Gottes Neue Bibel

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre

- Kapitel 69 -

Gespräch zwischen Judas und Thomas. - Abschied von Bethanien. - Aufenthalt am Jordan

Als es Morgen wurde, suchte Judas sich dem Thomas zu nähern und ihn abseits zu führen.
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Beide gingen ins Freie, und daselbst besprachen sich beide wie folgt:
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,,Bruder", sagte Judas, ,,kannst du die Handlungsweise des Herrn wohl recht begreifen? Siehe, wir sind doch beide Männer, die da stets gewußt haben, was sie wollen, und die ein einmal ins Auge gefaßtes Ziel stets mit allen Kräften verfolgt haben! Hier aber sehe ich denn nun doch nicht mehr klar, was der Herr denn so eigentlich will, und ich glaube auch nicht mehr so ganz überzeugt, daß Er Sich Selbst über Sein Endziel klar ist.
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Wir sind doch nun beide gestern Zeugen Seines Triumphes gewesen, wie es Ihm doch nur ein kleines gewesen wäre, das Volk, welches Ihm fest anhängt, so an Sich zu ketten, daß es Ihm gefolgt wäre, wohin Er nur wollte. Aber anstatt von Seiner Messiassendung nun alle Welt zu überzeugen, läßt Er Sich vom Tempel alle Früchte Seiner Arbeit aus den Händen nehmen, unternimmt nichts von dem, worauf die Hoffnungen des Volkes gerichtet sind, trotzdem in Ihm doch wahrlich soviel Kraft ist, daß Er dem Tempel und dem ganzen Römerreiche gebieten könnte, so Er Sich nur aufraffen wollte!
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Was nützt Ihm alle Kraft Gottes, mit der Er den Stürmen, den Kranken und allem Unheil gebieten kann, wenn Er in Sich Selbst schwächlich genug ist, da diese Kraft nicht anzuwenden, wo sie notwendig ist?! Sollen die Gesunden, welche unter dem Druck der Römerlast und des Tempelwuchers schwer genug leiden, in Ihm keinen Heiland finden? Was ist das Elend der wenigen Kranken gegen das große Elend der Allgemeinheit? Juda, ja die ganze Welt seufzt unter dem Druck des herrschsüchtigsten Volkes. Habgierige Könige und ein allmächtiger Kaiser, der im Wohlleben schwelgt, nehmen die Throne ein, die ein weiser, gerechter und von Gott aus äußerst kräftiger Fürst innehaben sollte. Wie würde sich die Welt zum Paradiese gestalten, wie würde Leid und Wehe zu eitel Lust und Freude, wie Armut sich in Reichtum verwandeln, wenn Er den Thron beherrschte, den jetzt Roms Kaiser einnimmt!
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Oh, mir zittert das Herz im Busen vor Freude, wenn ich daran denke, wie alles sein könnte, - wie es aber nicht ist! Und warum ist es nicht? Weil Er, der einzige, in dem die Kraft Gottes lebt, nicht den Mut in Sich finden kann zur raschen, entschlossenen Tat!
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Sieh, Bruder, das schmerzt mich, das bekümmert mich tief; denn ich besitze wahrlich noch ein Herz für das tiefe Elend des Volkes; doch Er, scheint mir fast, hat außer für die Kranken und Schwächlinge das Seine bereits verloren!"
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Antwortete ihm Thomas: ,,Bruder, wie sprichst du doch! Sagte nicht der Herr Selbst: ,Ich bin nicht in die Welt gekommen für die Gesunden, sondern für die Kranken und Gebrechlichen, daß Ich ihnen helfe und sie tröste`? Willst du besser wissen als Er Selbst, weswegen Er zu uns kam?!"
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Hitzig antwortete Judas: ,,Und wer ist denn gesund im Lande? Sind nicht alle Kranke und Gebrechliche? Nur der Tempel und die wenigen Großen schwelgen, mästen sich von dem, was sie durch ihre Macht erpressen, und der außen gesunde Leib der Menschen ist inwendig elend, krank und beschmutzt von Zorn und Wut, die das Treiben der Allherrlichen in ihnen erweckt.
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Zu diesen ist Er doch auch gekommen! Braucht das Volk nur einen Messias der körperlich Gebrechlichen? Das Volk will und soll glücklich sein, das ist der Wille Gottes; aber zu diesem Glück gehört auch eine gesicherte Außenstellung, wie es eine solche unter Salomo genossen hat, damit es in Frieden lebe und sich bei äußerem Wohlstande auch in der Seele entwickle.
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Nein, Bruder, mein Herz ist voll des Grams! Dir öffne ich es; denn du warst noch allezeit derjenige, der mit seinem Verstand und Urteil nicht zurückhielt, - so wie die andern, die alles bedingungslos glauben, ohne zu wissen warum. Nein, ich bin und will kein Sklave des Aberglaubens sein, - ich will wissen, wohin der Weg führt! Ich will nicht Kinderspiele, ich will Männertaten sehen!"
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Thomas entsetzte sich über den grimmig dreinschauenden Judas, der mit einem Male sich ihm so unerwartet erschloß, und sagte warnend: ,,Bruder, ich bin wohl hartgläubig; aber dennoch bin ich auch überzeugt von dem, was ich einmal glaube! Willst du aber in meinem Glauben an den Herrn mich wankend machen, wie es mir scheint, so ist das vergebliche Mühe; denn ich weiß, was von Ihm zu halten ist. Also laß mich!"
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Entgegnete Judas erregt: ,,Das sei fern von mir! Auch ich bin fest überzeugt, daß alle Welt nur allein von Ihm das Heil erhalten kann; aber ebenso fest bin ich auch überzeugt, daß etwas geschehen muß, um dieses Heil zu verwirklichen. Jetzt ist es Zeit - oder nie!
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Der Herodes ist Ihm wohlgesinnt. Der Römer Macht ist gerade jetzt eine geringe hier, weil sie ihre Streitkräfte anderswo gebrauchen; also liegt alles günstig für Ihn, den mächtigsten Mann, - wenn Er nur wollte! Aber dieses Wollen in Ihm wachzurufen, daran liegt es! Denn wie sehr Er zögert, haben wir gesehen, und was der Tempel will, haben wir gehört. - Besäße ich nur den kleinsten Teil Seiner Kraft, ich spottete ebensosehr der Tempelschliche, als Er es bisher getan! Dieses erbärmliche Geschmeiß hat gewißlich keine Gewalt über Ihn; weder hat es diese früher gehabt, noch wird es diese je besitzen. Aber es ist zu fürchten, daß auch Gott Selbst Ihm die Kraft einst nehmen wird, so Er Sich dem Willen Gottes entgegenstellt, Sein Volk glücklich zu machen.
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Hier in dem Herrn haben sich alle Bedingungen geeinigt, die es ermöglichten, in Ihn die Gotteskraft zu legen. Wir werden Ewigkeiten warten müssen, ehe wieder ein Mensch entsteht, der so Großes leisten kann. Darum muß Er es auch tun, jetzt oder nie, ehe sich die Langmut Gottes verzehrt! Findet Er in Sich nicht den Mut zu unternehmen, was not ist, weil es von Gott so verheißen wurde, so muß er gezwungen werden, es zu tun!"
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Erschreckt fuhr Thomas auf und flüsterte: ,,Zwingen? Wer will Den zwingen, aus dem der Allmächtige Selbst spricht?!"
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,,Ist Er Der, für den Er Sich ausgibt, so beweise Er es! Ist Er es nicht, was warten wir dann auf ein Nichts?!", murmelte halblaut Judas finster.
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Thomas flüsterte ängstlich: ,,Wie auch sollte man Ihn zwingen?! Bruder, laß ab von solchen Gedanken; es taugt nicht, - mir graut davor!"
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Finster redete Judas nun: ,,Graut dir Schwächling vor großen Gedanken? - Doch weiß ich es selbst noch nicht, wie das möglich sein sollte. Ich fühle nur: es muß etwas geschehen, es muß! -
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Leb wohl, Bruder, schweige über das, was wir sprachen, zu den andern! Hörst du? Versprich es mir! Sie alle da drinnen lieben mich nicht sehr; ich möchte nicht noch mehr Haß auf mich laden."
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Thomas reichte ihm die Hand und meinte: ,,Wer hätte auch Nutzen von meinem Reden? Ich verspreche es dir!"
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Darauf wandte sich Judas mit einem kurzen Gruß von ihm und begab sich auf die Höhe des Ölberges, um in Einsamkeit nachzudenken. Thomas aber ging beklommenen Gemütes wieder zu den andern und suchte seine Unruhe durch ruhiges Gespräch mit den Brüdern zu bekämpfen.
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Als wir nun, außer dem Judas, beim Morgenmahl saßen, fragte Mich Lazarus, was Ich nun zu tun gedächte, - ob Ich, was ihm ja das liebste sei, die Festtage bei ihm verbringen wolle, oder wohin Ich Mich sonst zu wenden gedächte.
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Ich sagte darauf ihm und den Jüngern, daß Ich gedächte, noch heute Bethanien zu verlassen, - nicht aus Furcht, sondern daß ich dieses täte des Volkes und der Templer wegen. Diese würden viel Böses anrichten, so sie wüßten, daß Ich hier sei und dennoch nicht zu erlangen wäre. Um aber das zu verhindern und niemand irgendwie Schaden zuzufügen, würde Ich Mich jetzt auf einige Tage verbergen und nicht finden lassen.
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Fragten Mich die Meinen, wohin Ich gehen würde.
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Sagte Ich: ,,So ihr mit Mir gehen wollt, so sollt ihr es sehen! Es schläft jedoch ein Verräter unter euch; darum sollt ihr es jetzt noch nicht erfahren."
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Die Jünger entsetzten sich über diesen Ausspruch und sahen verwundert umher - es waren hier nicht nur die Apostel anwesend, sondern noch viele vom Hausgesinde des Lazarus, die ihm in der Verwaltung seiner Güter nahestanden -, wen Ich wohl gemeint haben könnte. Doch wagte keiner ein Wort weiter danach zu fragen.
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Wir beendeten schweigend unser Mahl. Danach nahm Ich Abschied von Lazarus und den Seinen, die Mich nur höchst ungern und beklommenen Herzens scheiden sahen. Jedoch hob sie ihr Glaube an Mich über alle Sorge hinweg, daß Mir irgend etwas geschehen könne von seiten des Tempels.
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Wir gingen die Straße nach Jericho zu und sahen alsbald Judas auf uns zukommen, der von der Höhe aus unsern Abschied bemerkt hatte und sich uns anschloß, ohne daß er die deswegen nicht gerade freudigen Gesichter der Apostel beachtete. Diesen Zug nun unternahm Ich allein mit den Zwölfen, und es war von Meinen übrigen Anhängern sonst niemand mehr bei uns.
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Wir wandten uns alsbald dem Jordan zu, dorthin, wo Johannes getauft hatte, einem Orte, der jetzt völlig leer stand, seitdem die Stimme des Predigers in der Wüste verhallt war. Dort lagerten wir uns und blieben auch daselbst völlig ungestört.
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Es ist diese Gegend namentlich im Frühjahr eine sehr angenehme, da hier eine weit wärmere Temperatur herrscht. Am Ufer des Jordans wuchsen üppige Bäume und Sträucher, die allen kühlen Schatten und sichere Lagerstätten boten. Hier am Jordan verbrachten wir noch zwei volle Tage, nachdem wir von Lazarus uns entfernt hatten, und Ich benutzte diese Zeit, um den Aposteln nochmals ihren Beruf und Meine Lehre klarzulegen.

Fußnoten