Gottes Neue Bibel

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre

- Kapitel 61 -

Ankunft in Bethanien. Aufenthalt bei Lazarus. Des Judas Rückkehr. Sein Gespräch mit dem Herrn

Die Römer waren nun mit ihrem Troß und den Gefangenen vorübergezogen, so daß auch wir jetzt unseren Weg fortsetzen konnten.
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Nach kurzer Zeit näherten wir uns Bethanien, wo Lazarus wohnte, und dieser, welcher in seinem Innern getrieben, schon große Sehnsucht nach Mir hatte, weswegen er täglich nach seinem Lieblingsplatze hinaufstieg, um Umschau nach Mir zu halten, stand auch jetzt auf dem Aussichtspunkte. Sobald er nun unsern Trupp auf der Straße herankommen sah, fühlte er auch im Herzen, daß Ich es sei, und er eilte uns schnellstens entgegen, dabei nach seinen Knechten rufend, die es im Hause verkünden sollten, daß der Herr wieder ankomme.
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Lazarus fand uns denn nun auch bald auf der Straße, und es ist überflüssig, von seiner sowie der Seinen Freude zu berichten als sie nach längerer Trennung uns wiedersahen und uns in ihrem Hause wieder aufnehmen konnten.
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Es folgten nun sehr bedeutsame Tage, welche dazu angetan waren, sowohl Lazarus als auch Meine Jünger davon zu überzeugen, was Mein Endziel mit der Menschheit sei, weswegen ihnen noch vieles eröffnet wurde, was jetzt nochmals der Welt zu offenbaren nicht an der Zeit ist. Später jedoch wird dieses geschehen.
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Wir saßen meistens abends in dem bekannten großen Saale der Herberge auf dem Ölberg, welche ebenfalls dem Lazarus gehörte, beisammen, weil hier viel Volk zusammenströmte und dieses ebenfalls Mich sehen und hören sollte.
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Kaum war es denn auch offenkundig geworden, daß Ich Mich wieder öffentlich zeigte und Lazarus ebenfalls - der seit seiner Erweckung sich sehr zurückgezogen hatte und ein still-beschauliches, inneres Leben führte, wodurch er Mich weit mehr erkannte als früher und über Mein Handeln und Tun, sowie über Meine Lehre als auch Meine Person nun gar keine Zweifel oder Unklarheit empfand -, als auch ein überaus großer Zulauf von Jerusalemer Juden und noch mehr solcher aus den Landen, die des Festes wegen nach Jerusalem gekommen waren, stattfand. Hauptsächlich waren es die Nichteinheimischen, welche von der Wundertat und von Mir gehört hatten, die oft der Neugierde wegen, aber auch aus reineren Gründen, zu uns kamen. Alles, was überhaupt von dem jüdischen Volke nur einigen guten Sinnes noch war, ist auch in jener Zeit in Meiner Nähe gewesen, damit die Seelen erleuchtet werden konnten, so daß Meine Jünger und Ich vollauf zu tun hatten, um alle die Herandrängenden, in ihrer Seele Dürstenden zu erquicken. -
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Doch ist hier nicht etwa zu denken, als ob dieses nur von den Juden allein gelten sollte. Auch viele Fremde - Griechen, Römer und andere Völker -, die von Mir gehört hatten und nicht so recht wußten, was sie aus Mir machen sollten, kamen in diesen Tagen und wurden aufgeklärt, so daß die Tage bis zu Meiner Verurteilung einen reichen und letzten Fischzug bedeuten für alles, was noch zu erlangen war.
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Diese Tatsache zu wissen ist notwendig, damit das Weitere auch verstanden werde. -
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Am Abend des ersten Tages nun, da wir bei Lazarus ankamen, hatten wir uns von dem Volk, das sich an diesem Tage noch nicht so sehr viel einfand, zurückgezogen und waren in dem Saal, der uns stets zur Zusammenkunft diente, allein, als plötzlich Judas Ischariot zur Tür hereintrat und uns alle begrüßte. Die Meinen waren schon recht froh gewesen, ihn so lange nicht gesehen zu haben, und hofften, ihn überhaupt nicht wiedersehen zu müssen, und zogen daher etwas krause Gesichter bei seinem Gruß.
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Er fragte Mich ganz höflich, ob Ich ihm gestatte, sich zu uns zu gesellen, worauf Ich ihm erwiderte, er könne tun nach seinem Belieben.
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Judas erzählte nun viel von Jericho und von seinem Treiben daselbst, daß er für Mich gearbeitet habe und hoffe, Meine Zufriedenheit zu erlangen. Er schilderte hierbei mit lebhaften Farben, wieviel Elend er aber auch daselbst und auch auf seinem Wege hierher gefunden habe, wie das arme Volk gedrückt werde und in Knechtschaft schmachte. Ja, er kam in eine solche rednerische Begeisterung, daß alles ihm erstaunt zuhörte, da noch niemand die wirkliche Gewalt seiner Rede so mächtig empfunden hatte.
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Er (Judas) schloß mit den Worten: ,,O Herr, hätte ich nur ein Zehntel Deiner Kraft in mir, wie wollte ich da in Kürze all der Gewalttätigkeit der Großen ein Ende machen, das Volk, welches, in Fesseln geschlagen, zu Jehova um Rettung schreit, befreien und froh und glücklich machen, daß es den Namen seines Herrn und Gottes lobe und jauchze vor Freude! - O Herr, wie lange kannst Du nur noch zaudern und die Bitten ungehört verhallen lassen?
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Siehe, Er ist da, der König, den zu empfangen Israel bereit ist, und Er zeigt Sich nicht! Er verhüllt Sich noch, der sehnlichst erwartete Messias, der Sohn Davids, der Mann mit der Macht Gottes in Sich. Er zaudert, diese große Macht zu entfalten zum Heile Seines Volkes, und Israel muß trauern und weiterhin wehklagen, ob seines tiefen Falles.
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O Herr, erbarme Dich des Volkes, der Armen und Betrübten! Führe sie ein zum Glück; denn siehe, Zion wartet seines Königs!" -
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Nach diesen Worten, aus denen deutlich hervorklang, wie Judas in Mir auch den weltlich befreienden Messias erhoffte, der nicht zu sein Ich doch oft betont hatte, entstand eine große, erwartungsvolle Stille, und Ich erwiderte ihm: ,,Habe Ich nicht die Armen jederzeit zu Mir gerufen?! Sind die Betrübten nicht von Mir getröstet, die Kranken gesund und die Armen reich gemacht worden, soweit sie dessen bedurften?! Wer zaudert also? Nicht Ich, - die Welt zaudert, die nicht zum Heile kommen will! Doch wird des Menschen Sohn bald zu der Höhe der Macht gelangen, die erreichbar ist, damit die Welt sehe, daß Er wohl erlangen könne, wohin die Welt strebt, und was ihr wünschenswert erscheint. Jedoch nicht zum Heile der Welt, - zum Heile Meiner Himmel soll dieses geschehen! Und so beruhige dich denn nur mit dem, was du schon gesehen hast und baldigst noch sehen wirst!"
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Judas schwieg nun und freute sich in seinem Herzen; denn er glaubte, durch seine Worte nun den Anstoß gegeben zu haben, daß Ich vielleicht doch auch einen entscheidenden Schritt tun würde, das Volk vom Römerjoche zu befreien, wozu er die Kraft in Mir recht wohl wußte.
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Er war aber zu diesen Begriffen, die, wie er wohl wußte, nicht in Einklang standen mit Meinen bisherigen Reden, durch folgenden Umstand gekommen: Als er sich in Jericho aufhielt, suchte er soviel als möglich von seinen Talenten Gebrauch zu machen und sprach auch von Mir und Meiner Sendung oftmals vor größerem Volk. Dadurch erwarb er sich ein gewisses Ansehen, zumal es ihm auch wirklich gelang, in Meinem Namen einige Heilungen zu bewirken.
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Herodes, welcher in Jericho überwinterte, hörte ebenfalls von ihm. Schon lange begierig, mit Mir, dem Wundertäter, wie er Mich nannte, in Berührung zu kommen, ließ er ihn zu sich berufen, um Näheres von Mir zu hören. Judas, als unverfrorener Mensch, benutzte diese Gelegenheit eifrigst für sich, sich als Schüler des Nazareners hinzustellen, und verstand es auch, dem König durch sein Auftreten eine gewisse Achtung einzuflößen, da seine Worte durch sein gutes Gedächtnis unterstützt wurden und somit oft ganze Redewendungen wiedergaben, die Ich gebraucht hatte.
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Herodes erkannte bald, daß an den vielen Erzählungen und Gerüchten, die von Mir im Munde waren, mehr Wahres sei, als er anfangs geglaubt hatte, und er faßte in seiner Seele den Gedanken, daß ein Wundertäter solch besonderer Art ihm jedenfalls bei den Römern insofern nützen könne, als er dadurch, wenn es nötig sei, sie in Furcht und Schrecken setzen könne.
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Herodes und Pontius Pilatus, der Landpfleger, waren Feinde, weil sich jener durch diesen bedrückt sah. Die Willkür des Herodes wurde von Pontius Pilatus stets eingeschränkt, sowie sie nur irgend eine Machtentfaltung verlangte, weswegen nun wieder Herodes, der stets in sich den Wunsch nach der unabhängigen Herrschaft über Judäa und Syrien nährte, arg erbittert wurde. Eine übernatürliche Gewalt nun, die der Macht der Römer nicht untertan, wäre ihm sehr willkommen gewesen. Aus diesem Grunde war er auch gegen den Johannes nicht feindlich gesinnt gewesen, der ihm als ein Prophet erschien, und schwerlich hätte er ihn töten lassen, wenn er nicht dazu überlistet worden wäre.
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Judas als guter Menschenkenner hatte in Jericho Gelegenheit genug gehabt, sich über des Herodes und der Römer Reibereien zu erkundigen. Er merkte auch sehr bald, wohinaus das große Interesse des Königs ging. Er meinte nun, Meiner Sache nur zu dienen, wenn er bestrebt sei, Mir die Wege zur Machtentfaltung zu bahnen, und wußte nicht genug von der außerordentlichen Kraft Meines Willens zu berichten, dem alles auf Erden untertan sei. Namentlich glänzte in seinen Erzählungen die Vernichtung jener grausamen Krieger, welche Ich von wilden Tieren töten ließ, - als Beweis dafür, daß Ich den römischen Waffen unüberwindliche Wesen entgegenzustellen vermöchte.
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Judas, welcher ebenso wie das jüdische Volk den befreienden Messias in äußerlicher Weise erwünschte und Mich als den Geeignetsten für diese Mission vermeinte, wurde durch diese Zusammenkünfte noch mehr in der falschen Ansicht bestärkt und fühlte in sich den Antrieb, möglichst zu dieser Seite Meines Werkes beizutragen. Er erhielt von Herodes den Auftrag, Mich zu veranlassen, zu ihm zu kommen, da er den direkten Befehl aus Furcht vor Meiner Kraft nicht auszusprechen wagte.
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Die Übersiedlung nach Jerusalem zu dem Feste wurde als der günstigste Zeitpunkt vereinbart, und so kam denn Judas wieder zu uns als ein Abgesandter des Herodes, um Mich für die weltlichen Pläne des Königs zu gewinnen und mit ihm denen des Tempels geneigt zu machen.
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Es versteht sich von selbst, daß Ich von diesen Plänen sehr genau unterrichtet war und daher nicht erst nötig hatte, Mich mit Judas selbst in irgendein Gespräch einzulassen. Er aber vermeinte, daß Ich wohl nicht imstande sei, diese geheimsten Gedanken zu lesen; denn er, als ein bei allen guten Anlagen des Geistes dennoch materieller Mensch, war durchaus nicht so tief in das Wesen und Verständnis Meiner Person eingedrungen, um etwas anderes als nur einen sehr begabten, mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgerüsteten Menschen in Mir zu sehen. Er meinte wohl - wie er ja auch genugsam Beweise hatte -, daß Mir niemand äußerlich widerstehen könne; aber ob innerlich die geheimsten Züge des Menschenherzens Mir offenbar seien, zweifelte er an. Ich war ihm gegenüber zwar stets freundlich-liebevoll, aber doch verschlossener als jedem andern gegenüber, so daß er die Sprache Meines Geistes, welche allein nur durch die Liebe des Geschöpfes zu Mir erschlossen wird, und die er Mir nicht bot, nicht verstehen konnte.
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Er gab sich denn auch später große Mühe, Mir mit glänzendster Rednergabe die Notwendigkeit der äußern Volksbefreiung auseinanderzusetzen, wobei er auf des Herodes Unterstützung anspielte. Ich verwies ihm aber solche Reden ernstlich, so daß er stets verschlossener und in sich gekehrter wurde.
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Diese Bemerkung zu geben ist hier nötig, um den Vorgang in seinem Gemüte zu verstehen.

Fußnoten