Die Geistige Sonne
Band 2
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 32 -
Fortsetzung der Sonnenwanderung. Die Palastanlage entspricht den Verhältnissen des menschlichen Wesens
Es möchte wohl noch eine Strecke Weges von zwei sein oder achttausend Klaftern eures Feldmaßes. Die Strecke ist eben, und man kann mit dem Auge über die Fläche hin nicht alles ausfindig machen, was irgendeinem Hindernisse ähnlich sein könnte. Für unseren gegenwärtigen Standpunkt ist außer einem Pyramidenkreise von kleiner Gattung nichts zu entdecken. Die Pyramiden selbst aber stehen so weit voneinander ab und stehen auch nicht auf unserer Linie, und so können wir sie auch nicht als ein Hindernis ansehen; es müßte nur hinter den Pyramiden sich etwas vorfinden. Ich aber sage kurz und gut, gehen wir nur darauf zu, und der Weg wird ja wohl zeigen, was wir noch zu bekämpfen haben werden.
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Wenn ich hier nicht euer Gast, sondern ihr die meinigen wäret, da wären wir schon lange an Ort und Stelle; aber ich muß hier eure Ungewißheit und Unschlüssigkeit leitend mit euch teilen. Daher geht der Marsch auch ein wenig langsamer. Es schadet aber solches der Sache gar nicht; denn wir wissen uns den etwas zögernden Weg - mit der Gnade des Herrn - ja gar wohl zunutze zu machen.
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Dazu ist es auch sehr angenehm zu gehen auf diesem grünlich-blauen Samtboden, und so können wir uns die etwas längere Marschdauer schon gefallen lassen. Auch rückt uns wenigstens gut die Hälfte des merkwürdigen Hauptgebäudes im Mittelpunkte dieser Ringmauer stets näher, und so haben auch unsere Augen fortwährend vollauf zu tun. Die Pyramidenreihe hätten wir bereits erreicht, wie ihr merken könnet, und es zeigt sich noch immer kein anderes Hindernis als die zufolge unserer Annäherung beständig höher werdende Ringmauer. Diese selbst, wie es mir jetzt vorkommt, ist durchaus nicht kontinuierlich, sondern besteht aus lauter Säulengalerien, welche einen überaus prachtvollen Anblick zu gewähren anfangen.
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O sehet nur hin, es sind ja drei Säulengalerien übereinander; aber die Säulen sind bei allem dem dennoch wenigstens dem jetzigen Anscheine nach ziemlich knapp aneinandergereiht. Also nur hurtig darauf losgeschritten und den Mut nicht sinken gelassen! Bald werden wir dieses großartig scheinende Hindernis meines Erachtens als gar kein Hindernis mehr anzuschauen Ursache haben, denn, wie ich bemerke, werden bei unserer Annäherung die Räume zwischen den Säulen merklicher und merklicher; und sehet, vor den Säulen ist eine zusammenhängende Staffelei angebracht, über welche man sicher von jeder Seite her wenigstens in die unterste Galerie gelangen kann.
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Ja, sehet nur hin, die Säulen stehen recht weit auseinander, und wir können sicher zwischen ihnen in Reih und Glied durchziehen. Ja, ja, meine lieben Freunde und Brüder, also ist es. Jede gute Arbeit ist ihres Lohnes wert; wir sind mutig darauf losgeschritten, und da wir das größte Hindernis zu finden glaubten, da finden wir gerade gar keines. Wir haben diese endlos prachtvolle Staffelei erreicht, welche meinem Erkennen nach aus lauter rotem durchsichtigem Golde angefertigt und dazu noch zwischen einer jeden Säule bis zur andern hin mit einem mir bis jetzt auf diesem Weltkörper noch nicht vorgekommenen Stoffe für die Fußwandler auf das allerprachtvollst Zierliche überdeckt ist.
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Zwölf Staffeln sind es nur; diese werden wir gar leichtlich überschreiten. Also nur hinauf! Wir sind in der Galerie. Da sehet einmal das Bodenpflaster dieser Galerie an; sieht es nicht aus, als wäre es eine rundgestreckte, weit ausgedehnte, allerfeinst geschliffene Diamantfläche in einer Breite von zehn Klaftern eures Maßes genommen? Sehet es nur recht genau an, es ist nirgends etwas Zusammengefügtes zu entdecken, also durchgehends kein Stückwerk, sondern ein vollkommen Ganzes. Und betrachtet einmal die Säulen, die nach innen zu gewendet sind oder die inwendige Reihe bilden. Eine jede ist umfaßt mit einer Wendeltreppe aus dem allerherrlichsten Rubine. Die Treppe ist eingeländert mit den zierlichsten Stäben aus weißem Golde, und über einem jeden der vielen Stäbe des Geländers ist eine hellblau strahlende Kugel angebracht, welche ein wunderliebliches Licht von sich wirft.
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Ihr möchtet wohl wissen, wozu diese Wendeltreppen, und das um jede Säule gleichförmig? Der erste Grund ist offenbar, um auf die zweite Galerie zu gelangen; aber dazu brauchte ja nicht eben eine jede Säule mit solch einer Wendeltreppe versehen zu sein.
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Solches liegt in der Weisheit dieser Menschen, derzufolge sie allenthalben in die Höhe gelangen können, ohne daß eines das andere nur im geringsten beirren möchte; denn diese Säulen stellen die Lehrer oder Führer dar. Wie aber kein Führer und Lehrer also beschaffen sein soll, daß man durch sein Geleite nicht in die Höhe gelangen möchte, also darf auch keine solche entsprechende Säule ohne eine in die Höhe leitende Wendeltreppe sein.
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Ihr saget hier gleichwohl und fraget, warum denn nicht auch aus eben dem Grunde die äußere Säulenreihe bestaffelt ist? Sehet, das liegt schon wieder im Grunde der Weisheit dieser Menschen, demzufolge die äußere Säulenreihe wohl auch Lehrer darstellt; aber Lehrer für naturmäßige Beschaffenheit, also Lehrer in äußeren Dingen. Diese aber können mit ihrem Lehrfache niemanden erheben, daher sind auch diese äußeren Säulen ohne Staffeln.
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Ja ihr könnet hier betrachten, was ihr wollt, so werdet ihr überall die vollkommenste und innigste Entsprechung mit den äußern wie mit den innern Verhältnissen des Menschen finden. Also ist uns der Weg von unserer letzten Allee ganz einförmig vorgekommen. Es war nichts da als der schöne Boden und die etwas sparsame eben nicht ansehnliche Pyramidenreihe, darauf die beglückende Erweiterung der von uns früher als hinderlich vermeinten Ringmauer in geräumige Säulengalerien und über derselben eine halbe Ansicht des Hauptgebäudes in der Mitte. Das war aber auch alles, was uns auf der Reise über die freie Ebene vorkam.
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Ihr meinet, hinter dieser höchst einfachen Erscheinung dürfte doch nicht gar zu viel Bedeutendes in entsprechender Hinsicht stecken. Ich aber sage euch: In eben dieser etwas langweiligen Reise liegt etwas ganz außerordentlich Tiefes verborgen. Es ist freilich wenig, was uns da begegnete; aber nach eurem Spruche, daß dem Weisen das Wenige genüge und er in selbem gar Großes finde, ist auch dieses Wenige so bestellt, daß es uns vollkommen genügen kann, wenn wir es nur mit einem einigermaßen weisen Blicke betrachten. Damit ihr euch aber davon einen kleinen Begriff machen könnet, so will ich euch vor der Hand nur einige ganz unbedeutende Stupfer geben, nach denen ihr mit sehr leichter Mühe das Tiefere selbst finden könnet.
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Aus den drei Alleen, also aus den drei Demütigungsgraden aus dem Leiblichen, Seelischen und Geistigen, sind wir auf einmal in den freien Raum oder entsprechend in die innere Freiheit des Geistes gelangt, und das mit den Mitteln, welche uns der Herr Selbst verordnet hat. Und diese Mittel sind die äußere Weisheit der Lehre des Herrn, welche der Mensch zuerst buchstäblich beobachten muß, bis er zum inneren geistig freien Bewußtsein gelangt.
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Herrlich ist der Boden, auf dem man wandelt, überall frei und ohne Hindernis, und blau ist seine Farbe, voll sanften Glanzes; also ist auch das freie Bewußtsein des Geistes, welches sich in einer unwandelbaren Beständigkeit ausspricht. Aber in der Mitte des freien Raumes sind Pyramiden angebracht. Das sind ja Grabmäler; was zeigen denn diese an? Ihr möchtet wohl sagen: Vielleicht das gänzliche Absterben für die Welt. Das, meine lieben Brüder und Freunde geschieht schon bei der Reise durch die drei Alleen.
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Diese Pyramiden aber zeigen hier nur an - das Sichzurruhelegen der äußeren Weisheit, und daß man in dieser Sphäre kein Hindernis mehr zu erwarten hat, entsprechend, daß man sich der Möglichkeit enthoben hat, je mehr vor Gott sündigen zu können. Denn jeder Geist, an dem nichts Äußeres mehr klebt, kann nicht mehr sündigen und ist aus diesem Grunde erst rein.
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Warum denn? Weil er vollkommen eins mit dem Herrn geworden ist! Mehr brauche ich euch in dieser Hinsicht nicht zu sagen; denn so jemand tut, was der Herr will und tut, der wird etwa dadurch doch nicht sündigen.
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Als wir ganz nahe noch dem Austritte aus der letzten Allee waren, da kamen uns die herrlichen Säulengalerien noch wie eine kontinuierliche, unübersteigliche Ringmauer vor; also eine schauerliche Linie, über die zu gelangen sich beinahe gar keine Aussicht darbot. Als wir über die Pyramidenreihe hinaus waren, da fing die Mauer an, in getrennte Säulen sich aufzulösen, und nach sehr kurzer Reisefrist ward uns das zu einer großartigen Herrlichkeit und zu gar keinem Hindernisse mehr, was wir ehedem schon eine geraume Zeit hindurch am meisten befürchteten.
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Was wohl stellt solches vor? Betrachtet den Tod eures Leibes. Das ist doch sicher für jeden noch äußerlich lebenden Menschen der am meisten gefürchtete Moment, also ein überaus allerstärkstes Lebensbahn-Hindernis. Das ist es auch sicher für jedermann, solange er die Pyramidenreihe nicht hinter dem Rücken hat.
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Hat aber jemand bei der Ablegung alles äußeren Weisheitsscheines in seinem Geiste vollkommen den Herrn angezogen, dann wird dieses gefürchtete Hindernis ein überaus herrlicher Prachtanblick werden, und ein jeder wird da sicher den heißesten Wunsch tragen, sobald als möglich über die zwölf Staffeln in die untere Galerie zu gelangen.
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Woher rühren denn die zwölf Staffeln? Diese stellen sinnbildlich die zehn Gebote Mosis und dann noch dazu die zwei Gebote der Liebe aus dem Munde des Herrn dar; so wie die drei übereinanderstehenden Galerien darstellen: Naturmäßiges im Geistigen, Geistiges im Geistigen, und Himmlisches im Geistigen. Ich meine nun, aus diesem Stößchen dürftet ihr die Erscheinungen auf dem Marsche über den freien Platz nun so ziemlich begreifen bis auf die halbe Ansicht des Mittelgebäudes, welches die Gnade des Herrn bezeichnet und vor der Hand allein sichtbar ist, bis jenseits der Galerien auch der Hauptgrund sichtbar wird, welcher die Liebe des Herrn ist oder der Herr Selbst in Seiner Persönlichkeit. Da wir solches wissen, so ziehen wir wieder weiter. -