, das Beste getan zu haben, so macht Er solches alles sobald zuschanden. So hat Er eine Kirche um die andere gegründet, und wenn sich eine Kirche recht ausgebildet hat, um so, wie man zu sagen pflegt, an dem Schnürl Gott zu dienen, da kommt Er und schneidet gleich einer heidnischen Parze das Schnürl mitten auseinander und der ganze kirchliche Plunder fällt über den Haufen und nichts bleibt von ihm übrig als höchstens der Name, wie bei der Stadt Babylon, da man nicht einmal den Ort ermitteln kann, wo einst diese große Weltstadt gestanden ist. Ich, meiner Person nach will mit diesen drei Wesen nichts mehr zu schaffen haben. Willst du dich noch ferner mit ihnen abgeben, so magst du es ja tun. Ob du aber mit ihnen etwas ausrichten wirst, daran zweifle ich sehr. Meines Erachtens wäre über diese Erscheinung wohl ein allgemeines Konzilium das beste Mittel. Aber wie dasselbe zusammenberufen, solange diese drei da sind?
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Der andere spricht: Ich meine, solches wird nicht vonnöten sein, denn diese drei sind offenbar von oben, wozu sollte da unser Konzilium gut sein? Sie werden unser Konzilium ebensogut auseinanderstäuben wie den Turm. Das ,,von unten sein" von seiten dieser drei aber lassen wir für diesmal hübsch beiseite; denn es heißt, daß den Felsen oder die Kirche Petri die höllischen Mächte nimmer überwinden sollen. Was käme aber am Ende heraus, wenn wir in einem Konzilium das Urteil dahin leiten würden, daß diese drei Abgesandte der Hölle sind und dennoch, trotz dem Zeugnisse Christi, diesem Turme ein Ende gemacht haben? So würden wir dadurch nichts anderes sagen, als daß unsere alleinig seligmachende Kirche durchaus nicht von Petro und von Christo gegründet ist. Und dieses Zeugnis wäre doch sicher bei weitem ärger als die ganze Zerstörung dieses Turmes. Bekennen wir aber im Gegenteile, daß solches der Herr zufolge Seines unermeßlichen Ratschlusses an uns getan hat, so schaden wir uns dadurch nicht im geringsten; denn dem Herrn steht es frei, zu tun, was Er will, und alles, was Er tut, wird sicher wohlgetan sein.
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Der Gegner spricht: Du hast recht, und ich kann dir nichts dagegen einwenden. Aber was werden unsere anderen seligen Brüder und die vielen dienstbaren Engel zu dieser Geschichte sagen, wenn sie dieselbe erfahren werden? Daher dürfte es denn doch notwendig sein, ihnen sobald die Nachricht davon zu erteilen, denn sonst werden wir in einem sonderbaren Lichte vor ihnen erscheinen.
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Der andere spricht: Da bin ich wieder einer ganz anderen Meinung. Kümmern wir uns gar nicht um das, was unsere Brüder sagen möchten, sondern lassen in Gottes Namen diese drei, solange sie noch hier sind, machen, wie es ihnen gut dünkt, und wir waschen uns dabei die Hände. Unsere Brüder aber sollen selbst einen Versuch machen, wie es sich tut, gegen einen reißenden Gebirgsstrom zu schwimmen.
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Nun rede ich zu dem bessern Mönche und sage: Höre, lieber Freund, deine Rede ist mir nicht zuwider, und du bist darum dem Reiche Gottes näher denn so mancher andere. Hast du auch wenig Werke, die dir hierher gefolgt wären, so hast du aber dennoch um einen starken Funken mehr Licht denn die anderen. Es soll dir darum hier Gelegenheit werden, das Werktätige, das dir zum Reiche Gottes mangelt, einzuholen. Daher laß sobald alle die Scheinseligen dieses Paradieses hier zusammenkommen.
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Unser besserer Mönch spricht: Liebe Freunde, solches kann hier alsogleich geschehen; denn durch einen Ruf und Wink werden sobald alle sich hierherbegeben.
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Spreche ich: Also mache den Wink und laß den Ruf erschallen. Unser Mönch tut nun solches, und schon strömt eine große Menge von allen Seiten herbei, und sehet, wie einige die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, da sie des Turmes nicht mehr ansichtig sind. Die erste allgemeine Frage lautet: Um des dreieinigen Gottes willen, was ist denn hier geschehen?! Welcher Frevler hat solches getan? Unser besserer Mönch antwortet mit lauter Stimme und spricht: Höret, Brüder, ich sage euch, fraget nicht darum, denn die drei Mächtigen stehen noch unter uns. Der Mittlere, den wir verdammlichermaßen in den Turm sperren wollten, hat denselben kaum mit einem Finger angerührt und schneller als da ist ein Augenblick, war der Turm vernichtet. Wir wissen aber, daß die Macht des Satans solches nimmer verüben kann; daher seid klug, damit uns nicht ein größeres Übel zuteil werde.
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Sehet, ein oberster Vorsteher dieses paradiesischen Mönchsgremiums nähert sich uns ganz furchtsam und stellt die Frage an uns und spricht: Wir und alle guten Geister loben Gott den Herrn! Wenn ihr ebenfalls gute Geister seid, so saget uns an euer Begehren.
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Spreche ich: Siehe, mein Begehren ist ein ganz einfaches und besteht in nichts anderem, als daß du mir kundgeben sollest, bei welcher Gelegenheit Petrus die römische Kirche gestiftet hat und bei welcher Gelegenheit das sämtliche Mönchswesen? Solches aber mußt du mir aus der Schrift beweisen, denn ein jeder andere Beweis wird von mir verworfen.
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Nun sehet, wie dieser Prior ein ganz erbärmliches Gesicht schneidet und sogleich heimlich ein Kreuz über sein Gesicht macht und zu seinem Nachbarn heimlich spricht: Gott steh uns bei! wir stehen im Angesichte der obersten höllischen Dreieinigkeit. Das ist der Luzifer, der Satan und Leviathan! Solches ist sicher. Aber die Frage ist an uns gestellt, was werden wir darauf antworten? Schweigen wir, so zerstört uns diese Dreieinigkeit - Gott steh uns bei! - unser ganzes Kloster, unser Paradies und unser Himmelreich und führt uns am Ende geradewegs in die Hölle! Antworten wir ihm aber, so haben wir uns so gut als der Hölle verschrieben. Fürwahr, Gottes Fügung nimmt in dieser Welt einen sonderbaren Zuschnitt, daß man nicht einmal im Paradiese und im Himmel so recht weiß, wie man daran ist. Da ich aber aus der Schrift der römischen Kirche apostolische Autorität durchaus nicht erweisen kann, so wird es am besten sein, ich sage ihm, wie es auch wahr ist: Höre, Freund, solches weiß ich nicht. Ich glaube wohl, daß die römische Kirche von Petro gegründet ist, und ersah solches auch aus einer geschichtlichen Tradition, derzufolge dieser Apostel etliche und zwanzig Jahre in Rom zugebracht haben soll, ob aber solche Tradition authentisch ist oder nicht, das wird der liebe Herrgott sicher besser wissen als ich.
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Ich war einmal ein römischer Katholik und glaubte, lehrte und handelte im Geiste dieser Kirche, und glaube darum nicht gefehlt zu haben. Verhält sich aber die Sache anders, so magst du uns selbst darüber berichten. Ich werde nicht abgeneigt sein, dich zu hören; und so magst du reden. Bist du ein guter Geist, so wirst du nichts Böses wollen, bist du aber ein böser Geist, da denke, daß Gott noch mächtiger ist als du; und somit rede, was du zu reden hast. -