Himmelsgaben
Band 1
Worte aus der Höhe der Höhen, neben den großen Werken der Neuoffenbarung
- Kapitel 94 -
Segen der Barmherzigkeit
3. Februar 1841
So schreibe denn einen Rat aus Mir an den A. W., da er wissen möchte, was da mit einem schwachen, kranken Engelsknaben auf der Erde zu machen sein möchte? - Siehe, da ist ein guter Rat nicht so teuer, wie ihr meinet.
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Siehe, es war dereinst ein Vater, der hatte zwölf Kinder und nur ein sehr schmales Auskommen, so daß nach eurer Rechnung er kaum dreihundert Gulden jährlich zusammenbrachte, und diese nicht sicher. Denn nur 150 Gulden waren bestimmt als eine landesfürstliche Gnaden-Pension, das übrige mußte er sich kümmerlich durch seine Handarbeit verdienen.
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Siehe, da wurden einst mehrere seiner Kinder krank, und dazu wurde noch sein treues Weib infolge krankensorglicher Pflege der Kinder bettlägerig. Dadurch nun wurde der Mann gezwungen, seine Nebenverdienste hintanzusetzen und dafür zu Hause die Krankenpflege zu übernehmen. Da er aber eben dadurch um seine Nebenverdienste kam und wohl sah, daß er mit der Hälfte nicht auslangen könne, und auch sah, da er selbst schwächlich war, es werde sich mit neu zu suchenden Nebenverdiensten nicht mehr wohl tun - so beschloß er denn bei sich: ,,Ich will zum guten Landesfürsten hingehen, ihm meine herbe Lage so recht treulich vorstellen, und er wird sich wohl meiner erbarmen."
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Und siehe, wie er beschlossen hatte, so tat er denn auch alsogleich, ging zum Fürsten hin und stellte ihm alles vor. Als aber der Fürst solches vernommen hatte, siehe, da zuckte er mit den Achseln, war aber innerlich doch ganz gerührt und sagte endlich äußerlich etwas ernst:
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,,Höret, altes Väterchen, ich zweifle nicht an eurer Aufrichtigkeit. Allein bevor ich euch helfe, will ich nächstens euch in eurer Wohnung besuchen, um zu sehen, ob es also ist, wie ihr es mir vorgestellt habt. Jedoch wehe euch, so ihr mich irgend angelogen habt! Und nun gehet, Meiner Gnade befohlen!"
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Und siehe, da ging der alte Vater zwischen Hoffnung und Furcht nach Hause. Denn er hoffte zwar von des Fürsten Gnade, aber fürchtete nur, daß dieser noch lange verziehen möchte. Und so kam er nach Hause, erzählte alles den Seinen, was ihm der Fürst gesagt hatte, und machte Anstalt, alsobald so viel als möglich das Haus zu reinigen, und das zwar gleich nach dem kargen Mahle. Und so wurde auch sogleich das Mittagsmahl genommen.
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Allein der edle Fürst bedachte sich eines andern, verließ sogleich seine Burg und folgte dem armen Vater unbemerkt. Denn er dachte bei sich: Solcher Not muß alsobald geholfen werden! - Und die arme Familie verrichtete eben mit Tränen im Auge das Dankgebetlein, da trat auch der Fürst schon ins Gemach und sagte: ,,Höret, Alter, warum habt ihr mich denn angelogen? Denn ich sehe ja dreizehn Kinder und ihr habt mir nur zwölfe angegeben!"
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Da fiel der alte Vater vor dem Fürsten auf die Knie und sagte: ,,O edler, guter Landesvater! Dieses dreizehnte ist ein fremdes, ich habe es aus Mitleid angenommen!"
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Und der Fürst erwiderte scheinbar aufgebracht, im Herzen aber brennend voll von mildtätiger Begier: ,,Höret, so ihr noch Fremde unterstützen möget, da muß es bei euch doch noch nicht gar so übel aussehen, und ihr werdet wohl meiner Hilfe entraten können!"
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Da ermannte sich der alte Vater und sagte, die Hand des Fürsten ergreifend und selbe an sein Herz drückend: ,,O edler, guter Landesvater! Siehe, dieses dreizehnte habe ich vor zehn Jahren in einem Wald, dem Tode ausgesetzt, gefunden. Es war kaum mit einigen schlechten Lumpen umwunden und röchelte schon im Schlamme eines Sumpfes. Ich nahm es auf meine Arme, trug es alsogleich hieher und sprach zu meinem Weibe:
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,,Siehe, der Herr hat mich einen Schatz finden lassen im sumpfigen Walde! Es ist ein artiger Knabe. Siehe, dieser ist doch gewiß vater- und mutterlos, daher lasse uns seine Eltern sein! Denn wo zwölfe essen, da soll auch das dreizehnte nicht zugrunde gehen. Und müßte ich betteln für dich und unsere zwölf Kinder, so wird das dreizehnte auch keinen Unterschied in unserer Not machen!" - Und sogleich nahm mir mein getreues Weib das Kind vom Arme, küßte und pflegte es bis zur Stunde gleich den eigenen. - Daher, o edler, guter Fürst, wolle nicht zürnen, daß ich dir solches verschwiegen habe!"
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Und siehe, da der Fürst solches vernommen hatte, ging sein Herz über, seinem Auge entrollten freudige Tränen des Mitleids und er lobte darob den Alten gar sehr, sagend:
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,,Solches zu vernehmen, macht mir eine große Freude! Und da ihr so stilledel gehandelt habt und dem Fremden bei eurer Dürftigkeit ein Vater waret und ehedem ein Retter seines Lebens, so will ich von nun an euer aller wohlbesorgter Vater sein! Und da das fremde Kind eine Waise ist, so führet es zu mir, und es soll keine Waise hinfort mehr sein! Denn Ich bin sein Vater und die Fürstin seine Mutter. Und nun verlasset diese Wohnung und kommet mit mir, meine große Burg wird wohl Raum für euch haben. Da aber, wo diese Wohnung steht, soll ein Denkmal errichtet werden und euren Namen führen."
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Nun siehe du, Mein lieber A. W., diese Geschichte und lerne von ihr das, was du wissen möchtest! Denn Ich bin der Fürst, du bist der arme Mann und dein Notkind ist der gefundene Fremdling im Walde!
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Tue, so viel du kannst, und denke nicht: wie, wann, wo, wofür, zu was, warum und wodurch? - noch wozu du den vom Mutterleibe aus Kranken und Schwachen wohl füglich verwenden könnest? - Siehe, es wird sich gar wohl finden. Führe ihn nur recht fleißig zu Mir, den Engel in seiner schwachen Prüfung, und sei dabei voll Heiterkeit und habe ein aufmerksames Auge auf ihn! Und du wirst so manches an ihm erleben, das dir innerlich gut zustatten kommen wird.
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Siehe, Meine Kinder sind ein großer Segen dem Hause, das sie bewohnen dürfen. Denn Ich bin ihr eigentlicher Vater und werde als solcher zu sein ewig nie aufhören! - Mehr brauche Ich dir dermal nicht zu sagen. Denn du würdest es nicht ertragen. Aber sei gefaßt, Ich will dein Haus heimsuchen. - Daher sage Ich Amen, dein guter Fürst und Vater! Amen.