Das Grosse Evangelium Johannes: Band 5
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi
Ev. Matth. Kap. 16 (Fortsetzung)
- Kapitel 159 -
Die wahre und die falsche Art weltlicher Tätigkeit
Sagt Cyrenius: ,,Jawohl, Herr und Meister von Ewigkeit; aber es fragt sich hier noch um eines, und dieses besteht darin: So die Menschen aber so recht tätig und arbeitsam werden in den mannigfachsten Zweigen des mit tausend Bedürfnissen versehenen Lebens, da ist aber auch wohl einsichtlich, daß sie dadurch von den geistigen, in sich nur beschaulichen Lebenswegen zu sehr in den puren Weltmaterialismus übergehen werden, und da wird von einer Wiedergeburt des Geistes wenig mehr die Rede sein.
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Zugleich aber habe ich aus Deinem Munde die Lehre, derzufolge man sich eben nicht sorgen soll ums Fortkommen des irdischen Lebens nach der Art der Heiden, sondern man suche vor allem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, - alles andere werde dann schon von selbst hinzukommen.
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Wie verhält sich nun diese Lehre mit dieser Deiner neuen, nach der man stets alle Hände voll zu tun haben soll? Siehe, Herr, dieses kann ich in mir nicht so recht unter ein und dasselbe Dach bringen! Es wäre demnach gut, so Du, o Herr, mir das ein wenig begreiflicher machen möchtest."
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Sage Ich: ,,Noch haben wir eine und eine halbe Stunde Zeit, und Ich kann dir diese Frage wohl beanworten. Merke aber wohl auf das, was Ich dir hierüber in einem Bilde sagen werde!
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Sieh, zwei Menschen gingen hin zu einem Meister einer überaus nützlichen und schönen Kunst! Der A tat das, um die Kunst zu erlernen, um sich durch sie mit der Zeit selbst sein Brot zu verdienen. Er lernte fleißig und hatte wohl acht auf alles, was zur Handhaftwerdung der Kunst erforderlich war, und war endlich über die Maßen froh, als er vom Meister ein Zeugnis erhielt, in welchem es geschrieben stand, daß er nun die Kunst vollends erlernt habe und nun selbst ein Meister sei. Es gab zwar wohl noch so manche Geheimnisse in der Kunst, von denen er nichts wußte. Allein, das kümmerte ihn nun wenig mehr; denn er hatte nun das Zeugnis, durch das er zu gutem Brote ohne große Mühe gelangen wird und muß.
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Der Beweggrund aber, der den B zum Meister trieb, war ein ganz anderer und mußte daher bei selbem auch eine ganz andere Wirkung zur Folge haben. Dem B lag es nicht am Brote, an das er gar nicht dachte, sondern lediglich an der Kunst, um ihrer selbst willen. Sein alles andere hintansetzendes Streben war nur, mit allen Geheimnissen der zu erlernenden Kunst auf das allerinnigste vertraut zu werden.
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Der Meister aber, der da sah, daß es diesem Schüler durchaus nicht ums Brot, sondern pur um die volle Kenntnis der göttlichen Kunst zu tun war, hatte selbst eine große Freude an diesem Schüler, nahm sich mit ihm alle Mühe und führte ihn gründlichst in alle möglichen Geheimnisse der Kunst ein. Und die Folge war, daß der B nachher als ein vollendetster Meister der Kunst ein derartig unübertreffliches Kunstwerk zustande brachte, daß davon der Ruf und das Lob sogar zu den Ohren eines Königs kam und der König dann den Künstler berief, daß er auch ihm zeige sein Kunstwerk. Der Künstler tat das aber etwa ja nicht des anzuhoffenden Gewinnes wegen, sondern um dem König dadurch eine sicher recht große Freude zu machen.
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Als der König dann das große Kunstwerk zu sehen bekam und sich von der hohen Zwecklichkeit desselben überzeugte, da sagte er: ,Was willst du, großer Meister, daß ich dir tun soll? Verlange einen Lohn von mir, und er soll dir nebst dem werden, daß du von nun fortan ein Günstling meines Hofes verbleibst und dahier deine Kunst ausübst!`
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Und der Künstler sprach, tief gerührt von des Königs Gnade: ,Höchster Herr und weisester Herrscher und Gebieter! Deine Gnade und dein Wohlgefallen an diesem meinem Kunstwerke sind mir schon der höchste Lohn! Denn nicht aus irgendeiner Gewinnsucht, nicht einmal des täglichen Brotes wegen, sondern pur aus reiner Liebe zu dieser Kunst habe ich sie mit allen meinen Kräften so recht in die Seele hinein erlernt und habe nun eben darum schon die höchste Freude und den höchsten Lohn, daß sie nun auch vor den Augen des weisesten Königs eine so ausgezeichnete Anerkennung gefunden hat.`
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Was meinst du wohl, was nun der noch mehr erfreute König darauf mit dem Künstler tat? - Sieh, er sprach: ,Jetzt ersehe ich erst, daß du ganz ein vollendeter Künstler deines Faches bist! Denn hättest du diese an sich noch so herrliche Kunst bloß des Verdienstes und des Brotes wegen erlernt, so hättest du es darin nie zu einer solchen Vollendung gebracht. Denn wer etwas lernt, um dabei sein Fortkommen zu finden, der denkt nur immer ans Fortkommen und begnügt sich bald mit dem seicht und wenig Erlernten und berechnet danebst nur, wie er etwa den Abgang des Wissens mit einem falschen Schein bedecken könnte, damit die Menschen nicht merketen seine Schwäche und ihn dennoch hielten für einen großen Meister. Aber es wird ihm das für die Folge wenig nützen; denn eben seine schlechten und mangelhaften Werke werden seine Verräter sein.
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Du aber, der du die Kunst um ihrer selbst willen erlernt hast, hattest nur gerechnet, wie du in alle ihre noch so großen und tiefen Geheimnisse eindringen könntest. Dir lag es an der vollsten Wahrheit der Kunst, und du bist eben darum auch ein seltener, wahrer Künstler geworden, den ich brauchen kann. Und dieweil du dich nicht gesorgt hast bis zur Stunde um Brot und Verdienst, so sollst du aber nun denn bei mir ein wahres, bestes und bleibendstes Brot und Verdienst bekommen! Denn für wahre Künstler und für wahre Gelehrte und Weise habe ich als König stets der Stellen und des damit verbundenen Brotes und Verdienstes in Menge.` - Da hast du nun die handgreifliche Erklärung deines Einwurfs."