Die Geistige Sonne
Band 2
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 35 -
Geistiges Fortschreiten durch Palasteinrichtungen dargestellt
Sehet, es kommt nur auf eine Vorübung an, und man steigt dann in einer höheren Sphäre mit eben der Leichtigkeit in eine noch höhere, als man vorher von einer unteren Sphäre in eine nach ihr folgende höhere gestiegen ist.
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Ihr saget freilich, daß es auf der Erde nicht eben ganz vollkommen derselbe Fall ist; denn je höher man dort steigt, desto schwerer werden einem auch die Füße, und so braucht jeder nächste Tritt eine etwas stärkere Anstrengung als der vorhergehende. Das ist richtig; aber ihr müsset dabei bedenken, daß so ihr irgend natürlichermaßen in die Höhe steigen wollet, ihr da in einem Zuge fortgehet und machet nicht verhältnismäßige Raststationen zwischen einem und dem andern Höhepunkte. Dadurch aber müsset ihr dann ja notwendigerweise ermüdet werden. Teilet ihr aber eine zu besteigende Höhe ab, und zwar in solche Rastabsätze, wo ihr von einem bis zum andern nicht müde werden könnet, da werdet ihr nach einer zweckmäßigen Rast jeden folgenden Absatz mit gleicher Kraft und Müdlosigkeit besteigen können.
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Daß aber solches richtig ist, könnet ihr sehr leicht aus eurem täglichen Leben ersehen. Ihr gehet da doch häufig hin und her und werdet dabei nicht müde. Warum denn nicht? Weil ihr inzwischen wieder gehörig ausruhet. Zählet aber eure Schritte zusammen, die ihr in einem Tage hindurch machet, so werden es so viele sein, daß ihr mit denselben in einer geraden Linie leichtlich eine Strecke von zehn Stunden Feldweges zurücklegen würdet. Machet ihr nun aber einen Weg von zehn Stunden, so werdet ihr bis zum Niedersinken müde werden.
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Sehet, also ist meine Annahme und Erklärung richtig; so jemand im Wege und im Emporsteigen desselben nicht müde werden will, da mache er Absätze mit gehöriger Rast, und er wird am Ende bei einer zurückgelegten Reisestrecke von zehn Stunden, ob eben oder aufwärts, noch dieselbe Kraft in seinen Füßen haben, wie er sie gehabt hat beim ersten Schritte, und bei einer weiter fortgesetzten Reise wird er statt müder nur stärker werden.
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Auf dieselbe Weise aber verhält es sich auch mit dem geistigen Fortschreiten, wie auch mit demjenigen, welches halb geistig und halb materiell ist. Nehmet ihr z.B. jemanden an, der auf irgendeinem musikalischen Instrumente ein Virtuose werden wollte; was wird aus ihm wohl werden, wenn er sein Instrument den ganzen Tag und so auch noch dazu etwa die halbe Nacht nicht aus der Hand legt und dazwischen einige Stunden ruht? Ich sage euch: Nicht acht Tage wird er solch eine Übung aushalten. Warum denn nicht? Weil eine jede Bewegung sowohl des Leibes wie des Geistes eine viel größere Anstrengung der Lebenskräfte fordert als der Zustand der Ruhe.
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Die Anstrengung der Lebenskräfte aber ist eine Verzehrung derselben, durch welche sie nicht gestärkt, sondern natürlicherweise nur geschwächt werden müssen. Der Mensch aber ist also eingerichtet, daß sich im Zustande der Ruhe seine verzehrten Kräfte durch das beständige Einfließen des Herrn aus den Himmeln wieder ersetzen. Und wenn so durch den öfteren zweckmäßigen Gebrauch die Lebenskräfte zu öfteren Malen in Anspruch genommen werden, da werden eben durch diesen Gebrauch die Gefäße zu fernerer Aufnahme der Lebenskraft nach und nach stets mehr erweitert und gestärkt. Dadurch muß dann der Mensch bei einer stufenmäßig geordneten Lebensweise an Kraft und Stärke notwendig zunehmen, weil er als ein Gefäß auf diese Art und Weise stets mehr Lebenskraft in sich aufnehmen kann.
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Sonach wird ein Wanderer durch den zweckmäßigen Gebrauch der Kraft seiner Füße von Tag zu Tag stärker. Der auf einem musikalischen Instrumente sich zweckmäßig Übende wird tüchtiger und tüchtiger, und der im Geiste Fortschreitende wird ebenfalls von Periode zu Periode fähiger und fähiger werden, ohne wahnsinnige Ermüdung des Geistes sich in die größten Höhen und Tiefen der Weisheit emporzuschwingen.
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Wollte aber jemand von heute bis morgen schon das erreichen, was ein geordnet Fortschreitender im Verlaufe von mehreren Jahren erreicht hat, so wird er ein Narr; denn er wird über das Maß des geordneten Zufließens seine geistige Lebenskraft verzehren und dann im Geiste zum Hinfallen schwach und ohnmächtig werden.
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Die hungrigen Gefäße für Lebenskraft werden dann gleich einem Polypen alles aufzusaugen anfangen, was ihnen nur unterkommt, Unflat und Gold, Licht und Finsternis; also alles durcheinander. Diese ungleichartigen Substanzen aber werden dann in den Gefäßen zu gären anfangen, der Geist solcher Gärung wird bald die schwachen Gefäße zerreißen, und der Zustand, wo ihr saget: Bei dem ist das Radel laufend geworden, wird fertig sein.
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Aus dem aber werdet ihr meines Erachtens nun schon ganz klar entnehmen können, daß ein jedes zweckmäßige Fortschreiten oder Aufsteigen in zweckmäßige Rastabsätze eingeteilt sein muß; und man wird dann mit der größten Leichtigkeit von der Welt jedes gute Ziel erreichen können.
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Wer da ein großes Faß neuen Mostes hat und zieht ihn fortwährend von einem Fasse ins andere ab, um ihn dadurch etwa zu klären und stärker zu machen, der wird sich bei einem hundertmaligen Abziehen sicher überaus getäuscht finden. Dadurch wird der Most nicht nur allein nicht klar und stark werden, sondern, da in einem jeden Fasse etwas zurückbleibt, so wird er am Ende durch lauter Hin- und Herziehen den Most auch zum größten Teile einbüßen. Läßt er aber den Most im Fasse in der gehörigen Ruhe, so wird dieser tätig werden, alle Unreinigkeit von selbst hinausarbeiten, dadurch sich stets mehr und mehr klären und eben dadurch auch stets mehr und mehr sättigen mit der geistigen Kraft.
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Hat er einmal die erste Stufe der Klarheit erreicht, dann wird es recht sein, ihn in ein anderes reines Faß abzuziehen, allda keine unlauteren Treber mehr auf dem Grunde liegen, welche die geistige Kraft des Weines schwächen; sondern er wird nun auf reinerem Grunde mit sich selbst, also mit seiner eigenen Kraft zu tun bekommen und sich durch diese eigene Kraftübung stets mehr und mehr stärken und kräftigen.
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Gerade also ist es auch mit dem Menschen; von Stufe zu Stufe muß er steigen und von Stockwerk zu Stockwerk. So kommt er höher und höher in der Sphäre seines Lebens und aller Erkenntnisse desselben. Und so sind wir nun auch in unser zweites Stockwerk gelangt ohne die geringste Ermüdung und können uns nun hier in diesen herrlichen Galerien, wie ihr zu sagen pflegt, recht breitmachen und alle diese großen Herrlichkeiten betrachten.
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Was die Bauart betrifft, so gleicht sie vollkommen der der ersten zwei von uns schon gesehenen und betretenen Galerien, nur sind die das nächste Stockwerk tragenden mächtigen Säulenrondelle etwas tiefer zurückgesetzt als die der vorigen Galerien.
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Das Unterschiedliche zwischen dieser und der vorigen Galerie liegt zuerst in der ganz andern Färbung des Baumaterials ganz besonders aber in dem, daß in der Mitte dieser Säulenrondells statt eines Altares eine Art großer Gartenvase von der prachtvollsten und zierlichsten Arbeit sich befindet, aus welcher ein natürliches kleines Bäumchen wächst.
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Ihr werdet etwa meinen, die Wurzeln dieses Baumes werden mit der Zeit die Vase auseinandertreiben. Des seid ohne Sorge. Die Weisheit dieser Menschen hat dagegen schon gehörig vorgesorgt; denn wird das Bäumchen mit der Zeit stärker und stärker, so wird es dann behutsam herausgenommen und versetzt in ein mächtiges Geschirr, das wir erst im nächsten Stockwerke antreffen werden. Dafür aber wird in die Vase dieses Stockwerkes wieder ein frischer Same gelegt, aus welchem ein neues ähnliches edles Bäumchen erwächst.
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Hat denn auch diese gärtnerische Operation irgendeinen geistigen Grund? Allerdings, meine lieben Freunde und Brüder! Im ersten Stockwerke haben wir nur einen Altar in der Mitte gesehen. Dieser bezeichnete die erste gewisserart bloß nur buchstäbliche Erkenntnis Gottes; also ein Samenkorn, welches erst ins Erdreich kommen muß, um aus demselben zu einem Baume zu erwachsen, unter dessen Ästen dann die Vögel des Himmels Wohnung nehmen können.
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Und sehet, hier ist dieses im ersten Stocke noch ledige Samenkorn schon in die Erde gelegt und aus derselben erwachsen zu einem kleinen Bäumchen. Es bezeichnet den Zustand des Menschen, wie er ein moralisches Wesen wird, sobald er von Gott eine Erkenntnis in sich aufgenommen hat und dann auch schon zur künftigen Fruchttragung geeignet ist, wie zur Wohnung der Vögel des Himmels. Und so werdet ihr im Verhältnis auch alles andere in diesem zweiten Stockwerke finden.
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Der Boden der Galerie sieht aus wie ein weißglühend Erz, die Säulen sind rötlich-grün, der Boden der Säulenrondells, auf dem die Vase steht, ist weiß wie eine Sonne. Die Vase selbst ist aus einem Stücke Rubin geformt und ruht auf einem dreifüßigen Gestelle, welches aus flammendem Golde verfertigt ist, und das Erdreich in der Vase sieht aus wie Smaragdsamt. Die Treppe um die Säulen ist hier aus einem hellblauen Material angefertigt und mit grünem, mächtig stark schimmerndem Laubwerke verziert. Die Wand des Hauptgebäudes ist rosenrot, die Tore in das Innere sind aus Smaragd, die Mittelsäule, an der die beiden Flügel hängen, ist aus durchsichtigem Golde, und der Plafond in dieser Galerie samt seiner herrlichen Verzierung ist lichtgrün und glänzt mächtiger als die Sonne durch ein lichtgrünes Glas beschauet.
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Nun aber begeben wir uns auch hier zu einer Türe hin und wollen durch ihr leicht durchsichtiges Material einen Blick ins Innere tun. Wir sind dabei; also sehet hinein! Was sehe ich? Ihr sinket ja völlig ohnmächtig zusammen, was hat euch denn da gar so erschüttert? Ich weiß schon, die in diesem Stockwerke noch viel schöneren Menschengestalten.
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Ja, ich sage euch, die bildliche Schönheit dieser Menschen ist so groß, daß ihr auf eurer Erde nicht imstande wäret, eine solche Schönheit anzuschauen ohne das Leben plötzlich zu verlieren. Ich sage euch aber noch mehr: Der Glanz dieser Schönheit würde buchstäblich sogar eure ganze Erde in wenig Augenblicken völlig auflösen. Daher aber verlassen wir auch wieder diese Galerie und steigen somit ins dritte Stockwerk oder auf die vierte Galerie.