Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
- Kapitel 62 -
Jesus wird von Maria gesalbt (Joh.12,1-8)
Als wir nun alle nach der Rede des Judas in Stillschweigen noch dasaßen, ein jeder mit seinen Gedanken beschäftigt, öffnete sich die Tür und Maria, die Schwester des Lazarus, trat herein. Die Augen auf Mich gerichtet, kam sie zu Mir, ohne sich um die Anwesenden zu kümmern. Sie sank Mir zu Füßen und bedeckte diese mit Küssen. Sodann nahm sie eine Flasche köstlichen Nardenöls, zerbrach diese und salbte Mir mit dem Öl die Füße, diese sodann mit ihrem langen Haare wieder trocknend. Dabei weinte sie laut und bat Mich mit rührender Stimme, Ich möchte diese Salbung doch zulassen.
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Es ist nun wenig bekannt, daß nur sehr vornehme Personen sich einen solchen Luxus gestatten konnten; denn ebenso wie das oftmalige Fußwaschen eine unbedingte Notwendigkeit in jener Zeit war, da Schuhe zu tragen von den meisten der Ärmeren verschmäht wurde, so war auch das öftere Salben der Füße notwendig, um die Haut geschmeidig zu erhalten.
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Das Nardenöl jedoch hatte besondere belebende Eigenschaften, duftete sehr lieblich und wirkte ungemein erfrischend, war aber seiner gesuchten und seltenen Eigenschaften wegen sehr teuer, so daß eine derartige Fußwaschung zu dem außerordentlichsten Luxus gehörte, den nur sehr Reiche sich gestatten konnten.
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Das Haus ward von dem Geruche des Öls auch ganz voll, ein Zeichen von der außerordentlichen Güte desselben, so daß Judas, der stets das Geld arg im Auge hatte, sich nicht der Bemerkung enthalten konnte: ,,Hätte man nicht lieber die Salbe verkaufen können und mit deren Erlös soundso viele Arme speisen können?! Was bedarf denn der Herr eines solchen Öls, da Ihm doch die Kraft innewohnt, auch ohne eines solchen sich jederzeit zu erfrischen?!"
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Dieses sagte er aber nur aus Geiz, da der Reichtum des Lazarus ihm stets ärgerlich war und er auch oft Gelegenheit nahm, anzudeuten, daß die Reichen schwelgten, während rechtschaffene Israeliten Not leiden müßten.
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Ich aber antwortete darauf, auf die noch knieende Maria deutend: ,,Was diese getan hat, hat sie aus Liebe getan, und Mir ist ein jedes Opfer angenehm, das da aus liebevollem Herzen kommt. Mit dieser Tat aber hat sie nicht wohl so sehr Meinen Leib, als Meine Seele gestärkt; denn wo soviel Liebe geboten wird, werde Ich durch diese der Menschheit noch mehr Liebe wiedergeben. Sie hat sich dadurch das Recht behalten, Mir für den Tag Meines Begräbnisses die rechte Kraft zu geben, die die Seele noch braucht, das Schwerste zu überwinden. Und darum soll auch ihre Liebestat nie vergessen werden, und wo ihr Mein Evangelium predigen werdet, sollet ihr auch diese nicht vergessen! Drum lasset sie in Frieden!"
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Ich hob nun die noch heftig Weinende vom Boden auf, segnete sie und sagte zu ihr: ,,Maria, deine Sünden sind dir vergeben von Meinem Vater! Doch was du Mir, dem Sohne, getan, davon werde Ich zeugen vor Meinem Vater, und es wird dir in Seinem Hause tausendfältig und abertausendfältig vergolten werden.
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Jetzt aber setze dich zu uns, stärke deinen Leib und verbleibe in unserer Mitte; denn die da Mir Kraft spendete durch ihre Liebe, soll nicht von Meiner Seite gehen!" -
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Diese Tat, die der der Maria Magdalena ähnlich ist, hat zu Verwechslungen Anlaß gegeben. Maria, die Schwester des Lazarus, war es jedoch, welche in reinster Liebe Mir zugetan war als ihrem Herrn und Meister, nicht mit irgendwelcher irdischen Liebe; daher ist auch ihre Tat von ganz anderer Bedeutung als die der Maria von Magdalon. -
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Ich wandte Mich nun zu den Jüngern und redete also weiter: ,,Wer da wahrhaft reich im Herzen ist, kann auch von seinem Reichtum abgeben, ohne daß er selbst arm würde, - ja, um so mehr er gibt, um so reicher wird er noch werden; wer aber arm ist in sich, dem wird noch das wenige genommen werden, weil er es verlieren muß durch sich selbst. Leiblich und geistig Arme habt ihr nun immer um euch, und denen gebet auch stets von eurem Überfluß! Mich aber habt ihr nicht immer, und so werdet ihr auch bald Meinem Leibe nach Mir nichts mehr erweisen können."
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Ich sagte dieses aber, um die Jünger immer wieder auf Mein Hinscheiden vorzubereiten, dessen baldiger Augenblick ihnen nicht vor der Seele stand.