Gottes Neue Bibel

Die Geistige Sonne
Band 2

Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits

- Kapitel 44 -

VIII. Stockwerk. Vom Eingehen in das Leben des Geistes

Wir sind oben; sehet euch recht gründlich um und beachtet vorzugsweise die Säulenrondell-Ornamente. Aus diesen, wie ihr bisher schon erfahren habt, lernen wir von Stockwerk zu Stockwerk die Weisheit der hier wohnenden Menschen kennen und zugleich die allgemeine Menschen- und Weltordnung eines ganzen Sonnengebietes, vorzugsweise desjenigen, auf dessen Zentralsonne wir uns gegenwärtig befinden.
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Was das Übrige dieser Galerie betrifft, so ist eben nicht zu viel für unsere Augen besonders Erhebliches daran zu entdecken, denn das ganze Baumaterial bis auf die innere kontinuierliche Wand ist schon vollkommen hell durchsichtig, so daß man also nur mehr aus den Glanzflächen erkennen kann, daß es ein Material ist, sonst aber ist es, wie gesagt, vollkommen durchsichtig gleich der Luft. Die innere kontinuierliche Wand aber ist blendend weiß; die Tore in die inneren Gemächer sind lichtblau. Jetzt sind wir mit den Farben aber auch schon fertig, was das Bauwesen der Galerie betrifft; daher begeben wir uns sogleich in ein Säulenrondell, um in selbem das Merkwürdige zu erschauen, was uns um eine so ganz eigentliche geistige Galerie höher heben wird.
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Wir sind im Rondell. Ihr saget zwar: Lieber Freund und Bruder, hier muß man die Säulen dieses Rondells mehr greifen als schauen. Sie glänzen wohl ungemein, wenn man so recht vor ihren Flächenspiegel tritt; sieht man aber flüchtig hinweg, fürwahr, da könnte man recht gut in die Säule rennen, ohne vorher gesehen zu haben, welch ein Stein des Anstoßes auf einen harrt.
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Du hast zwar früher gesagt, wir sollten das Ornament dieses Säulenrondells besonders scharf ins Auge fassen, denn es stecke gar Großes dahinter. Aber wir schauen schon jetzt hin und her und auf und ab, und können mit Mühe nur die Säulen erschauen und innerhalb derselben eine ganze ungemein keusche, zarte und überaus durchsichtige Rundtreppe, versehen mit einem gleichmäßigen beiderseitigen Geländer; doch von einem Ornamente dieses Säulenrondells können wir bei der allerstrengsten Aufmerksamkeit auch nicht die leiseste Spur entdecken. Sollen wir aber daraus etwas für unsere innere Wiß- und Weisheitsbegierde Ersprießliches schöpfen, so müssen wir doch etwas Erschauliches vor uns haben; denn aus diesem Nichts wird doch sicher unmöglich viel mehr als wieder nichts herauskommen.
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Ja, meine lieben Freunde und Brüder, sehet, das Sehvermögen des Menschen ist durchgehends so eingerichtet, daß es aus den zwei Extremen heraustretend auf eine Zeitlang unbrauchbar ist. Ist jemand lange im heftigen Lichte gestanden und kommt dann in ein dunkles Gemach, so wird er mit dem besten Gesichte die Gegenstände im selben nicht unterscheiden können. Eben also ist es auch umgekehrt der Fall; hat sich jemand längere Zeit in einem dunklen Gemache aufgehalten und tritt dann plötzlich ans helle Licht, so wird er auch in den ersten Augenblicken vor lauter Licht nichts mehr sehen, gleichwie die Vögel der Nacht am Tage nichts sehen. Erst nach einigen Sekunden werden die Bilder anfangen, sich seinem Auge immer klarer und klarer darzustellen.
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Also geht es euch auch hier; denn der Lichtunterschied von Galerie zu Galerie, von Stockwerk zu Stockwerk ist groß verschieden und wird durch die Anwendung des stets heller und heller werdenden Baumaterials bewirkt. Daher müssen wir uns hier in dieser Lichthöhe ein wenig verweilen, um unsere Augenkraft zu üben. Und so werden dann schon noch Sachen zum Vorschein kommen, die wir jetzt auf diesen ersten Augenblick freilich wohl nicht erschauen mögen.
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Ihr fraget: Wie sollen wir denn das so ganz eigentlich anstellen? - Ich sage euch: Schauet nur hin auf die weiße Wand, euer Auge wird vor dem großen weißen Glanze bald lichtmatt genug werden, und ihr werdet dann alsobald die Umrisse unseres Ornamentes zu erspähen anfangen. Ihr saget hier freilich: Lieber Freund und Bruder, wie es uns vorkommt, so wird sich die Sache nicht recht tun lassen; denn ist das geistige Auge homogen mit dem leiblichen, so wird es durch einen längeren Anblick in seiner Schärfe ja nur getötet, aber unmöglich mehr belebt und gestärkt. Daher wären wir der Meinung, das Auge eher in irgendeine Dunkelheit zu versetzen, und es wird dann stärker werden zur Aufnahme des Lichtes.
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Ja, meine lieben Freunde und Brüder, dem Anscheine nach sollte es wohl so sein; aber solche Annahme taugt nicht für diesen Platz. Wollt ihr aber davon den Grund tüchtiger erschauen, so will ich euch durch ein faßliches Beispiel darauf aufmerksam machen.
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Wie findet ihr die Morgen- oder Abendsonne auf den ersten Blick, den ihr nach ihr richtet? Ihr saget: Lieber Freund und Bruder, unerträglich stark glänzend; und wir können die runde Form ihres Körpers nicht ausnehmen, sondern ihre Gestalt ist gleich einem unförmigen Feuerballe. Gut, meine lieben Freunde und Brüder; was geschieht aber, so ihr euch besieget und fanget an, konstant in diesen Feuerball zu schauen? Ihr saget: Der Glanz verliert sich nach und nach, und vor unseren Augen steht bloß eine schneeweiße Scheibe, die an ihrem Rande fortwährend zu vibrieren scheint, und wenn wir recht lange hinschauen, so können wir sogar die größten Flecken auf ihrer Oberfläche wie sehr kleine schwarze Punkte entdecken.
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Wieder gut, meine lieben Freunde und Brüder; warum aber könnt ihr nun solches? Ist euer Auge etwa gestärkt worden durch den beständigen vehementen Lichtanblick der Sonne? O nein! Euer Auge ist dadurch eigentlich geschwächt worden, was ihr sehr leicht gewahren könnet, so ihr nun von der Sonne weg euer Auge einem anderen Gegenstande zuwendet. Wie werdet ihr einen solchen Gegenstand erschauen? Sehet, wie im Traum oder in einem schon erheblichen Nachtdunkel.
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Wenn wir aber nun solches aus der Erfahrung wissen, so werden wir wohl auch leicht verstehen, wozu der etwas länger anhaltende Anblick der weißen kontinuierlichen Wand dieses Gebäudes gut sein soll; nämlich wozu der längere Anblick der Sonne gut war. - Ihr habet dort durch den längeren Anblick die reine Sonnenscheibe sogar mit ihren Flecken erschaut; und wir werden hier in dieser Lichtmasse nach und nach anfangen, das Ornament dieses Säulenrondells zu erschauen.
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Ihr fraget hier noch einmal und saget: Aber lieber Freund und Bruder, haben die Bewohner dieses Gebäudes aller Gebäude auch so lange zu tun, um ihre Ornamente zu erschauen, mit denen sie dieses Säulenrondell geschmückt haben, wie wir? O nein, meine lieben Freunde und Brüder; ihr Auge erschaut alles dieses mit derselben Leichtigkeit, wie ihr die verschiedenen Gegenstände auf eurer Erde. Aber euer Auge muß ein wenig geübt werden, um die Dinge hier auszunehmen.
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Ihr saget zwar: Lieber Freund und Bruder, diese deine Augenpräparation für uns kommt uns ein wenig eitel vor, denn wir sind ja doch auf der Erde und können von dem, was du uns durch die Gnade des Herrn kundgibst, bei dem allerbesten Willen so viel wie nichts erschauen. Wir schreiben wohl unsere Sache, sehen aber dabei nur das, was uns umgibt; aber für alle diese Herrlichkeiten sind nicht unsere Augen die Wahrnehmswerkzeuge, sondern bisher nur immer unsere Ohren.
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Liebe Freunde und Brüder! Das ist von der sehr stark naturmäßigen Seite aus betrachtet ganz klar und richtig, aber von der nur einigermaßen mehr geistigen schon ganz grundfalsch. Wenn ihr eure äußeren groben Sinne in Anschlag bringet, da wird es sich mit der Anschauung dieser herrlichen Dinge freilich wohl etwas schwer tun; ich aber rede hier von der Angewöhnung des geistigen Sinnes; und das Auge des Geistes ist - euer Vorstellungsvermögen, euer Gefühl und die mit demselben lebendig verbundene Phantasie.
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Dieses Auge müßt ihr öffnen und in das weiße Licht des Geistes wenden, und in solcher Wendung eine Zeitlang euch ruhig verhalten; so werdet ihr das, was hier besprochen wird, mit eurem geistigen Auge ebensogut zu schauen anfangen, als so ihr es schauen möchtet mit eurem Fleischesauge.
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Also muß ja notwendig ein jeder, der in das Leben seines Geistes eingehen will, sich tagtäglich auf eine Zeitlang in die vollkommene Ruhe seines Geistes begeben und muß in dieser nicht etwa mit allerlei Gedanken umherschweifen, sondern er muß einen Gedanken nur fassen und diesen als ein bestimmtes Objekt unverwandt betrachten.
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Der beste Gedanke ist hier freilich der Herr. Und wenn jemand solches mit Eifer und aller möglichen Selbstverleugnung fort und fort tun wird, so wird dadurch die Sehe wie das Gehör seines Geistes stets mehr und mehr an innerer Schärfe gewinnen, und nach einer eben nicht zu langen Zeit werden diese beiden Sinneswerkzeuge des Geistes so sehr erhöht werden, daß er mit der größten Leichtigkeit dort geistige Formen von der wunderbarsten Art erblicken wird, wo er vorher nichts als eine formlose Leere zu erschauen wähnte. Und so wird er auch mit eben der Leichtigkeit Töne und Worte vernehmen, wo ihm ehedem eine ewige Stille zu sein schien. Ich meine, ihr werdet mich verstehen, was ich euch damit habe sagen wollen und werdet hoffentlich auch einsehen, daß euer Einwurf hinsichtlich des Schauens um ein Bedeutendes eitler war als meine Beheißung, wie geartet ihr eure Sehe zum ferneren Anblicke dieser Herrlichkeiten stärken sollet.
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Beobachtet also nur meinen Rat und beschauet die weißglänzende Wand oder in euch diejenige Gemütsseite, die da ledig ist von eitlen Gedanken der Welt; und ihr werdet das ganz einfache aber vielsagende Zierakulum dieses Säulenrondells gar bald und leicht erschauen.
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Sehet nur hin; an einer durchsichtigen weißen Schnur hängt eine ganz einfache etwa eine Klafter im Durchmesser habende höchst rein durchsichtige Kugel, und vom Boden des Säulenrondells geht eine vollkommen runde, sehr schmale Kegelpyramide mit der Spitze bis zur Kugel empor und ist ebenso durchsichtig wie die Kugel selbst. Bemerket ihr solches? Ihr saget: Wir merken solches schon wie in einem ganz leisen Bilde in uns. Gut, sage ich euch; denket aber nun darüber selbst ein wenig nach und sehet, ob ihr die Bedeutung dieses Ornamentes nicht annähernd finden werdet. - In der nächsten Gelegenheit will ich dann euren Fund gehörig beleuchten. -

Fußnoten