Gottes Neue Bibel

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre

- Kapitel 70 -

Judas vor dem Hohen Rat

Auch Judas hörte dem zu, jedoch ohne dadurch von seinen falschen Ansichten befreit werden zu können. Im Gegenteil, er wurde nur noch mehr davon überzeugt, daß es so bald nicht irgendeinem Menschen gelingen würde, die Kraft Gottes so mit sich zu vereinen, daß nach Mir ein anderer als weltbefreiender Messias auftreten könne. Er fand es daher nur für rühmlich und freute sich in seinen ehrgeizigen Gedanken, wenn er es wäre, der den seiner Meinung nach notwendigen letzten, zwingenden Schritt vorbereite, der Mich veranlassen müsse, von der Mir verliehenen Macht nach seinen Wünschen Gebrauch zu machen. Er erschien sich selbst als eine Art Erlöser und vermeinte in seiner Verblendung, durch Mich wirken zu können. Als der Gedanke einmal in ihm erwacht war, Mich zwingen zu können, und die feste Überzeugung verblieb, Ich würde jeder Gefahr trotzen und sie auch leicht überwinden können, da erschien ihm auch alles recht, was imstande sei, diesen Plan zu verwirklichen.
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Er machte Mir daher am zweiten Tage unseres Aufenthaltes am Jordan den Vorschlag, sich unerkannt nach Jerusalem begeben zu wollen, um auszuspionieren, wie dort die Stimmung für Mich sei, und ob das Volk über Mein Verschwinden beunruhigt sei.
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Ich sagte ihm, er möge tun, wie er denke, und die andern, froh, seiner loszuwerden, stimmten seinem Anerbieten nur zu.
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Er fragte, wo er Mich würde antreffen können, und Ich sagte ihm, an eben dieser Stelle würde Ich bis andern Tages zur Mittagszeit verbleiben.
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Darauf verabschiedete sich Judas von uns und begab sich nach Jerusalem. Alsbald erfuhr er dort, daß alles über Mein plötzliches Verschwinden erstaunt war. Von der großen Erregung, welche Mein Einzug hervorgerufen hatte, war nichts mehr verblieben, und allgemein urteilte das Volk, Ich sei vor der Macht des Tempels geflüchtet. Dieser selbst war jedoch von den Tempelwächtern und herodianischen Soldaten stark bewacht. Außerdem durchzogen römische Soldaten täglich die Stadt, um etwaige Volksansammlungen zu zerstreuen. Der Tempel hatte bereits beim Landpfleger Pontius Pilatus Schutz gegen etwaigen Aufruhr gesucht und Mich als Volksaufwiegler verklagt.
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Es war denn auch von Pilatus bereits eine Untersuchung eingeleitet worden, welche jedoch ergeben hatte, daß das Volk keinerlei feindliche Kundgebungen gezeigt hatte, sondern nur eine hohe Begeisterung für den dem Pontius Pilatus durchaus nicht mehr unbekannten Wunderheiland. Er legte daher auch dem Ereignis keine tiefergehende Bedeutung bei, ließ jedoch der aufrechtzuerhaltenden Ordnung wegen oftmals Soldatentrupps die Stadt durchstreifen. Das Volk wurde durch diese Maßnahmen stark eingeschüchtert, wußte es doch nur zu gut, daß Roms Macht und Strenge bei Ausschreitungen zu fürchten sei.
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Der Tempel hatte nun wieder stark Oberwasser, und es schien ihm die Zeit gekommen, einen vernichtenden Schlag gegen Mich zu führen, - wenn sie nur gewußt hätten, wo und wie sie Mich ungefährlich aufheben könnten; denn daß auch dieses nicht so leicht sei, hatten sie schon oft genug verspürt.
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In geheimer Sitzung wurden die Mittel und Wege hin und her beraten, ohne daß die Templer sich hätten einigen können. Da wurde ihnen gemeldet, daß ein Mensch dem Hohen Rat eine Auskunft überbringen wolle, wo sich der Nazarener befinde.
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Hocherfreut ließ Kaiphas den Menschen, der Judas Ischariot war, zu sich kommen und führte ihn vor den Hohen Rat. Daselbst eröffnete Judas demselben, daß er glaube imstande zu sein, den gesuchten Jesus von Nazareth den Händen der Tempelwache zu überliefern, wenn nur die nötige Vorsicht dabei beachtet werde.
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Auf die Frage, wie er denn das vollbringen wolle, antwortete Judas: ,,Ich habe mich längere Zeit in seiner Nähe aufgehalten, kenne daher auch seine und seiner Anhänger Eigentümlichkeiten. Ja, es gab eine Zeit, wo ich vermeinte, in ihm den erwarteten Messias der Juden sehen zu müssen. Jetzt aber habe ich mich überzeugt, daß er nichts anderes bezweckt, als unsere altehrwürdigen Satzungen und Gesetze, zu deren heiligem Hüter der Tempel bestimmt ist, umzustoßen, ohne daß er aber imstande wäre, etwas kraftvoll Besseres dafür zu geben. Er ist daher gefährlich, und als ehrlicher Jude, der bemüht sein muß, die Achtung vor Mosis Gesetz zu festigen, biete ich daher die Hand, diesem gefährlichen Treiben ein Ende zu machen. Noch weiß ich nicht, ob es gelingen wird; aber wo so viele weise Männer versammelt sind, wird es gewißlich gelingen, das rechte Mittel ausfindig zu machen, wie dieser Wunderheiland zu fangen sein wird."
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Fragte ihn Kaiphas: ,,Weißt du, wo er sich jetzt befindet?"
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Sagte Judas: ,,Nein; denn ich kann nicht wissen, ob er den Ort nicht schon verlassen haben wird. Aber ich weiß, daß er, wie immer, auch in diesem Jahre das Osterlamm im Kreise seiner Anhänger wird essen wollen, und daß dieses nirgendwo anders als in der Nähe der Stadt geschehen wird."
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Rief einer jener Pharisäer, die nach der Auferweckung des Lazarus so übel bedient wurden: ,,Nur suche ihn keiner in Bethanien zu fangen! Dort wäre es nutzlos; denn seine Teufelskraft würde dort wieder zum Vorschein kommen. Das Beste wäre, man finge ihn des Nachts, - einesteils des Volkes wegen, das ihm doch viel anhängt, und dann habe ich immer sagen hören, daß in der Nacht die Kraft von solchen Zauberern eine schwächere sei. Ja, in einer bestimmten Stunde soll auch der ärgste Zauberer schwach wie jeder gewöhnliche Mensch sein, so daß er keinem widerstehen kann. Sag an - du mußt es wissen, der in seiner Nähe war -: hat auch dieser Mensch seine schwache Stunde? Was treibt er in der Nacht?"
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,,Er schläft wie jeder andere Mensch", antwortete Judas. ,,Ich glaube wohl die Stunde zu kennen, in der er am schwächsten ist."
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Triumphierend wandte sich der Pharisäer zu den andern und meinte, diese Stunde müsse benutzt werden.
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Unmutig wollte Kaiphas davon nichts wissen, indem er sicher sei, der Nazarener verfüge über keine anderen übernatürlichen Kräfte als auch die Essäer, die derentwegen genug bekannt seien; aber er sei ebenfalls dafür, nachts denselben zu ergreifen, um jedes Aufsehen zu vermeiden.
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Es wurde daher mit Judas vereinbart, er solle am Tage des Osterlammes sich nachts im Tempel einfinden, um dort mit den Schergen zusammenzutreffen, die er nach dem Orte hinzuführen habe, wo sich der Nazarener befinde.
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Kaiphas fragte ihn nun, was er für diesen Dienst verlange.
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Judas, der sich innerlich freute, daß der Hohe Rat in die, wie er meinte, von ihm gestellte Falle gegangen sei, war nun noch mehr erfreut, daß sein Plan ihm auch noch Geld einbringen sollte - was anfangs nicht seine Absicht war -, und forderte nun die dreißig Silberlinge, welche ihm auch auszuzahlen versprochen wurde, wenn er sich am Abend der Tat einfinden würde.
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Judas eilte nun, vom Tempel kommend, durch die Stadt und horchte überall, damit er erfahre, wie das Volk von Jerusalem und auch die große Zahl der Fremden gegen Mich gesinnt sei. Er fand überall großes Erstaunen ob Meiner augenscheinlichen Schwäche; nirgends aber fand er im Volke Menschen, welche nicht von Meiner Kraft überzeugt gewesen wären, die sich oft und auch noch zuletzt augenscheinlich bewiesen habe. Er erkannte deutlich, daß es Mir auch weiterhin gelingen würde, das gesamte Volk mit Mir zu reißen, sowie nur irgendeine heroische Tat von Mir ausginge, - daß das Volk wohl stutzig geworden, aber von Mir nicht gänzlich abgefallen sei.
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Diese Erkenntnis erfreute und bestärkte ihn noch mehr in seiner Absicht, Mich in eine Lage zu bringen, die Mich zwingen würde, Meine Angreifer, um Mir diese vom Leibe zu halten, womöglich zu vernichten, oder doch so unschädlich zu machen, daß jedermann deutlich erkenne, wie Mir niemand auf Erden widerstehen könne, so Ich nur ernstlich wolle. Er machte sich denn auch, nachdem er von allem sich gründlich überzeugt zu haben glaubte, und ohne sich auch in der Zeit etwa um Herodes zu kümmern, der ihm für seine Zwecke nicht mehr notwendig erschien, da er auch ohne diesen auszukommen glaubte, wieder nach dem Jordan auf, Mich aufzusuchen und zu berichten, was er erfahren habe.
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Wir wurden von ihm an der alten Stelle noch angetroffen, und er berichtete nun genau über die Stimmung in Jerusalem, und wie das Volk Meiner noch immer als des Erlösers harre. Ich hörte alles dieses ruhig an und antwortete nichts darauf, wodurch Judas nur überzeugt wurde, seine Rede habe tiefen Eindruck auf Mich gemacht. Er war nun auch Menschenkenner genug, nicht weiter in Mich zu dringen, da er meinte, es müßten seine Worte in Mir ausreifen. Er verhielt sich auffallend schweigsam, doch konnte man ihm anmerken, wie er zufrieden in sich war und nur noch beobachtete.

Fußnoten