Bischof Martin
Die Entwicklung einer Seele im Jenseits
- Kapitel 27 -
Martins merkwürdige Erfahrungen an den Aufgenommenen. Martin will belehren und wird belehrt
Wir gehen nun zu den dreißig ersten, die Bischof Martin allein hierher gebracht hat. Als wir eintreten, liegen sie auf den Gesichtern und rufen: ,,O Herr, o Herr, Du großer, erhabener Gott in Jesu Christo, komme nicht zu uns! Denn wir sind zu große Sünder und sind nicht der geringsten Gnade wert! Zu überaus heilig und für uns zu unerträglich ist Deine Nähe!"
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Bischof Martin schaut um sich her nach allen Seiten, um zu sehen, wo denn die dreißig Jesus erschauten. Aber er sieht noch immer nichts und fragt Mich: ,,Lieber Freund, was haben denn diese Armen? Sind sie von Sinnen, oder sind sie etwa eingeschlafen ob des sicher auch genossenen Weines und haben nun entweder ein lutherisches oder römisches Traumgesicht?"
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Rede Ich: ,,Nein, nein, sicher nichts dergleichen; sie halten in ihrem Sinne Mich dafür und darum schreien sie so."
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Spricht Bischof Martin: ,,Na, also doch eine Art Geistesschwäche, nur ein wenig anders motiviert, als ich's mir gedacht habe. Übrigens haben sie nach meiner Ansicht recht, dich als nun ihren größten Wohltäter unter dem Begriffe des höchsten Wesens anzupreisen. Denn ich meine, ein jeder Wohltäter deiner Art trägt eine große Portion der echten Gottheit in sich, und so er geehrt wird, so wird auch die Gottheit in ihm geehrt. - Was wird aber nun mit diesen Armen zu machen sein?"
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Rede Ich: ,,Diese werden wir gerade bei ihrer Meinung ihrem Wunsche nach belassen und werden uns zu den andern begeben. Denn wenn sie vorderhand Meine Nähe nicht zu ertragen der Meinung sind, wollen wir sie auch nicht weiter quälen; mit der Zeit wird sich's schon machen!"
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Spricht Bischof Martin: ,,Ja, ja, so ist's recht! Übers Knie läßt sich nichts Starkes brechen; daher gehen wir nur geschwind zu den andern, aus dem Feuer Geretteten. Ich freue mich schon sehr auf sie!"
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Wir gehen nun schnell zu den andern. Als wir an die Tür kommen, sage Ich zu Bischof Martin: ,,Bruder, gehe du zuerst hinein und melde Mich und den Petrus an! So sie es wünschen werden, werde Ich zu ihnen hineingehen. Wünschen sie Mich aber nicht - was du aus ihren Worten leicht entnehmen wirst -, da komme nur schnell wieder, daß wir uns dann an ein anderes Geschäft wenden können!"
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Bischof Martin tut gleich, was Ich ihn geheißen habe. Als er zu diesen aus den Flammen Geretteten kommt, macht er ein ganz pathetisches Gesicht gleich einer Amtsmiene und spricht: ,,Liebe Freunde, der Herr und der Meister dieses Hauses will euch besuchen, so es euch genehm ist. Ist euch aber für diesmal sein Besuch nicht willkommen, so äußert euch darüber und ihr sollt von seinem Besuche verschont bleiben. Meine, eures Freundes Meinung aber wäre diese: Da der Herr und Meister dieses Hauses ein gar überaus guter und sanfter Herr ist, so soll euer aller Wunsch dahin gehen, daß er zu euch käme! Aber ihr seid frei und könnt tun, was ihr wollt. Also äußert euch!"
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Die Geretteten aber fragen den Bischof Martin: ,,Weißt du wohl, wer dieses Hauses Herr und Meister ist?"
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Bischof Martin spricht: ,,Das gerade weiß ich genau selbst nicht, was aber hier in der Geisterwelt gar nicht so sehr vonnöten ist. Es ist genug, daß ich aus der Erfahrung weiß, daß er ein überaus guter und weiser Mann ist. Mehr wissen zu wollen, wäre sogar aberwitzig. Daher begnüget vorderhand auch ihr euch mit dem, was ich euch auf ein gutes Gewissen von ihm ausgesagt habe. Und gebt mir Bescheid, was ihr laut meinem Auftrage an euch wollt."
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Spricht einer aus der Gesellschaft der Geretteten: ,,Aber Freund, warum bist du gegen uns so hinterhältig und willst uns das Heiligste und Allerhöchste vorenthalten?
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Siehe, der Herr und Meister dieses Hauses ist ja auch der alleinige Herr, Schöpfer und ewige Meister des Himmels und aller Sonnen und Erden in der ganzen Unendlichkeit, wie aller Menschen und Engel in Jesus Christus!
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Wie kannst du da sagen, du kennst Ihn nicht näher! Bist du denn blind und hast noch nie beschaut Seine durchbohrten Hände und Füße, die wir doch alle auf den ersten Blick entdeckt haben?
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Betrachte nur Seinen mildesten Ernst, Seine große Liebe und Weisheit, und lege deine Hände auf Seine durchbohrte Seite gleich einem Thomas; du wirst dann sicher noch klarer als wir ärmsten Teufel ersehen, was da hinter diesem deinem Herrn und Meister alles steckt!
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Siehe, nicht als ob wir nicht wünschten in unserm Herzen, daß Er, der Allererhabenste, der ewig Allerheiligste zu uns käme in dies Gemach Seiner Erbarmung. Aber wir alle sind zu große und grobe Sünder und sind solch eines Besuches nicht im geringsten wert, wo Gott käme zu Seinen allerletzten und niedrigsten Geschöpfen, die Seine Liebe und Geduld auf der Erde so oft gar schmählichst mißbraucht haben!
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Daher vermelde du glücklichster Freund deines Gottes und Herrn, den du nicht kennst oder nicht kennen willst: Unser Herz sehnt und sehnte sich allzeit nach Ihm; aber unsere Sünden haben uns zu häßlich, schmutzig, nackt und stinkend gemacht, als daß wir wünschen könnten, daß Er zu uns käme!
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Wir vergehen beinahe vor Schande und Schmach, hier in diesem Hause uns zu befinden, wo Er nun hauptsächlich der Sünder wegen zu wohnen pflegt, um ihnen Seine Erbarmung angedeihen zu lassen. Was erst würde mit uns geschehen, wohin würden wir uns verkriechen, so Er nun vollends zu uns käme?
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Daher bitte Ihn, du Glücklichster, daß Er uns Nichtswürdigste verschonen möchte; jedoch nicht unser, sondern Sein heiligster Wille geschehe!"