Die Natürliche Sonne
Mitteilungen über unsere Sonne und ihre natürlichen Verhältnisse
- Kapitel 55 -
Der Treubaum, das lebendige Schilf und der fliegende Brotbaum
Da wir schon unsere Betrachtungen auf diesem Planeten bei der Pflanzen- und Tierwelt angefangen haben, so wollen wir uns auch noch eine Zeit dabei aufhalten und allda noch so manches Seltsame erschauen.
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Unter den überaus vielen Baumgattungen dieses Planeten zeichnet sich der sogenannte ewige Baum vorzüglich aus. Dieser Baum ist auch der einzige dieses Planeten, der niemals seine Form und Beschaffenheit ändert; weshalb er auch von den Bewohnern des Planeten Miron als ein Sinnbild der Treue aufgestellt wird. Er wächst überaus hoch, macht wenig Äste, und diese nie weit vom schlanken Stamme treibend. Seine Frucht ist daher auch stets eine und dieselbe. - Wie sieht aber die Frucht aus, und in was besteht sie?
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Damit wir diese Frage voll beantworten können, wird es notwendig sein, zuvor mit dem Baume selbst eine etwas nähere Bekanntschaft zu machen, durch welche sich dann obige Frage von selbst beantworten wird. Dieser Baum wächst ungefähr also aus dem Erdboden wie bei euch die Korallenbäumchen aus dem Grunde des Meeres. Er hat nicht ein eigentliches Holz, das da sein wesenhafter Bestandteil wäre, sondern der Stamm samt den Wurzeln und Ästen besteht aus einer mineralischen Substanz, ungefähr aus derselben wie die Muscheln bei euch. Er ist daher auch ohne Rinde und ganz glänzend glatt, ins Weißbläulichmetallene schillernd. Die Äste jedoch sind ganz vollkommen weiß. Der Stamm dieses Baumes, besonders eines von einem hohen Alter, ist nicht selten bei drei- bis vierhundert hoch und hat am Boden einen Umfang von zwanzig bis dreißig Klaftern. - Wie wenig Äste ein solcher Baum im Verhältnis zu seiner Größe hat, könnt ihr aus dem ersehen, daß selbst der größte deren nicht über zwanzig zählt; und keiner der Äste reicht über fünf Klafter vom Stamme hinaus.
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Diese Äste selbst sind ebenso fest und unbeweglich wie der Stamm selbst; sie bestehen bloß in einem ziemlich runden und starken Stiel, der sich ganz waagrecht vom Stamme hinwegzieht. Zu beiden Seiten, in horizontaler Richtung, ist ein solcher Ast mit einer Art Rechen versehen, das heißt, er sieht so aus, als hätte man diesem Aste an beiden Seiten verhältnismäßig lange Sprossen eingepfropft. Diese Sprossen werden natürlich gegen das Ende des Astes kürzer und schwächer. - Das sind sonach die Zweige des Astes.
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Ein jeder solcher Zweig läuft in eine Menge kleiner Röhrchen aus, durch welche fortwährend ein süßer Saft dringt, sich allda zu Tropfen bildet, und dann, etwas klebrig, auf die Erde hinabträuft. Dieser Saft bildet fürs erste den ganzen Baum und alle seine Bestandteile; was davon zur Bildung des Baumes tauglich ist, wird von ihm auch aufgenommen; nur das für den Baum Untaugliche wird als ein süßer und etwas klebriger Tropfen ausgeschieden. Wenn dieser Saft eine Zeitlang der Luft ausgesetzt ist, so wird er am Ende zu einem süßen Mehle, gleich dem Mannatau, - welches Mehl dann die Bewohner dieses Planeten sammeln, es mit der Milch ihrer Hausziegen vermengen und sodann als eine ihnen besonders wohlschmeckende Speise verzehren.
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Nun sehet, hier ist die vorige Frage schon beantwortet; aber auch zugleich , warum dieser Baum der ,,ewige" und ,,getreue" genannt wird. - Der ,,ewige", weil er fürs erste, wie schon gesagt, seine Form nie ändert, fürs zweite aber beinahe nie abstirbt, und fürs dritte, weil er durch sein beständiges Tropfen unablässig Früchte abwirft. - Aus diesem Grunde wird er auch der ,,getreue" genannt, weil man unter seinen Ästen allezeit seine Früchte findet. Daher auch die Bewohner dieses Planeten den Boden unter diesem Baume beinahe spiegelglatt, damit dadurch ja nichts von seinem köstlichen Safte verlorengehen möchte.
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Sehet, obschon dieser Baum beständig ist, so ist er aber dessenungeachtet von einer sehr wunderbaren Art und gehört mehr unter das Tierreich als unter das Pflanzenreich. Denn sein ganzer, gewisserart mineralischer Wesensgehalt ist nichts als eine Ansammlung von kleinen Tierchen, welche sich auf irgendeinem ihnen zusagenden Teil des Erdbodens angesammelt und durch das Ablegen ihrer Hüllen eben diesen Baum gestaltet haben.
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Ihr werdet hier fragen, wie solches wohl zuging und wie in einem solchen mineralischen Klumpen ein Saft in die Höhe steigt? - Nur eine kleine Geduld! Sogleich soll euch diese Sache anschaulicher gemacht werden. - Diese Tierchen, woraus ein ganzer solcher Baum von der Wurzel aus gebildet wird, sind lauter runde Scheibchen, welche zuunterst, in der Mitte des Scheibchens, zwei kleine Füßchen zum Auf- und Niedersteigen haben. Auf der einen Kante des Scheibchens, vor den Füßen, befindet sich eine Saugöffnung und an der hinteren Kante des Scheibchens der Entleerungskanal. - Diese Tierchen, wenn sie sich einmal satt gesogen haben und sich auch jedes tausendfach reproduziert hat, kriechen sodann vollkommen horizontal übereinander und bilden dadurch lauter vollkommen runde Säulchen, wovon ein jedes Säulchen wohl kaum eine im Durchmesser hat. Diese Säulchen reihen sich fest nebeneinander auf, so daß immer drei Säulchenreihen aneinanderstoßen. Dadurch aber entsteht zwischen einer jeden solchen Dreisäulchenreihe eine spitzig dreieckige Röhre, durch welche der Saft vom Grunde auf, nach dem Gesetze der Haarröhrchen-Anziehungskraft, zu jeder Höhe emporsteigt.
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Hat der Saft irgendeine ausmündende Stelle erreicht, - welche allzeit an den Ästen angebracht ist, und das zwar durch den natürlichen Instinkt dieser Tierchen, besser gesagt aber durch die ihnen innewohnende geistige Intelligenz, - so wird er von den an solchen Mündungen befindlichen, noch fortwährend lebenden Tierchen alsbald eingesogen oder aufgezehrt. Der Unrat hernach, welchen diese Tierchen von sich lassen, ist dann eben dieser klebrige Saft, der da von den Ästen herabträuft und als die Frucht dieses sicher denkwürdigen Baumes angesehen wird. - Wenn ihr nun dieses bedenket, so wird euch das Wunderbare dieses Baumes nicht entgehen.
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Es fragt sich nur noch dabei, ob ein solcher Baum im Ernste gar nie abstirbt? - Dieser Baum stirbt geradeso ab, wie bei euch das Gestein der Gebirge. Wenn er nämlich durch irgendwelche Elementarereignisse beschädigt wird, so geschieht es, daß er zu verwittern und nach und nach wieder ins gewöhnliche Erdreich überzugehen anfängt. - Das wäre sonach ein sehr beachtenswerter Baum.
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Ein zweites Gewächs fast derselben Art ist das sogenannte lebendige Schilf. Dieses wächst ebenfalls zu einem ziemlich hohen Stamme empor, manchmal zu einer Höhe von hundert , und sieht beinahe so aus, wie wenn ihr lauter Trichter ineinandergesteckt hättet, welches natürlich also aussieht, als hättet ihr an eine Stange ziemlich große Ringe an Ringe gesteckt. Zwischen diesen Ringen oder Trichtern schwitzt ebenfalls ein süßer, klebriger Saft hervor, welchen besonders das Reich der Insekten sehr liebt. Wenn sich aber die Insekten an dem Safte satt gespeist haben, so gehen sie auch bei ihrer Mahlzeit zugrunde. Auf diese Weise werden dann auch diese Ringgalerien mit den Leichen der Insekten angefüllt. Und gar bald geht auch allda eine Übergangsszene vor sich, und man erblickt aus diesen Ringen allerlei Kraut hervorwachsen, durch welches dann dieser im Grunde tierische Baumstamm ein ganz vollkommen Aussehen bekommt. Er macht beinahe die Figur, wie bei euch auf der Erde in den Gärten die beschnittenen Pappeln, welche da ebenfalls, wie ihr schon öfters gesehen haben werdet, das Aussehen von grünen Säulen haben. - Sind allfällige Früchte einer solchen Anpflanzung genießbar, so werden sie ohne weiteres von den Bewohnern in Empfang genommen. Sind aber die Früchte nicht genießbar, so werden sie natürlicherweise unangetastet und unbeschädigt gelassen. - Dieser Schilfbaum ist demnach an und für sich, bloß als Stamm betrachtet, ebenfalls unveränderlich; aber durch diese ändert er sich dann natürlicherweise dem Äußeren nach, indem aus dem Pflanzentum, das aus seinen Ringen auf die vorbeschriebene Weise entsteht, bald wieder ein Tierreich und bald wieder ein Pflanzentum entstehen kann. - Sehet, das wäre demnach wieder ein denkwürdiges Gewächs.
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Einer der merkwürdigsten Bäume dieser Art aber ist das dort sogenannte fliegende Brot. Wie ist denn solches möglich, eine fliegende Pflanze, ja sogar einen fliegenden Baum zu sehen? - Dies nimmt euch im ersten Augenblick wohl etwas wunder; allein die Folge wird die Sache ganz begreiflich machen. - In den mehr sumpfigen Gegenden entwächst dem Boden eine Art Baum, der beinahe den sogenannten Korallen- oder auch Hirschhornschwämmen bei euch gleicht. Dieser Baum wächst nicht selten zu einer Höhe von fünfzig und hat zuunterst an dem verhältnismäßig sehr kurzen Stamme manchmal einen Umfang von sechzig Klaftern. - Der Baum besteht in seiner Wesenheit aus lauter Zellchen und Röhrchen, die durch ihre eigene Anziehungskraft recht fest aneinanderhängen und also ein Ganzes bilden, wie ungefähr die Zellchen und Röhrchen des vorher erwähnten Schwammes bei euch; nur mit dem Unterschied, daß die Zellchen und Röhrchen eures Schwammes sehr zart und gebrechlich sind, während sie bei diesem Baum unseres Planeten von zäher und elastischer Art sind. - Wenn dieser Baum einmal seine gehörige Größe und sein Alter von etwa zehn Jahren erreicht hat, sodann verschließen sich zuunterst seine Einsaugkanälchen (denn Wurzeln hat dieser Baum keine, da er auch dort ins Reich der Schwämme gehört). Haben sich aber diese Einsaugkanälchen geschlossen, dann vertrocknet in den Zellchen und Röhrchen der Saft. Durch das Vertrocknen dieses Saftes aber entwickelt sich dann in einem jeden Zellchen und Röhrchen eine Luft, welche zufolge der elastischen Zähe der Röhrchen nicht entweichen kann. Da diese Luft bei weitem feiner und leichter ist, als die schwere atmosphärische Luft dieses Weltkörpers, so geschieht es dann, daß die leicht gewordene Materie des Baumes von seiner eigenen Luft vom Erdboden gewisserart abgerissen wird; und der Baum selbst steigt dann, gleich einem Luftballon bei euch, in die Höhe und verweilt manchmal mehrere Tage lang in der Luft herumfliegend. - Hat sich mit der Zeit diese leichte Luft aus seinen Zellchen und Röhrchen durch die freilich wohl sehr engen Poren entladen, dann fängt auch der Baum wieder an, hinab zum Erdboden zu sinken. Wenn die Bewohner dieses Planeten irgend so einen schon ziemlich nieder in der Luft schwebenden Baum erblicken, so geben sie sich alle erdenkliche Mühe, mit Haken und Stangen sich dieses Baumes zu bemächtigen. Wie sie seiner habhaft werden, so wird er alsbald zerlegt und an den Strahlen der Sonne noch mehr getrocknet. Wenn er aber nach ihrer Wissenschaft den gehörigen Grad der Trockenheit erlangt hat, so wird er auch sogleich als ein recht wohlschmeckendes Brot bei Butz und Stengel aufgezehrt, - das heißt, nicht auf einmal, sondern nach und nach dem Bedarf gemäß.
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Sehet, jetzt wissen wir, warum dieser Baum das fliegende Brot heißt, und was die Ursache seines Fliegens ist. - Nächstens des Wunderbaren mehr!