Gottes Neue Bibel

Der Saturn

Darstellung dieses Planeten samt Ring und Monden und seiner Lebewesen

- Kapitel 21 -

Die ,,Sänger über den Flüssen und Seen" Meister des Fugensatzes. Die nördlichen Luftsänger. - Über die wirksamste Musik

Sänger über den Flüssen und Seen heißt die Gattung der Vögel, die wir jetzt näher betrachten wollen. - Es ist dieser Vögel schon einmal Erwähnung geschehen, ihres reizenden Gesanges wegen. Dessenungeachtet wollen wir ihnen hier noch eine kleine Aufmerksamkeit widmen und vorerst sehen, welche Gestalt ihnen eigen ist. Diese Vögel sehen so ziemlich euren Schwänen ähnlich; nur sind sie gut ums Zwanzig- bis Dreißigfache größer als diese und ist im Verhältnis ihr Hals nicht so lang, aber dafür viel dicker. Und was den Kopf betrifft, so ist dieser ebenfalls im Verhältnis größer als bei euren Schwänen.
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Diese Vögel haben einen recht biegsamen Kehlkopf, mit welchem eine sehr bewegliche Zunge in Verbindung steht, und haben auch im Verhältnis zu ihrem übrigen Körpermaß eine große, sehr elastische und viel Luft fassende Lunge. Sie sind die eigentlichen Musiker auf diesem Planeten und sind in musikalischer Hinsicht Variationskünstler. Denn ein solcher Vogel hat das Eigentümliche, daß er sich in seiner Gesangsweise nie wiederholt. Und so er jahrelang singt, kommt dennoch nie wieder irgendeine schon gesungene Melodie zum Vorschein.
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Das aber ist nicht das eigentlich Überraschende der Tonkunst dieser Wassersänger; sondern daß, wenn mehrere Vögel, was gewöhnlich zu geschehen pflegt, in Gesellschaft ihre Lieder singen, nie ein disharmonischer Akkord zum Vorschein kommt. Denn wenn da ein Vogel zu singen anfängt, so singt auch alsbald ein zweiter, dritter und vierter usw. mit, jedoch niemals eine und dieselbe Melodie. Es wird aber dennoch ein jeder Vogel durch sein sehr zartes Gefühl von dem Gesang eines andern Kameraden so gehalten, daß er seine ganz eigentümliche Melodie stets also führt, daß sie mit der seines Vorsängers niemals in einen unharmonischen Kontrast gerät. Solches ist auch der Fall, wenn dreißig oder noch mehr solcher Vögel beteiligt s in d .
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Wer ein Freund des strengsten und gelungensten sogenannten Fugensatzes ist, dessen Ohren hätten da jahraus jahrein keine Rast. Denn nicht allein daß hier stets neue Ideen sich begegnen, sondern diese Ideen werden da also moduliert und wechseln die Grundtonarten so überraschend, daß sich davon der größte Tondichter auf der Erde nicht den leisesten Begriff machen kann. Denkt euch noch dazu die allerreinsten Stimmen, gegen die der Ton eines der besten Sänger auf eurem Erdkörper ein barstes Gekreisch ist, so könnt ihr euch schon eine kleine Vorstellung machen, welchen fröhlichen Genuß dies für einen Saturnbewohner abgibt, der schon von seiner Geburt aus ein so großer Tonfreund ist. Ich sage euch, wenn es euch möglich wäre, nur drei Töne aus der Kehle eines solchen Wassersängers aus dem Saturn zu hören, alle eure Musik auf der Erde würde euch bald für alle Zeiten unerträglich werden.
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Diese Wassersänger aber sind auch zugleich Schuld daran, daß die Saturnbewohner, obschon sie so große Freunde der Musik sind, sich dennoch äußerst wenig auf dieselbe verlegen. Sie sagen: ,,Unsere Kehlen sind gegen diese Sänger nur aus plumpem Holze. Und die Töne, die wir jemals erfinden, sind dagegen nicht anzuhören. Solange uns der große Geist der Geister diese Sänger läßt, haben wir der herrlichsten Musik in großer Fülle". - Und so wird auch besonders von jenen Saturnbewohnern, die an den Ufern solcher Seen leben, die Musik gar nicht betrieben, wohl aber von denjenigen, welche entfernter von solchen Gewässern leben, darunter zumeist die Gebirgsbewohner.
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Können diese Vögel nicht gefangen und zahm gemacht werden? O ja, das können sie recht wohl; aber wenn ein solcher Vogel gefangen ist, dann singt er nicht mehr, und wenn da auch eine ganze Gesellschaft beisammen wäre. Sobald er aber wieder freigegeben wird und auf dem Wasserspiegel herumschwimmt, da ist auch der Virtuose schon wieder bei seiner Kunst.
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Seht, das sind demnach diese singenden Vögel, deren schon früher einmal erwähnt wurde. - Es dürfte auch hier mit der Zeit sich die Frage aufwerfen, ob diese Sänger in allen den vielen und großen Ländern dieses Planeten zu Hause sind und wo sie sich in einem Lande vornehmlich aufhalten, ob mehr im südlichen, nördlichen, östlichen oder westlichen Teile? - Da sage Ich euch, daß diese Vogelgattung in den meisten großen Festländern dieses Planeten zu Hause ist. Aber in den Ländern selbst hält sie sich dennoch zumeist in den südlichen Regionen auf.
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Die nördlichen Teile sind nur sehr dürftig damit versehen, dafür besitzen sie aber dann eine andere Vogelgattung, die ihnen diese allerausgezeichnetste Sängergesellschaft entbehrlich macht. Jedoch sind diese nördlichen Luftsänger keine Melodiensänger, sondern da singen mehrere so zusammen, wie ein Wind durch die Saiten einer Harfe, Töne herauslockend, bläst. Hier kommt's freilich nur selten vor, daß diese viel schwächeren Tonkünstler auf einen wohlklingenden Akkord treffen. Aber für den Saturnbewohner, der nie Gelegenheit hatte, die besseren Sänger zu hören, ist das dennoch etwas sehr Erhebendes. Wenn diese Vögel auch nicht so wohlkonditionierte Wundersänger sind, so sind sie aber anderseits desto heimischer. Und was ihre Gestalt betrifft, da sind sie die bei weitem allerschönste und herrlichste Vogelgattung dieses Planeten. Was aber diese betrifft, davon wollen wir in der nächsten Mitteilung etwas Näheres kennenlernen. Und somit sei für heute mit unseren berühmten Sängern die Mitteilung beschlossen!
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Wie sehen denn diese nördlichen Luftsänger aus? - Hier wird es ein wenig schwer halten, eine gelungene Beschreibung zu geben, da auf der Erde überhaupt kein ähnlicher Vogel anzutreffen ist. Dessenungeachtet wollen wir ihn dennoch so darstellen, daß ihr euch zum wenigsten einen kleinen Begriff machen könnt, wie derselbe gestaltet ist. Und so höret denn:
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Dieser Vogel ist so groß wie ein wohlausgewachsener Ochse bei euch. Auf dem Leibe hat er durchweg grünlichgoldne Federn, welche mehr wollig als glatt sind. Die kleineren Federn am oberen Flügelrand, vom Leibe angefangen bis zum Ende des Flügels, sehen aus wie poliertes Gold, über welche man eine hochrote Karminfarbe aufgetragen hätte. Die Schwungfedern der Flügel selbst sind hellblau; die Ränder derselben aber sehen aus wie mattes Gold. Die Kiele der Federn sind blendendweiß und schillern in verschiedenen Farben wie eine Goldperlmuschel bei euch. Der Schweif besteht aus sehr langen Federn, die in zwei Teile abgeteilt sind, wie ungefähr bei einer Schwalbe; nur sind diese Federn nicht mit steifen, sondern mit weichen, langen und fliehenden Flaumen bekleidet. Diese fliehenden Flaume haben ungefähr die Farben wie die Flaume an der Schweiffeder eines Pfaues. An den äußersten Rändern oder Spitzen hängt ein richtiger Mähnenbusch von solchen fliehenden Flaumen, welcher manchesmal bei drei Ellen lang von den Federn herabhängt, aber bei allem so leicht ist, daß sein ganzes Gewicht nach eurer Waage berechnet kaum ein halbes Quintel wiegen dürfte. Diese Flaum-Mähnen sind mit allen Farben so gefärbt, daß sie bei jeder Wendung in eine andere Farbe spielen.
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Die Füße dieses Vogels sind vollkommen weiß und wohl gebildet, das heißt, nicht etwa nach der Art der Füße eurer Vögel. Der Unterschied besteht darin, daß die Füße eurer Vögel gewöhnlich nackt und höchst mager sind, während die Füße der Vögel im Saturn viel fleischiger und bis zur Kralle noch bekleidet sind mit dem schönsten Gefieder, welches genau so aussieht wie das Gefieder des Bauches, nur gewöhnlich etwas heller in der Farbe. Die sogenannten Vogelkrallen oder, verständlicher gesprochen, die Finger oder Zehen am Fuße, sind bei den Vögeln des Saturn zumeist gestaltet wie auf der Erde die Pfoten eines wohlgebildeten Affen. Bei diesem unserem Vogel aber haben sie die Gestalt einer richtigen Menschenhand, nur daß da auch die Finger bis an die Spitznägel mit schönen leichten Federchen versehen sind.
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Also sähe dieser Vogel dem Leibe nach aus bis zum Kopfe. Allein der Kopf ist zugleich auch das Merkwürdigste an diesem Vogel. Warum denn? Seht, dieser Vogel hat im Ernst zwei Köpfe, aber nicht etwa so, wie ihr euch einen Adler mit zwei Köpfen vorstellt, sondern diese zwei Köpfe stehen übereinander, ungefähr wie wenn irgendein Frauenzimmer vom Scheitel ihres Hauptes aufsteigend noch einen Aufsatz von einem Schwanenhalse hätte samt dessen Kopfe.
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Der untere Kopf ist ziemlich rund und hat der Länge nach von unten nach oben einen Durchmesser von nahe zwei Fuß eures Maßes, der Breite nach aber anderthalb Fuß. Dieser Kopf hat ein richtiges weibliches Menschengesicht, nahezu wie bei euch auf der Erde die etwas seltenen sogenannten Meerjungfern, und ist mit den reichsten, ins Dunkelblaue übergehenden langen Haaren versehen. Über den Haaren befindet sich dann noch ein drei Ellen langer Hals mit einem euren Schwänen nicht unähnlichen zweiten Kopfe, welcher diesem Vogel dieselben Dienste tut, wie der Rüssel einem Elefanten.
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Durch diesen zweiten Kopf nimmt dieser Vogel keine Nahrung und kann er auch keine nehmen, da dessen Hals mit keinem Schlund versehen ist. Dessenungeachtet hat auch dieser Kopf seine zwei Augen, und da er sehr beweglich ist, kann sich dieser Vogel mit den Augen dieses oberen Kopfes überall umschauen, wohin er mit den Augen des untern Kopfes nicht hingelangen kann. Mit den Augen des untern Kopfes, welche sehr scharf sind, kann er aber wieder über weiteste Entfernungen alles sehr genau ausnehmen. Das Gesicht des untern Kopfes ist aber nicht etwa nackt, sondern ebenfalls mit sehr kleinen, blaßroten Federchen besetzt; nur die Lippen sind frei, ebenso die Mündungen der etwas plattgedrückten Nase. Alles andere aber ist befiedert. Die Augen des untern Kopfes sind groß und hellblau, und die Stirne geht gegen den oberen Hals ins Blendendweiße über. Der Hals des oberen Kopfes aber ist hellviolett und der Kopf ganz feuerrot. Der Schnabel ist bläulichweiß und sehr fest zum Halten ergriffener Gegenstände.
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Wie nimmt dieser Vogel eigentlich seine Nahrung zu sich? Und wie trinkt er? - Dieses geschieht auf eine sehr einfache Art. Er löst mit dem oberen Kopf die Früchte vom Baume ab und hält sie vor den Mund des untern Kopfes, welcher dann natürlicherweise mit seinen scharfen Zähnen, gleich den Affen bei euch, sehr hurtig und munter hineinbeißt und dieselben auch bald verzehrt. Will nun der Vogel trinken, so bedient er sich des oberen Kopfes statt eines Trinkglases. Er schöpft nämlich in den ziemlich großen hohlen Raum des oberen Kopfes das Wasser, führt es dann an den untern Mund und trinkt das Wasser aus dem oberen Kopfe heraus.
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Das ist also unser zweiter, freilich wohl etwas unvollkommener Sänger, indem er nur einen Ton singen kann. Aber dieser Ton ist dennoch so schön und wohlklingend, daß er auf eure Ohren noch immer eindrucksvoller wirken dürfte als ein vollkommenes irdisches Konzert.
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Denn ihr könnt es sicher glauben, daß selbst die Musik der Himmel, wenn sie am reizendsten ist, nicht in einem Konflikt von vielen Tönen besteht, sondern in einem ganz einfachen Ton. Diese Musik ist die ergreifendste und die wirksamste. Denn prüfet es nur bei euch, was euch im Grunde lieber ist: ein allerschönster Ton eines Sängers oder einer Sängerin - oder ein greller Instrumentalakkord? Wenn aber jemand eine überaus reine und höchst wohlklingende Stimme hat, ist's da nicht schade um jeden Ton, der verdeckt wird durch die anderen überlagernden Töne? Es liegt also nicht in der Vielheit der Töne, sondern in der Qualität des einzelnen Tones die ergreifende Wirkung der Musik. Denn ein vollkommener Ton ist ja in sich selbst schon die allerreinste Harmonie, da er nicht einzeln für sich zur vernehmbaren Erscheinung gelangt; sondern, wenn er als Grundton auftritt, sind in ihm schon die ihm entsprechenden und von ihm abgeleiteten Töne in gerechtem Klangverhältnis da, wie ungefähr bei einer reinen Glocke.
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Also müßt ihr euch auch den Ton dieses unseres nun bekannten Sängers im Saturn vorstellen; aber nur in einer ziemlich tiefen Oktave, so wie z.B. das g, a und h in der großen Oktave bei euch. So könnt ihr euch eine ungefähre Vorstellung vom Gesang dieses Vogels machen. Wenn er singt, so fängt er höchst pianissimo an, steigert dann den Ton, ohne nur im geringsten höher oder tiefer zu werden, bis zu einer solchen Stärke, als wäret ihr mit euren Ohren knapp an einer Glocke, wenn sie geläutet wird. In dieser Kraft hält er den Ton einige Sekunden lang. Dann läßt er ihn wieder schwächer und schwächer werden bis zum gänzlichen Verschwinden. Wenn dann zwei, drei oder vier solcher Vögel beisammen sind, und haben, wie ihr zu sagen pflegt, zufällig gutgestimmte Kehlen, so gibt das einen überraschend wundervoll klingenden Akkord, welcher die Saturnbewohner allezeit ergötzt.
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Freilich bleibt es dann nur immer bei einem und demselben Akkord und steht diese Art Musik auch bei weitem der unserer bekannten Hauptsänger nach; aber dennoch verfehlt diese einfache Musik nie ihren Zweck. Es möchten zwei Saturnbewohner noch so erbittert gegeneinander rücken, was auf diesem Planeten hier und da der Fall ist, so braucht's dann nichts mehr als eines solchen einfachen Gesanges und die zwei Feinde werden im Augenblick zu den innigsten Freunden. Aus diesem Grunde werden auch diese Vögel sehr häufig ,,Ruhestifter" genannt.
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Sie lassen sich auch zähmen und vertreten dann die Stelle eurer Pfauen und werden als Ziervögel angesehen. Die gezähmten haben einen stärkeren, aber dafür gewöhnlich etwas rauheren Ton in ihrer Kehle, während die ungezähmten höchst reine Töne von sich hören lassen. Die gezähmten werden manchesmal auch als Seltenheit in die südlichen Gegenden gebracht. Dort verlieren sie aber bald ihre Stimme, zufolge anderer Kost, werden traurig und krank und gehen dann gewöhnlich bald zugrunde, weshalb die nördlichen Bewohner, welche diesen Vögeln sehr zugetan sind, nicht leicht zu bewegen sind, einen oder den andern Vogel dorthin zu geben.
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Was die Geburt dieser Vögel betrifft, so bringt das Weibchen lebendige Junge zur Welt und säugt sie mit einer sehr vollen Brust unter dem Halse des untern Kopfes, fast wie bei einem Weibe; nur ist die Brust nicht nackt, sondern mit leichten Federchen bekleidet.
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Jetzt kennt ihr alles von diesem Vogel. Nach ihm wollen wir nun noch einiges Hausgeflügel betrachten und uns dann sogleich zu den Landtieren und danach zum Menschen selbst wenden.

Fußnoten