Das Grosse Evangelium Johannes: Band 6
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr und die Tempelpriester
(Ev.Joh. Kap.5)
- Kapitel 106 -
Ein Schriftgelehrter unterstützt die Ansichten der Priesterweiber
Dieser Ort war darum ein gar wichtiger, weil der Tempel für gar viele Heiden, die zu Zeiten dahin wallfahrteten, ein zweites Orakel zu Delphi war, und diese Priester und Priesterinnen hatten sich schon große Schätze gesammelt. Von da aus konnte denn auch über einen großen Teil der asiatischen Griechen und Römer ein besseres Licht ausgegossen werden, und deshalb verweilte Ich denn hier auch ein wenig länger als an den früher berührten Orten des kleinen und eigentlichen, wie auch des großen und uneigentlichen Galiläa.
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Wir begaben uns nun auf demselben Hinterwege zurück ins Haus des Jored, um dem Judas Ischariot ja seinen erhofften Verdienst zu vereiteln; denn über den Mittag hinaus warteten die vielen Menschen nicht mehr, und einige gaben dem Jünger sogar bittere Worte, dieweil er sie so hingehalten habe und sie Mich doch nicht zu Gesichte bekamen. Der Jünger aber verbarg sich im Haus, da er fürchtete, daß er nun anstatt seiner erhofften Groschen gar leicht eine andere Bezahlung überkommen könne.
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Wir kamen nun in den Saal, und es war das Mittagsmahl auch schon bereitet und sogleich auf den Tisch gebracht.
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Ich aber sagte zuvor allen: ,,So der Jünger kommt, da lasset ihn gehen und tut, als wäre er gar nicht abwesend gewesen!"
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Ich hatte das aber kaum ausgeredet, so kam er auch schon in den Saal und grüßte alle freundlich und tat auch, als hätte er uns vormittags gar nie vermißt. Wir aber taten desgleichen und aßen und tranken ganz heiteren Mutes.
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Während des Essens ward wenig geredet, - nur unsere zwanzig Neujünger besprachen sich über die Rede der Priesterweiber; denn sie hatten so ganz steinfeste Stoiker noch nie zu genießen bekommen. Einer von ihnen machte diese und ein anderer eine andere Bemerkung.
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Der Schriftgelehrte unter ihnen, der auch ein war und das in der Folge ganz in Verlust geratene Buch der ,Kriege Jehovas` wohl innehatte - das in dieser Jetztzeit die Altindier aber doch noch unter dem Namen Sen scrit (,Ich bin verborgen`) besitzen -, sagte: ,,Man muß vor den fünf Weibern dennoch Respekt haben; denn gelernt haben sie bei weitem mehr als oft die gelehrtesten Juden, und von unserem natürlichen Lebenszustande aus betrachtet, kann man ihre ganz absonderlich gediegenen Ansichten durchaus nicht tadeln.
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Der sichtliche Tod aller Kreatur ist eben ein Etwas vor den Augen eines scharfen Denkers, das dem Schöpfer viel von Seiner großen Glorie und Majestät nimmt! Kann Er mit Seiner Allmacht die Erde mit ihren Bergen und Meeren, den Mond, die Sonne und alle die Sterne erhalten, warum denn nicht auch wenigstens den Menschen, wie er ist, mit Leib und Seele?
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Und soll der Mensch schon mit der Zeit den Leib ablegen und in ein stets reineres geistiges Wesen übergehen, so könnte das bei der Allmacht des Schöpfers ja auf eine Art geschehen, daß der Leib nach und nach geistiger würde und endlich ohne die geringste Störung des Bewußtseins seiner selbst in das rein Geistige überginge, oder daß wenigstens der Mensch in einem gewissen reifen Alter in sichtbaren Verkehr mit den schon ganz hinübergegangenen Menschenseelen träte, auf daß er dadurch eine volle Sicherung für das Leben nach dem Tode für sich und für seine Nächsten überkäme. Aber so ist von alldem auf dieser Erde nahezu keine Spur anzutreffen.
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Der Mensch wird erstens dümmer und unbehilflicher denn jedes Tier zur Welt geboren und muß von seinen Eltern jahrelang gepflegt und ernährt werden, bis er zu jener Kraft und Einsicht gelangt, sich selbst zu erhalten, - und zweitens, so er dann ein Mensch geworden ist, wo er sich frei bewegen können soll, wird er dann mit einer großen Menge von allerlei Gesetzen derart verpalisadiert () und so physisch und geistig geknebelt, daß ihm kaum noch ein freier Atemzug übrigbleibt. Und ich frage: Was hat er denn eigentlich dafür für eine Entschädigung? Nichts als den lieben Glauben, daß es ihm, wenn alle die schwer zu haltenden, durch das Gesetz aufgebürdeten Lebensbedingungen erfüllt sind, nach dem Tode besser und sogar überaus gut gehen werde. Ja, das wäre schon alles ganz recht, wenn der Mensch dafür eine sichere Bürgschaft hätte! Aber da stinkt es eben am meisten bei allen Menschen!
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Man liest wohl in den Büchern, daß die einfach-sittlichen Vormenschen solche Bürgschaften gehabt haben. Ja, das ist auch ganz gut, und es ist ihnen wahrlich sehr zu gratulieren, wenn sie solche gehabt haben! Aber uns gegenwärtigen Menschen ist gar nicht zu gratulieren; denn uns mangeln derlei Bürgschaften gänzlich, und doch sind wir ebensogut Menschen, wie es unsere Vormenschen waren. Man sagt uns freilich, daß solches darum bei uns nicht mehr stattfinden könne, weil wir zu grob sinnlich und materiell geworden seien; ich aber meine, daß gerade da, wo der Mensch, entweder durch seine Schwäche geleitet oder durch irgendeinen unsichtbaren Teufel verlockt, auf Irrwege geraten ist, dergleichen Bürgschaften aus irgendeiner Geisterwelt am meisten auftauchen sollten, um die Irrwandelnden auf den rechten Weg zu bringen. Aber da geschieht im allgemeinen eben erst recht gar nichts von etwas dergleichen.
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Daß wir wenigen nun gerade das große Glück genießen, Dich, Herr und Meister, unter uns zu haben, der Du uns durch Worte und Zeichen zeigst, daß und wie ein Mensch zu einem ewigen und rein geistigen Leben berufen und bestimmt ist, das gilt aber noch lange nicht für alle Menschen in der Welt und selbst für uns nur so weit, als wir es Dir glauben müssen, daß es also ist, weil unserem Glauben Deine rein göttlichen Zeichen und Werke eine feste Stütze verleihen. Aber des Moses Werke waren auch großartig und zwangen die Menschen besonders seiner Zeit zum vollen Glauben; aber nachderhand hörten alle die außerordentlichen Zeichen auf, und die Menschen wurden schwächer und schwächer im Glauben und stehen darum nun vielfach auf dem Punkte, ein ewiges Nichtsein für das größte Glück anzusehen und schon im voraus ordentlich zu fühlen. Denn für das gänzliche Vergehen der Dinge haben sie täglich zahllos viele Beweise, aber für das ewige Fortbestehen auch nicht einen!
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Daß sich aber die Sachen in dieser Welt also verhalten, wird hoffentlich wohl niemand in Abrede stellen können, und man kann es wahrlich den Priesterinnen in dieser Zeit nicht verdenken, wenn sie also urteilen und ihre Ansichten auf die Weise laut werden lassen, wie sie solche aus aller Natur bei einem ganz emsigsten Forschen erprobt haben. Warum kam denn der Geist ihres verstorbenen Mentors nicht also, wie er es ihnen noch bei seinen Lebzeiten auf das teuerste versichert hatte? Und warum gehorchte dann Samuels Geist dem Machtspruche der Hexe von Endor und weissagte dem Saul sein Ende? Ja, das sind denn doch so sonderbare Dinge, aus denen ein Mensch auf einem natürlich- vernünftigen Wege wohl ewig niemals klug wird!
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Man kann einem Menschen durch Worte und Lehren zwar viel Licht und Beruhigung verschaffen und sie durch wunderbare Zeichen festen; aber von einer Überzeugung im eigenen lebendigen Bewußtsein ist da noch lange keine Rede! - Was sagst Du, Herr und Meister, zu dieser meiner sicher sehr verzeihlichen Ansicht?"