Die Geistige Sonne
Band 2
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 56 -
Warum ist man inmitten aller Pracht so allein?
Wir sind in dem Rondell und am Altare; wie ihr sehet, so sind wir auch hier noch, wie ihr zu sagen pflegt, mutterseelenallein. Ihr saget hier freilich wohl: Das ist aber auch sonderbar genug auf dieser Welt, wohin wir nur immer kommen, entdecken wir wohl die größte Pracht, und in der Pracht spricht sich auch die größtdenkbarste Weisheit aus; aber Menschen scheinen hier fortwährend einen ewigen Feiertag zu haben und sitzen neben ihrer größten Pracht in ihren Kammern. - Es wäre ja doch angenehm und überaus erheiternd, auch nur ein Paar miteinander wandeln zu sehen; aber so sieht man nichts als die tote Pracht, der das Leben fast gänzlich zu mangeln scheint. Also sind wir auch hier auf diesem freien Platze von lauter Wundern menschlicher Kühnheit und Weisheit umfangen; aber die Baumeister sind, Gott weiß es wo, verborgen.
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Fürwahr, dieses Hauptgebäude in seinem Gesamtumfange ist etwas so Großartiges und erhaben Prachtvollstes, daß wir es gar nicht zu denken vermögen, als sei es ein Menschenwerk; denn so etwas ist nur Gott möglich zu erbauen, aber Geschöpfen scheint es kaum möglich zu sein. Und wenn es im Ernste Geschöpfe dieser Welt erbaut haben sollen, so müssen sie fürs erste Riesenkräfte besitzen, fürs zweite müssen sie eine Ausdauer und einen Mut haben, wovon sich noch kein menschlicher Geist einen Begriff machen kann, und fürs dritte muß ihr vollendeter Sinn so sehr weise ästhetisch sein, daß sich über denselben hinaus ebenfalls kein Atom mehr denken läßt. Und dennoch ist von all diesen wunderbaren Menschen in der Freie nirgends etwas zu erblicken. Warum denn nicht?
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Sind diese Menschen so schüchtern, so eingezogen oder haben sie, wie schon bemerkt, gerade zu der Zeit, so wir irgend anlangen, Feiertag oder, weil es hier keine Tage gibt, eine gemessene Ruhezeit?
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Liebe Freunde und Brüder, bei dem letzten Ausspruche verbleibet, und ihr habt den richtigen Grund gefunden, vermöge welchem gerade zu der Zeit, wo wir uns an irgendeinem Orte befinden, diese Menschen eine gewisse Rast oder Ruhe halten. Ist diese zu Ende, dann dürfet ihr glauben, daß es bei euch auf der Erde in der allerbelebtesten Weltstadt nicht so lebendig zugeht, wie an einem solchen Orte.
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Denn nicht leichtlich würdet ihr auch auf der Erde einen volkreicheren Ort antreffen als dieser da ist, auf dem wir uns gegenwärtig befinden. Und ihr könnet es wohl glauben, daß sich in diesem Gebäude über zehn Millionen Menschen aufhalten; denn wie groß dieses Gebäude ist, davon habt ihr euch von der Entfernung her schon einen kleinen Begriff machen können.
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Betrachtet nur einmal diesen Platz, auf dem wir uns noch befinden, und ihr müßt euch gestehen, daß er groß genug wäre, eine der größten Städte von eurem Europa aufzunehmen; und dennoch beträgt er kaum ein Viertel des ebenerdigen Durchmessers dieses großen Gebäudes. Dazu können wir solche Größe auch nur mit unseren geistigen Augen leicht überschauen, und sie wird uns so gestaltet erträglich.
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Mit euren leiblichen Augen würdet ihr da nur sehr kleine Partien auf einmal zu überschauen imstande sein; denn der Maßstab ist zu groß für die Pupille eines fleischlichen Auges und würde sich nach allen Seiten hin verengen und sich auch etwas ins Blaue zu verlieren anfangen. Aus diesem aber könnet ihr sicher den Schluß ziehen, daß es in den freien Zeiten in all diesen Räumen und in der ganzen weiten Gegend sehr lebendig zugeht.
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Zudem ist es besonders hier auch notwendig, daß ihr mit diesen überaus schönen Menschen nicht eher eine sichtbare Bekanntschaft machet, als bis ihr euch an den so sehr erhabenen Dingen, welche voll der tiefsten Bedeutung sind, ein wenig abgestoßen habt. Denn würden wir sogleich mit diesen allerwunderbarst schönen Menschen in eine Verbindung treten, bevor ihr alles andere Wichtige angeschaut und gehörig nutzbringend betrachtet habt, so würdet ihr euch in die Menschen so sehr vergaffen, daß euch alles andere noch so erhaben Pracht und Bedeutungsvollste um eine hohle Nuß feil wäre! - Aus eben dieser Ursache aber muß ich euch auch an einen Ort zu einer solchen Zeit hinbringen, in der die Bewohner dieses Ortes gerade ihre Ruhe zu halten pflegen.
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Daß es aber hier überaus lebendig vor sich geht, davon werdet ihr euch bald überzeugen. Wir werden durch unsere bekannte Manipulation dieses Holz auf dem Altare brennend machen, und sobald werden sich die Räume dieses weiten Platzes von allen Seiten her zu füllen anfangen.
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Ihr möchtet wohl wissen, ob diese Menschen hier von unserer Gegenwart irgendeine Ahnung haben oder uns etwa wohl gar zu sehen imstande sind? - Ich sage euch: Vorderhand ist weder das eine noch das andere der Fall. Aber wir werden uns hier ihnen zeigen und uns mit ihnen auch in eine Zwiesprache einlassen und das darum, damit ihr alles kennenlernet, wie es hier zugeht; denn wir werden uns nach diesem Orte sobald von dieser Welt hinwegbegeben und noch der Glanzoberfläche eurer Sonne eine kleine Visite abstatten.
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Daher wollen wir uns denn hier auch den Bewohnern zeigen und uns mit ihnen über manches besprechen, damit ihr dadurch selbst erfahret, wessen Geistes Kinder sie sind.
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Ich mache euch aber zum voraus aufmerksam, daß ihr euch ja niemandem nähert und ihn anrührt, denn solches würde euch vor der Zeit von dieser Welt hinwegbringen, und ihr könntet den zu mächtig reizbaren Eindruck nicht ertragen. Solches muß sogar ich beachten, der ich doch schon gar lange alles Naturmäßigen ledig bin, und darf ebenfalls keinen hier noch in seinem Leibe lebenden Menschen anrühren.
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Ihr fraget freilich, warum denn ich solches nicht dürfe. Bei mir ist es wieder der umgekehrte Fall. Diese Menschen haben einen zu entsetzlich großen Begriff von den Kindern des Herrn; und ihre Achtung und Liebe zu diesen Kindern des Herrn ist zu unbeschreiblich heftig und stark, daß sie sich darob durch eine Berührung von mir alsbald aus lauter Liebe verzehren und am Ende gänzlich auflösen würden.
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Daher wird es euch auch gar nicht wundernehmen dürfen, so ihr mich schroff ernstlich werdet mit diesen Menschen reden sehen und hören; denn solches muß ich tun aus Liebe zu ihnen. Desgleichen müsset auch ihr beobachten.
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Durch eine äußerlich liebevoll scheinende Behandlung würdet ihr ihnen bei weitem mehr schaden als nützen; denn also ist alles in der Ordnung des Herrn bestellt.
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Der Leib des Menschen hat ebenfalls verschiedene Teile, die zwar zu einem gemeinsamen Lebenszwecke tätig sind und auch sein müssen; möchte sich aber jemand irgendein Glied abschneiden und es etwa aus lauter Liebe zu diesem Gliede in sein Herz hineinarbeiten wollen, so wird er dadurch nicht nur das Glied, sondern auch das Herz töten.
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Also bleibt aber auch dieselbe Ordnung unter den mannigfaltigen Dingen und Geschöpfen in dem unermeßlichen Schöpfungsgebiete des Herrn. Sie sind alle füreinander gegenseitig da und dienen sich gegenseitig zu ein und demselben Lebenszwecke; aber nur müssen sie sich nicht selbst versetzen und verwechseln, was durch eine ungeregelte und unzeitige Liebe geschehen kann, wollen sie sich nicht gegenseitig verderben.
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Unter einer gerechten, ordnungsmäßigen, weisen Beschränkung können wir uns allen Geschöpfen nahen und uns mit ihnen in einen gerechten wechselseitigen Rapport setzen auf die Weise, wie da alle Glieder eines Leibes im beständigen Rapporte stehen; was darüber ist, das ist verderblich. - Und so denn machet euch gefaßt; ich werde meine Hand an den Altar legen, die Flamme wird das Holz ergreifen, und von hundert und aber hundert Seiten her werdet ihr sobald Menschen herzueilend erschauen.
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Ich lege nun meinen Finger an den Altar; sehet, das Holz ist von Flammen ergriffen, - und nun sehet hinaus, wie sich die Pförtlein zu öffnen anfangen!