Himmelsgaben
Band 3
Worte aus der Höhe der Höhen, neben den großen Werken der Neuoffenbarung
- Kapitel 19 -
Ein Traum (vom 29. Dezember 1840)
2. Januar 1841.
O Herr! Daß die Erzählung genau und fruchtbringend würde, sei mir armem schwachem Knechte behilflich; denn sind auch Träume öfter nichts als leere Schäume, so aber mögen doch immer derart Träume eine eigene Gnadenzulassung von Dir sein, daher sie auch nicht verlorengehen sollen, sondern uns behilflich sein in der schwachen Beschauung unseres Inwendigen und dienlich dann unserem Herzen, damit wir stets mehr und mehr Deinen allerheiligsten Namen durch unsere wachsende Liebe verherrlichen möchten. Darum, o Herr, sei mir behilflich und entziehe mir nicht Dein heiligstes lebendiges Wort. Es ist in der Höhe wie in der Tiefe ja nichts, das da nicht wäre nach Deinem Willen. So sicher auch dieser Traum, und so geschehe denn auch allzeit Dein heiligster Wille Amen. -
1
Nun so erzähle und schreibe, wie Ich es dir geben werde.
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Siehe, Ich will deshalb dir erzählen dein nächtliches Gesicht, damit du nicht nötig haben möchtest, als Erzähler in der ersten Person aufzutreten und dich selbst zu verherrlichen durch Mich, sondern daß Ich verherrlicht werden möchte durch dich. Daher verstehe wohl, wenn Ich sage: Ich durch dich, aber derzeit nicht du durch Mich; denn es wird niemand verherrlicht werden eher von Mir, bevor nicht Ich durch ihn bin verherrlichet worden. Denn der Mich bekennen wird vor der Welt, den werde Ich erst dann bekennen im Angesichte Meines Vaters, da er dann schauen wird Meine unendliche Macht und Herrlichkeit und wird dann selbst verherrlicht werden in dieser Meiner Herrlichkeit. -
3
Und nun schreibe deinen Traum! - Siehe, so träumte es dir:
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Du gingst mit zwei dir wohl Bekannten und mit drei dir Unbekannten und mit dem Ans. H. aus einem nordwestwärts gelegenen Graben etwas schräg aufwärts gegen Südost, und zwar auf der abendlichen kegelförmigen Abdachung eines kleinen Berges, dessen Scheitel ziemlich dicht mit jungen Nadelholzbäumen bewachsen und von dem freien, etwas mager bewachsenen Wiesengrunde durch einen unordentlichen und schon stark schadhaften bäurischen Staketenzaun umfangen war. Und das geschah vorbildend um die siebente Stunde abends, und zwar um die Zeit des Frühherbstes.
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Als du mit deiner bekannten und unbekannten Gesellschaft sonach deinen Weg knapp am Saume des Wäldchens verfolgtest, siehe, da gelangtest du alsobald gegen Süden mit deinen Genossen an einen Punkt, allwo der ziemlich schmale und sehr wenig betretene Doppelweg auf einmal mit allerlei Stangen, Bäumen und Brettern verpalisadiert war, so zwar, daß darüberzukommen dir und vorbildend allen deinen Genossen eine bare Unmöglichkeit schien.
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Nun fingen deine zwei ersten bekannten Genossen an, dich etwas schmählich mit Worten anzugreifen, indem sie sagten: Nun, du Halbprophet, du Wolken- und Regenbändiger und wohlkonditionierter Flugmaschin-Erfinder, was siehst du nun diese Barrikade so verblüfft an wie eine junge Kuh ein neues Tor! - Was willst du nun machen? - Gelt, jetzt wird das Sprichwort wahr, welches also lautet: Da stehen nun die Ochsen am Berge - und zwar unter der Leitung eines prophetischen Esels! -
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Auf welche ziemlich starke Verunglimpfung du folgende kleine Bemerkung dir erlaubtest und sprachst: Freunde, ihr habt ja recht gesprochen, mögt ihr immer das bleiben, was ihr euch nanntet. Aber was den prophetischen Esel betrifft, seht, da muß ich euch schon um Vergebung bitten und getraue mich nicht, eine so große Auszeichnung anzunehmen; denn ihr kennt sicher den Propheten, vor dem ein Esel weissagte, und die Eselin, die den Herrn trug am Palmsonntage, - seht, daher kann ich eine solche Auszeichnung nicht annehmen. Wäre ich vor Gott würdig, ein solcher Esel zu sein - o Freunde, dann würde ich mit meinem großen Reiter vor übergroßen Freuden aufspringen und mit meinen wohlgenährten Hufen euch eure unbändigen Hörner wohl von euren Ochsenhäuptern herunterarbeiten! - Und dein Genosse H. sprach auf diese deine Erwiderung: Fiat, et pereat cornu bovis, et laus gloriaque maxima Domini nostri Jesu Christi orbem columque totum - Na, aber das heiße ich doch den Nagel mit der Demut mit einem Hieb ins Brett treiben; aber woher haben Sie das so schnell genommen?!
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Und als dein Genosse H. so geredet hatte, siehe, da traten die drei Unbekannten hervor und sagten einhellig: Weißt du denn nicht mehr, daß dir die Gabe des freien Fluges verliehen ist? Nun aber ist es an der Zeit, die Frevler zu beschämen; denn sieh die wütenden Stiere, wie sie aus der Tiefe heraufrennen und vereint dann mit diesen zwei Genossen ihre Hörnerspitzen in deinen Eingeweiden herumwühlen möchten. Daher ergreife deinen Genossen H. und hebe dich schnell von hier! -
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Und als du solches vernommen hast unzweideutig, da ergriffst du alsobald den H. und erhobst dich mit ihm. Die zwei Ochsen mit den wütenden Stieren aber brüllten vergebens nach dir, da du in der Höhe frei geborgen warst. Und einer von den Ochsen brüllte höhnisch nach dir, sagend: Seht doch, seht doch, unter den neuen Propheten gibt es auch gar listige Vögel; wenn sie einsehen, daß ihre Schnäbel der Gediegenheit unserer Hörner nicht stichzuhalten vermöchten, dann fliegen sie aus lauter prophetischer Kraft auf und davon! Es ist doch jammerschade, daß wir nicht die Sprache des Geflügels verstehen, was würden uns diese armseligen , Wurmzwicker und Aasfresser schon all für herrliche Dinge prophezeit haben!
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Seht nur an den luftigen Falken, wie er uns stolz aus der Höhe mustert, als hätte er im Sinne, einem oder dem andern von uns die Augen ! Aber komme nur herunter, du Vogel von einem Propheten, wir werden dir deine Weisheit schon herunterarbeiten! Oh, das heißen wir eine prophetische Kraft, wenn ein solcher beim Anblicke von kräftigen und mutvollen Stieren sich aus lauter göttlicher Macht gleich einem Hasen aus dem Staube macht - hahaha, das ist ein Machtbote des Herrn, der, statt dieser Barrikaden sich zu bemeistern, nur als ein Vogel davonfliegt! Oje, oje, oje! - -
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Und als du solche listige Schimpfereien eine Zeitlang angehört hattest, da gedachtest du Meiner und ersuchtest Mich, daß Ich dir solle Blitze senden vom Himmel, damit du dann vermöchtest, mit diesem tödlichen Feuer die Frevler zu vernichten. Und siehe, was vernahmst du da für eine Stimme von Oben? Lautete diese nicht also: ,,Was rufst du Feuer? Das Feuer, das diese Frevler zerstören würde, siehe, dieses Feuer würde auch dich ergreifen und samt den Frevlern verzehren; denn im Zornfeuer Gottes kann keine Kreatur bestehen. So du aber willst mächtig sein und stark in Meiner Gnade, dann mußt du nur segnen, wo gegen dich geflucht wird. So du aber mächtige Flügel hast zum Fliegen, wozu dann noch ein Feuer, in dem dein Flügelpaar untauglich zum Fliegen werden möchte? Darum segne und fliege!" - - Und siehe, als du solches vernommen hast unzweideutig, da erst flogest du gegen Morgen von dannen.
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Und dein Genosse H. fragte dich im raschen Fluge beständig, wohin du denn so nun den Flug richten werdest. Allein du gabst ihm lange keine Antwort. Da er dich aber endlich fragte, warum du ihm keine Antwort gebest, da erst sagtest du: Wie kann ich dir antworten auf eine solche Frage? - Frage zuvor dein Herz, was darinnen wehet für ein Wind und wohin du möchtest, so werden wir alsobald dort sein, da deine Liebe gefesselt ist am noch ziemlich starken Taue, das am Anker noch so ziemlich mannigfacher Welthoffnungen im Meere der Weltsorgen befestiget ist. -
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Er aber erwiderte: Höre! aber wie kann oder soll ich denn mein Weib und meine Kinder verlassen? Sollte ich mich nicht um sie sorgen, da ich nun nicht weiß, wie es ihnen geht? Diese Sorge ist ja meine größte Pflicht, und Gott selbst hat sie mir auferlegt. Wer kann mir hernach verargen, wenn ich meinen Vaterpflichten nachstrebe? Daher wisse, daß ich zu den Meinigen möchte! Bist du mir ein wahrer Freund, so bringe mich schnell dahin, da gewiß mein Weib, meine Pauline, und alle meine lieben Kinder mit großer Besorgnis und Sehnsucht meiner harren! -
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Darauf sagtest du dann: Nun siehe, Freund, was hätte es dir genützt, so ich dir auch den Plan meines von Oben scharf bezeichneten Weges zum großen Orte aller menschlichen Bestimmung auf deine wiederholten Fragen treulich angegeben hätte, du aber wärest mir dann durch deine neuerwachte Liebe und Sorge für die Deinen zu schwer geworden, daß ich dich nicht länger hätte in der Höhe zu erhalten vermocht, wodurch ich dann hernach doch genötiget gewesen wäre, dich entweder fallen zu lassen oder aber mit dir selbst zu fallen. Daher aber, da du dich nun selbst kundgabst in deiner Hauptliebe, bist du nun auch leichter, und mein Flug wird dich alsobald an Ort und Stelle bringen, dahin die Magnetnadel deines Herzens weist!
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Sieh Freund, noch ist die Liebe zu Gott in dir eine Liebe durch die Deinen. Sie ist nur ein dankbares Gefühl, an dem aber auch noch so manche Sorgen kleben, da eine solche Liebe zuerst ausgeht von deinem Herzen zum Herzen der Deinen - und von da weg erst dankbar zum Herzen Gottes. Sieh, da wird die Liebe dann mit allerlei Sorgen und Dingen und Sachen beschwert und dann gleichsam verkehrt; denn da wird deine Liebe in und zu und durch die Deinen positiv polarisch und nährt so dankbar den auf diese notwendig entgegengesetzten Pol deiner Liebe in Gott. Aber sieh nur recht genau, ob diese Liebe der göttlichen Ordnung auch vollends gemäß ist? -
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Du fragst Mich nun freilich in deinem Herzen, ja wie sollte demnach die rechte Liebe beschaffen sein? Siehe, darauf antworte Ich dir also: Die rechte, freie, sorglose Liebe aber ist solcher Liebe gerade entgegengesetzt, denn sie geht vom Herzen des Menschen zunächst in Gott über, da sie gereinigt wird durch das sanfte Gnadenfeuer, und von da in klarem Bewußtsein und voll des höchsten Vertrauens selbstkräftig, sorglos und frei erst zur Welt und dem Weibe und all den Kindern wieder zurückkehrt.
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Siehe, da dadurch alles in solcher Liebe Gott anheimgestellt wird, so bildet dann der so liebende Mensch mit Gott vereint den positiven Pol und alles der Naturwelt den negativen. Du weißt aber, daß der negative Pol ein notwendiger und nur der positive ein freier ist. Wenn aber jemand möchte stärken durch das Negative das Positive, siehe, welche Kraft wird da herauskommen? Es wird gerade sein, als ob jemand möchte plus 2 und minus 2 zusammenaddieren, wo dann am Ende nichts zum Vorscheine kommen wird. Und noch ärger aber ist es, wenn durch solche verkehrte Liebe die unendliche Potenz Gottes negativ auftreten muß, daß Sie gesättiget werde durch ein miserables Plus; denn dann erst kommt ein Verhältnis heraus, welches noch viel löblicher ist, als die Summe, so jemand da addieren möchte plus 1 und minus Unendlich, wo dann die Summe lautete: 1, weniger als unendlichmal nichts. So aber der positive Pol unendlich kräftig ist in und durch Gott, siehe, da ist es dann gerade, als ob jemand stärkt den positiven Pol mit der ihm verwandten Kraft. So braucht er dann gar nicht zu sorgen für den negativen Pol, sondern dieser wird in dem Augenblick sorglos genährt in dem unwandelbaren Verhältnisse - je nach der Nahrung des positiven Pols.
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Siehe, das mußte ich dir, mein freundlicher Genosse, erst zeigen, damit du darob leichter wurdest und ich mit meinem Flügelpaar dich leichter bringen kann wieder in dein Haus zu den Deinen. -
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Nun siehe, als du solches ausgeredet hattest, da erst flogst du wieder weiter gegen Südost, und zwar hinab zum Fuße eines dem früheren Berg benachbarten Berges, auf dessen südwestlichem Abhange dann also das Haus deines Genossen H. sich befand. Als ihr nun alldort angelangt waret, so wolltest du alsogleich weiterfliegen. Allein dein Genosse H. bat dich so lange, und auch dessen Weib und einige seiner Kinder, daß du bei ihnen verbleiben möchtest, und so kehrtest du mit ihnen ins Haus.
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Als du nun aber vollends die Gemächer betreten hattest, da kam alsobald jemand zum Weibe des H. auf einen Besuch. Sie aber verließ alsobald auf eine kurze Zeit mit Visitanten das besagte Eintrittsgemach. Der Genosse H. aber legte sich in ein nebenanstoßendes Zimmer ein wenig zur Ruhe und ersuchte dich, dich einstweilen wohltätig mit seinen Kindern zu unterhalten. Nachdem du nun solches vernommen, setztest du dich alsobald an einen Tisch, als wolltest du selbst ein wenig ausruhen.
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Allein deine Ruhe währte nicht gar zu lange, denn es kam die Tochter namens Wilhelmine, setzte sich neben dich zu Tische und machte neugierige Versuche, mit dir ein fragendes Gespräch anzuknüpfen. Allein du machtest dich taub und stumm und schienst auf das Mädchen nicht zu achten, worüber dann diese in einem etwas ärgerlichen Ton, der ihr bei solchen Gelegenheiten auch ganz eigen ist, dich etwas scharf anfassend fragte: Aber sagen Sie mir doch einmal, was ich Ihnen denn Schlechtes getan habe, daß Sie mich weder eines Blickes noch einer Antwort würdigen! Denn ich kann mir das nicht zusammenreimen, wie ein sonst so frommer oder doch wenigstens als fromm gelten wollender Mann gar so ärgerlich stolz sein könnte! - Daß ich jetzt tanzen lerne, ist denn das gar so etwas, nachdem Sie doch wissen, daß wir das nur aus Gefälligkeit für die Tante gewisserart tun müssen, ohne daß gerade unser Herz und Leben gar so daran hängt, wie Sie vielleicht glauben. Und wenn Sie deshalb auf mich gerade so ärgerlich sind, so weiß ich wirklich nicht, was ich von Ihnen halten soll! - Ehedem versicherten Sie mir stets, daß ich Ihnen lieb wäre. Jetzt aber sehen Sie mich gar nicht mehr an, als wenn ich durch diese Gefälligkeit gegen die Tante schon, Gott weiß, wie schlecht geworden wäre. Ich weiß wohl, was die Ursache ist, und sage es Ihnen gerade ins Gesicht: Es ist bei Ihnen nichts als eine ärgerliche Eifersucht, durch welche Sie mich stillschweigend einer Untreue, sich rächend, beschuldigen wollen, als wenn ich schon einmal, Gott weiß, wie stark in Sie verliebt gewesen wäre, was mir bis jetzt wirklich noch nicht einmal im Traume eingefallen wäre. Pfui, schämen Sie sich! -
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Und da dich die letzte Phrase etwas ärgerlich machte, so standest du auf und wolltest gehen. Allein, als die ziemlich dreiste Rednerin solches merkte, ergriff sie dich bei der Hand und ließ dich bittend und weinend nicht von der Stelle, sagend: Ich bitte Sie um Gottes willen, vergeben Sie mir, wenn ich Ihnen etwas Ungerechtes gesagt habe, und vergeben Sie mir meine voreilige Unart! Ich sehe schon, daß ich gefehlt habe. Bleiben Sie hier! Was würden der Vater und die Mutter sagen, wenn Sie, mich jetzt verlassend, davongingen! -
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Und du öffnetest darauf den Mund, fingst endlich an zu reden und sagtest zuerst etwas ärgerlich: Na, das ist ja eine recht schöne Unterhaltung für den guten Dienst, den ich durch die Gnade des Herrn meinem Freunde erwiesen habe. Nimmt sich das zarte Töchterlein die holdselige Freiheit, mich über einen Kurierstiefel zu putzen und auf einen solchen sonderbaren Glanz herzustellen, daß dagegen die Anzüglichkeiten von seiten der Ochsen am Berge nur als ganz kleine niedliche Burlesken erscheinen! Nein, das ist gar nicht übel, eine solch zarte Unterhaltung möchte ich mir denn doch bald wieder ausbitten! Die schmiert so mir und dir nichts einem auf die unschuldigste Weise von der Welt die allerschönsten Grobheiten ins Gesicht, als wenn sie's gedruckt hätte und dafür wirklich bezahlt würde! - Und damit der ganzen Geschichte am Ende die Krone aufgesetzt würde, spuckt sie einem zu guter Letzt am Ende solcher Unterhaltung noch quasi ins Gesicht. Ganz gehorsamster Diener, die könnte mich denn doch ganz sonderbar gerne haben! - Meine liebe W., bei und durch solche unterhaltende Raritäten wird's wohl mit dem Verliebtsein von meiner scharf geputzten Seite seine wohlgeweisten Wege haben, und mir wird nicht viel anderes zu tun übrigbleiben, als Sie für die Zukunft höflichst zu ersuchen, mich mit derlei äußerst anzüglichen Gesprächsunterhaltungen ein wenig liebreich gütigst verschonen zu wollen. Für diesmal aber leben Sie wohl amen. -
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Siehe, da wolltest du denn wieder gehen. Allein es geschah wie früher, daß du denn doch wieder bliebst und dich ganz langsam zum Tische wieder niederließest und folgende Worte zu deiner Entschuldigung an die W. zu richten anfingst: Wilhelmine! jetzt aber seien Sie ruhig und hören Sie mich an, denn wenn Sie Mutmaßungen in sich wider mich hegen, so gestaltet zwar, daß ich offenkundig daraus ersehen muß, daß Sie sich in Ihrem Herzen ganz grundfalsch berichtet haben, so ist es nun meinerseits nichts mehr als eine brüderliche Pflicht, Sie in Ihrem gewaltigen Irrtume getreu zu berichtigen. Sehen Sie mir so recht fest ins Gesicht, ja in mein offenes gesundes Auge sehen Sie mir, und fragen Sie sich dann selbst, ob ich denn wohl so faustdick hinter den Ohren halte! Meinen Sie denn, ich würde Sie deshalb mit Verachtung ansehen, weil Sie derzeit etwas gewisserart tun, was wenigstens derzeit mit meinen Grundsätzen aus reiner Liebe zum Herrn sich nicht gar wohl vereinigen läßt? - O sehen Sie mir in mein offenes Auge, schaut denn da wirklich etwas so Verächtliches heraus? Hätten Sie meine Augen, so würde Ihnen gewiß ganz sonderbar zumute, so Sie Ihre Brüder und Schwestern sähen mit verbundenen Augen frohwandeln über unabsehbaren Abgründen und Klüften, daraus an eine Erlösung sehr schwer mehr zu denken ist für den unglücklichen Blinden, der da hinabgestürzt ist!
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So Sie jemanden sähen einen Giftbecher ergreifen, daß er ihn austränke bis auf den letzten Tropfen des Todes, wie würde es Ihnen dann zumute, besonders wenn Sie schon einige Spuren der tödlichen Wirkung durch die Adern des Trinkers bemerkten! - Nun, was meinen Sie, was würde das wohl für Wirkungen auf Ihr Gemüt bringen? Oder so Sie mit diesen meinen Augen jemanden sähen auf dem Eise eines gefrorenen Stromes sich ganz unbesorgt herumtummeln, während die Fluten unter dem Eise zu wachsen anfängen und die Eisdecke hier und da zu bersten begönne, und der Mensch wegen seiner Taub- und Blindheit weder Ihre Stimme noch das Krachen der Eisschollen vernähme, ja, und wenn Sie noch dazu bemerkten von ferne her schon hohe Fluten über dem Eise Bergen gleich daherwogen! Fragen Sie sich, wie es Ihnen dann zumute würde und was alles Sie dann tun möchten zur Rettung des fröhlichen Tauben und Blinden. Würden Sie nicht sehnlichst wünschen und beten, daß der Mensch sich nur dem Ufer nähere, daß Sie ihn ergriffen und abzögen von solcher Gefahr, die mit jeder Minute und Sekunde drohender und drohender wird!? - -
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Aber was sind alle diese seichten Beispiele in aller ihrer Schauerlichkeit gegen den leisesten Gedanken nur, der mir einflüstert: Siehe, dein Bruder oder deine Schwester hat nun einen Weg betreten, der von Gott abführt und zur Welt des Todes, ja des ewigen Todes lenkt! - Sie sagten freilich, es hänge Ihr Herz und Leben nicht eben so sehr daran, als ich vielleicht meine. Ich aber frage Sie: Warum hat denn der Herr den Aposteln nicht nur geboten, die Welt und ihre Wege zu fliehen, sondern Er sagte ihnen: ,,So ihr in eine Stadt einkehret und nicht aufgenommen werdet, allda bleibet nicht, sondern da ihr hineingegangen seid, da kehret alsobald zurück, nehmet euren Frieden mit und schüttelt den Staub vor dem Tore von euren Füßen" ().
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So aber der Herr den Aposteln gebot, den ganz unschuldig scheinenden Staub abzuschütteln, der an ihren Füßen kleben blieb, da sie doch als Seine Boten voll heiligen Geistes in Seinem Namen eine solche Stadt betraten, was glauben Sie wohl, liebe W., was der Herr sagen wird zum Staube, der am Fuße eines Tänzers oder einer Tänzerin kleben bleibt, der da erzeugt wird in der Reitschule des Satans!? - Oder lehrt uns nicht schon die Natur selbst, eine wie geringe Portion Giftes schon hinreicht, dem Menschen das Leben zu nehmen, während in der ganzen Natur uns auch nicht ein Mittel bekannt ist, das da eine ebenso große Heilkraft besäße, um den Kranken ebenso schleunig gesund zu machen, wie schnell ein Giftes den Gesunden tötet? Und von einem Mittel aber, den Toten wieder lebendig zu machen, schweigt die ganze Natur, während sie doch zahllose tödliche in unabsehbarer Menge besitzt.
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Und sehen Sie, wie uns schon der Herr durch die Natur lehrt, so lehrte Er einst die Apostel und lehrt Seine Liebhaber noch zur Stunde im Geiste laut sprechend, indem Er uns noch dieselben heiligen Worte beständig zuruft: ,,Höret, ihr finsteren Menschen dieser Welt, Ich allein bin der Weg und das Leben, wandelt auf Meinem Wege! Niemand kann zum Vater gelangen anderswo denn durch Mich; denn Ich allein bin der rechte Weg und die Türe zum Herzen des Vaters - und bin das Herz oder die ewige Liebe des Vaters Selbst."
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Sehen Sie, daraus aber geht ja doch übersonnenklar hervor, daß es somit fürs ewige Leben nur einen Weg und nur ein Mittel gibt, weil der Herr, der ganz allein nur der Weg und das Lebens-Mittel ist, nur ein einziger Herr, nur ein Vater, ein Christus und ein und derselbe heilige Geist aller Macht und Kraft und Liebe und allen Lebens ist, - während es unzählige und unendliche Scharen der Satane und Teufel als Herren der Verdammnis oder des ewigen Todes gibt, von denen jeglicher seine eigenen listigen Wege zum Tode führend besitzt.
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Wenn man aber nun diese ewig unumstößliche Wahrheit so recht betrachtet, so wird es hernach gewiß nicht schwer werden, zu begreifen, warum der liebevollste Herr des Lebens die Apostel vor dem Staube gewarnt hatte, und warum sich jeder christlich sein sollende Mensch noch unendlichmal mehr vor jenem Staube hüten soll, der gar so unglaublich tödlich in des Satans Reitschule aus dem vertrockneten Schlamme aller Unzucht und Hurerei und in so unglaublicher endloser Menge aufgestampft wird mit den verächtlichsten Füßen aller Heuchelei, alles Truges und aller erdenklichen Verführung!
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O sehen Sie nun, liebe Freundin, wer mit innerer Sehe des Geistes diese Verhältnisse so durchschaut, der braucht eben nicht verliebt zu sein, um mit gesenktem Haupte stumm und voll oft trostlosen Mitleides den tödlichen Staub an den Füßen seiner Brüder und Schwestern betrachtend, so manche Fragen irgendeiner im geheimen schon ziemlich bestaubten Schwester zu überhören! - Was Sie mir aber vom leidlichen Verliebtsein etwas scharf vorgeworfen haben, so wäre es für mich wohl sehr schwach, wenn ich Ihnen deshalb sollte mich rechtfertigende Einwendungen machen oder Dinge widerlegen, denen ich an anderen feind bin wegen ihrer ruchlosen Verkehrtheit und sollte sie an mir selbst dulden zum eigenen Verderben, da ich dann bald alles verlieren würde durch meine eigene blinde Torheit.
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Es ist aber ein himmelhoher Unterschied zwischen Liebe und dem verabscheuungswürdigen Verliebtsein: das erste ist uns von Gott geboten, wie das zweite unter dem Namen Hurerei uns auf das furchtbar strengste verboten ist. Sehen Sie nun, so ich aber so wäre, wie müßte ich mich dann als ein berufener Knecht unter den Augen des großen Herrn ausnehmen? -
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Sehen Sie nun wieder, einen wie sehr gewaltigen Hieb ins Blaue Sie da gegen mich, sich selbst ärgernd, gemacht haben!
34
So ich Sie aber gar oft meiner Liebe versichert habe, wie desgleichen auch jeden anderen würdigen Bruder und jede achtbare Schwester, die mir vermöge ihrer inneren Beschaffenheit näherstehen als manche andere, Gottes und alles Sittliche vergessende Menschenlarven, so habe ich fürs erste nichts anderes getan, als was ich als christlicher Mensch schuldig bin besonders der unmündigen Menschheit, deren inneres Auge noch lange nicht geöffnet ist, daß sie ins Herz des Bruders oder der Schwester sehen möchte, ob sich da im Ernste wohl eine wahrhaft christliche Liebe gehaltschwer werktätig vorfindet.
35
Und fürs zweite aber suchte ich Sie auch dessenthalben etwas höher zu meinem Herzen heraufzuziehen, da ich sah, daß die Empfänglichkeit für weltliche Nichtigkeiten bei Ihnen weit vorherrschender ist als die Empfänglichkeit für geistige Erhabenheit. Denn ich sah und sehe noch das Monument Gottes fein beschrieben mit Seinem allerheiligsten Willen in Ihrem Herzen.
36
Sehen Sie, so aber jemand irgendein weltliches Denkmal gesetzt hätte und hätte da hinein einen Stein gelegt, darauf viel Schönes und Rühmliches stünde von Dem, dem das Denkmal gelten soll, - mit der Zeit aber fiele dieser beschriebene Stein durch irgendein kleines Erdbeben vom Monumente, so zwar, daß er sonst unbeschädigt mit der Schrift nach auswärts zu stehen käme am Boden. Wenn nun aber der Stein von irgendeinem Freunde nicht alsobald hoch genug auf das bestehende Monument gesetzt wird, sagen Sie selbst, was dürfte es da mit dem schönen, glatten, beschriebenen Steine alsbald für eine traurige Bewandtnis haben, so die böswillige, schadenfrohe und zerstörungslustige Welt seiner am Boden liegend ansichtig wird? Werden sie nicht alsobald hinzueilen und ihn mit allerlei Schändlichkeiten zu bekritzeln anfangen, so, daß gar bald von der herrlichen Inschrift nichts mehr zu sehen sein wird, und somit diese würdige Lebenstafel und edler Taten Marke endlich einem jeden rohen, nichtssagenden Steine gleichen und am Ende sogar zerschlagen und gänzlich zerstört und vernichtet wird.
37
Sehen Sie, auch Ihr göttliches Monument habe ich schon öfter von diesem herrlichen Steine entblößt getroffen, denselben aber dann liegend auf dem schmutzigen Boden weltlicher Leidenschaftskeime. Um aber diesen Stein wieder zu vereinen mit dem Monumente Ihres Herzens und einig mit sich selbst zu machen, tat ich als ein wahrer Freund durch eine besondere Gnade von Oben, was ich tat, aber nicht, daß Sie mir darob Schande über mein Gesicht rufen sollen!
38
Und was und wie ich war vorher, so werde ich sein fürder. Aber nehmen Sie sich ja in acht vor dem bewußten Staube und daß die besagte Tafel nicht Schaden leiden möchte. Denn wären Sie auch, daher die Kinder Gottes sind, so sollen Sie aber doch desto mehr gedenken, daß Sie sich jetzt auf der giftigen Welt befinden, die mit lauter tödlicher Stickluft umgeben ist - bis zur kleinen Stelle, da der Brunnen Jakobs Lebensluft um sich haucht Amen. -
39
Und siehe, als du diese von Mir dir auch im Traume eingegebene Rede vollendet hattest, da kam das Töchterchen Julie, verfolgt von den zwei Knaben ins Zimmer, da der Paul ein kleines schwarzes Hündchen gegen eine Türe auf sie hetzte, so daß das Hündchen die J. beinahe in den Fuß gebissen hätte, darum du dann aufstandest und wecktest den noch schlafenden Genossen H., der dann alsbald herbeikam und den Knaben P. mit zwei Fingern an den Haaren faßte und ihn strafend ein wenig schippelte. Es blieben aber die Haare, die er gefaßt hatte, in der Hand. Als er darauf aber dieselben besichtigte, so waren diese ganz den Haaren eines Esels ähnlich, worüber der H. zu lächeln anfing und sagte: Na, das heiß' ich doch die Dummheit aus dem Kopfe eines unbändigen Studenten ziehen! - Ah, diese Haare muß ich mir aufbewahren. - Bald darauf kamen alle herbei, und du aber wurdest wach. -
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Siehe, damit ist getreu dir wiedergegeben dein Traum als eine freie Zugabe zur Bereicherung Meiner Gnade in dir und allen jenen, die ihn in ihren Herzen fruchtbringend gleich dem besagten Steine hoch aufrichten werden, - daß sie dadurch dann sich und die Welt in sich gar leicht werden erkennen, was gerade jetzt um so mehr not tut, da Meine siebente und letzte Ankunft knapp vor der Türe steht. Seht nur an den Feigenbaum, und ihr werdet es finden, daß es also ist! ()
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Wer die Welt nun noch liebt und Mich neben ihr, wahrlich, wahrlich, der wird nicht aufgenommen werden von den zweien auf dem Felde, in der Mühle und im Bette! ()
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Darum bewahret eure Füße vor dem Staube der Welt, damit nicht alsobald die Pforten Meines Reiches vor euch abgeschlossen werden auf ewig. Denn so ihr schon heiklig seid mit den frisch gewaschenen Böden eurer Gemächer, da ihr doch voll Schmutzes seid außen und innen, um wieviel mehr werde Ich mit Meiner heiligen Stadt es sein! Das bedenket wohl, ihr Weltbestaubten, und Wer der ist, der solches redet amen; denn Ich, der Anfang und das ewige Omega selbst bin Es amen, amen, amen. () - -