Gottes Neue Bibel

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 2

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre.
(Im Sommer des Jahres 30)
Dritte Reise des Herrn:
Genezareth - Zu Schiff über die Bucht und dann zu Fuß nordwärts in Richtung Tyrus - Rückkehr zum Galiläischen Meer - Berg am Ufer (Zweite Volksspeisung) - Zu Schiff nach der Herberge bei Magdala - Zurück zum Berg am Ufer - Zu Fuß nach der Hütte des Markus bei Cäsarea Philippi

- Kapitel 237 -

Der Entschluß der Pharisäer

Sagt inzwischen Julius: ,,Hm, sonderbar von dem Manne, der sonst doch allgemein den verdienten Ruf eines vollkommen streng ehrlichen und vollrechtlichen Mannes besitzt!? Aber kannst du mir denn so mutmaßlicherweise zum wenigsten sagen, was da Julius für einen Grund haben mochte, daß er sich gegen euch so strenge erwies? Denn eine ungerechte Sache muß sich denn doch noch immer irgend wieder gutmachen lassen, ansonst es mit allen gesellschaftlichen Verbänden auf dieser Erde für immer ein volles Ende hätte!"
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Sagt der junge Pharisäer: ,,Oh, Gründe kann er mehrere gehabt haben; aber sie reduzieren sich am Ende alle darauf hin, daß man vor der Welt durch argen Zwang gar leicht ein Verbrecher oder zum wenigsten ein irgendeines Verbrechens verdächtiger Mensch sein kann, ohne es aus sich freiwillig zu sein! Sagt ihr doch in eurem Gesetze, daß zu irgendeiner schlechten und darum strafbaren Tat ein entschieden freier böser Wille erforderlich sei, was erwiesen werden muß; ansonst müßte man am Ende auch den ans Kreuz heften, der durch einen Zufall vom Dache fiel und durch diesen Fall ein unter dem Dache ruhendes Kind erschlug und tötete!
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Wir jungen Pharisäer und Leviten werden nun allzeit vom Tempel aus sicher aller ehrlichen Welt gegenüber kaum je in einer respektablen Absicht abgesandt; ja wir tragen oft geheim so elende Tempelabsichten hinaus zu den harmlosen Menschen in die Welt, daß wir sie selbst offenbarst im tiefsten Grunde unseres Herzens verachten müssen! Aber was nützt alles das?
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Wir gleichen da den Kriegern, die von ihren Feldherren genötigt, in ein Land als Feinde eines in sich ganz ruhigen Volkes einfallen und alles verheeren, bloß irgendeines geheimen feldherrlichen Zweckes wegen, von dem der gemeine Krieger vielleicht die Zeit seines ganzen Lebens hindurch keine Kenntnis bekommt; er muß als eine Maschine handeln, die höchstens, wenn sie zum Weiterhandeln untüchtig geworden ist, in irgendeinen stummen Ruhestand gesetzt wird.
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Ich aber meine, wenn der Tempel mit seinen ruchlosen, geheimen Absichten eine den Römern sicher schon zu wohl bekannte Anstalt ist, von der aus Verbrechen über Verbrechen begangen werden, dem Staate so gut wie aller Menschheit gegenüber, so sollten dergleichen gerechte Juliusse das Übel gleich lieber von der Wurzel ausrotten und sich nicht stets an den Zweiglein vergreifen, die bei Gott nicht dafür können, daß sie von einem so schlechten Stamme ins Dasein getrieben worden sind! - Das ist so meine und unser aller, wie wir hier sind, Ansicht. Mache du daraus nun, was du willst; aber ich habe recht vor Gott und allen recht und billig denkenden Menschen!"
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Fragt abermals Julius, sagend: ,,Das ist alles gut und wahr, und es ist euch in Genezareth offenbar Unrecht geschehen, das euch vergütet werden wird. Es wäre euch aber auch nicht so hart begegnet worden, wenn ihr in das Haus des dortigen Gastwirtes Ebahl nicht gar so diktatorisch gedrungen wäret! Aber lassen wir nun das; denn auch zu solch einem Benehmen könnet ihr vom Tempel aus die gemessensten Weisungen haben. Aber ich möchte von dir nun denn doch so als Freund jeder guten Sache in Erfahrung bringen, in welcher Absicht ihr denn so ganz eigentlich vom Tempel aus nach Nazareth und Kapernaum beordert worden seid."
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Sagt der Befragte: ,,Indem du nun durch mein sicher rückhaltlosestes Bekenntnis wirst gesehen haben, daß wir in unseren Herzen nicht im geringsten das sind, als was wir, besonders von den Römern, angesehen werden, so kann ich dir, der du ein Freund alles Guten und Wahren zu sein scheinst, ja auch den geheimen Grund näher bezeichnen. Sieh, es ist in Jerusalem und ganz besonders im Tempel überaus ruchbar, daß sich in Galiläa ein Mann herumtreibt, der eine neue, antijüdische, eigentlich antitemplische Lehre verbreitet, viele und große Zeichen zur Bekräftigung seiner Lehre verübt, so daß bereits bekanntermaßen sogar alte und sonst nagelfeste Pharisäer sich zu seiner Lehre bekennen!
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Daß solch ein Mann vom Tempel aus wohlweisen Gründen nicht mit freundlichen Augen angesehen wird, kannst du dir wohl denken. Nun sind wir bloß zu dem Behufe unter Eid genommen und dann abgesandt worden, um zu eruieren, ob und was es denn so ganz eigentlich mit dem fraglichen Manne für eine Bewandtnis habe. Fänden wir ihn, so sollten wir ihn entweder für den Tempel zu gewinnen suchen oder ihn im Widerstrebungsfalle so klamm (heimlich) von dieser Welt in die andere befördern. - Nun, das war so ganz kurz gefaßt die hohe Absicht des Tempels, deren harmlose und total unschuldige Träger wir waren.
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Es versteht sich aber übrigens von selbst, daß der bewußte, sicher höchst ehrliche, gute Mann von uns nie etwas zu befürchten gehabt hätte; denn hätten wir ihn auch gefunden, so wäre ihm von uns aus kein Haar gekrümmt worden.
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Wie wir vielseitig erfahren haben, soll er im Ernste ein außerordentlicher Mensch sein, voll Wahrheit, Ehrlichkeit, Güte und Biederkeit, - Eigenschaften, die wir an jedermann noch stets über alles zu schätzen und zu achten verstehen. Kurz, hätten wir ihn auch irgendwo getroffen und gefunden, so hätte davon von uns aus der Tempel sicher nicht eine Sterbenssilbe erfahren; denn aufs sogenannte Maulhalten verstehen wir uns. Auch für den Tempel hätten wir ihn nie zu gewinnen gesucht; denn den Tempel und seine Niederträchtigkeiten kennen wir wie nicht leichtlich jemand anders. Wären wir aber in unseren Herzen auch des eigentlichen Tempelgelichters, so würden wir hier trotz des ein bißchen genossenen Weines nicht so offen mit dir reden.
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Wir aber haben eine geheime Absicht, abgesehen von allem, was darum unsere Weltverwandten alles um unsertwillen werden zu gewärtigen haben, nun dem Tempel zu entwischen; denn es ist im selben durchaus nicht mehr zu bestehen. Wir sind darum auch hauptsächlich nächtlicherweile übers Wasser in diese Gegend gekommen, um von da irgend nach Tyrus oder Sidon zu gelangen und uns dort dem Cyrenius vorzustellen und ihm, der einer der weisesten Männer sein soll, unsere Not vorzutragen. Es ist aber die Meinung des größten Teiles von uns, daß wir zuvor dennoch nach Jerusalem auf einem möglichst kürzesten und von Ungemach freiem Wege gelangen und alldort sehen sollten, von unseren Verwandten wegen einer vorgeschützten frommen Geschäftsreise, im Interesse des Tempels natürlich, ein Geld zu bekommen, mit dem wir dann leicht eine Reise nach Tyrus und Sidon, oder am Ende gar nach Rom selbst, unternehmen könnten zur Erreichung unseres Zweckes. Zugleich aber müssen wir zu dem Behufe uns auch ordentliche Wanderscheine verschaffen, ohne welche man in dieser Zeit schwer anstandslos weiterkommt. Solche Scheine aber kosten Geld.
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Es wäre einesteils darum wohl gut und nötig, uns von Hause aus ein genügend Geld zu verschaffen; aber ich und ein Teil denken da wieder anders und sagen: So wir dem Tempel entweichen, so werden darum unsere Alten, das heißt unsere Eltern und Geschwister, ohnehin vom Tempel aus alles mögliche Ungemach, vielleicht gar das verfluchte Wasser zu bestehen bekommen. Es wäre darum zu himmelschreiend ungerecht, so wir sie zuvor noch gewisserart um ihr Geld bringen wollten, wodurch sie dann am Ende kaum imstande wären, sich im äußersten Falle vom Genusse des gewissen Wassers loszulösen, was im Tempel oft geschieht, daß den Gravierten (Belasteten) die Wahl zwischen - natürlich - viel Geld und dem verfluchten Wasser freigestellt und nun auch fast durchgängig mit Geld als Sühne vertauscht wird.
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Nun, da ist schwer zu entscheiden, was man da tun soll. Ich für mein Teil bin einmal fürs Nichtnachhausegehen, und das aus den bereits bekanntgegebenen Gründen und aus noch einem Grunde, den ich für einen Hauptgrund halte. Denn holen wir uns nun in Jerusalem vorher noch ein Geld unter einem erdichtet templisch frommen Vorwande, und kommt dann die Geschichte denn doch sicher auf, so trifft uns alle auch unvermeidlich der Tempelfluch im großartigsten Maße und mit dem der Fluch unserer Alten, und unser Glück in der Welt ist gemacht, daß es Gott erbarme! Gehen wir nun aber heimlich, so werden der Tempel und unsere Alten denken, daß wir etwa irgendwo verunglückt seien. Unter solchen Rücksichten werden dann der Tempel und unsere Alten um uns trauern, und beide werden für uns beten und uns segnen für die ganze, lange Ewigkeit. - Was meinst du, der du ein Freund des Rechtes und der Wahrheit zu sein scheinst, was ist da das Bessere und was ist da völlig Rechtens?"

Fußnoten