Predigten des Herrn
- 6. Predigt -
Am Sonntage nach Weihnachten. Die Darstellung Jesu im Tempel
Dieses Kapitel handelt im Anfang von Meiner Geburt, später von Meiner Beschneidung und dann von den drei Tagen, welche Ich im zwölften Jahr im Tempel zu Jerusalem zubrachte. Es sind in diesem Kapitel die Ankunft der drei Weisen aus dem Morgenland, der Kindermord und noch weiteres - wie die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr nach dem Tod des Herodes - verschwiegen. Auch Ich will das meiste davon übergehen, da ihr es aus dem Evangelium Jakobs, Meiner Jugendgeschichte, und anderen Aufzeichnungen Meiner Apostel wißt.
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Wir wollen also bei dem oben angeführten Text stehenbleiben, wo es heißt: ,,Joseph und Maria wunderten sich."
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Worüber wunderten sie sich?
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Sie wunderten sich über die prophetischen Worte Simeons und die Aussagen Hannas, die beide mit geistigem Auge in dem zur Beschneidung nach Jerusalem gebrachten Kind den Erlöser nicht nur der Juden, sondern der ganzen Menschheit erkannten, welcher gekommen war, den Geist von dem Zwang der Materie zu befreien.
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Daß Joseph und Maria es nicht verstanden, was ihnen jene beiden prophezeiten, ist leicht einzusehen; denn wer von der Empfängnis Marias angefangen bis zur Geburt und Tempeltragung, all das rätselhaft Mystische in Betracht zieht, wird leicht bemerken können, daß weder Maria noch Joseph wußten, wie sie sich dazu zu verhalten hatten.
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Obgleich die Juden gewohnt waren, durch Propheten direkte Mitteilungen von Mir zu erhalten, so war es bei ihnen doch auch, wie es stets ist: sie glaubten ihnen wenig, solange diese lebten, und ihre Aussagen gewannen erst Wert, wenn sie anfingen in Erfüllung zu gehen.
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Sie hofften auf einen Messias, - nur war ihre Hoffnung auf weltliche Wünsche gegründet; sie hofften auf einen Messias, der, vielleicht in einem Palast geboren, als ein großer Held sie einst vom verhaßten Joch der Römer befreien sollte. Daß aber ein Kind eines Zimmermanns, als den sie Meinen Nährvater kannten, ihr Erlöser werden sollte, das lag außer dem Bereich ihrer gehegten Hoffnung, außer ihrer Fassungskraft.
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Deshalb staunten auch Joseph und Maria ob der Worte Simeons und Hannas. Maria hatte ja in kurzer Zeit so Wunderbares an sich erlebt, daß sie nicht wußte, was mit ihr geschehen war und was sich noch ereignen würde. Sie gebar einen Sohn, ohne die Hinneigung zu einem Mann gekannt zu haben. Sie war Mutter, ohne eigentlich das Muttergefühl in seiner ganzen Fülle zu kennen; denn im allgemeinen ist ein Kind erst das Glied, das die Lebenswege des Mannes und des Weibes verbindet und sie zu einem Ganzen, zu einer Familie zusammenfügt.
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So war Maria Mutter und fühlte wohl die Freude, eine Frucht ihres Leibes vor sich zu sehen; allein es war mehr Mitleidsgefühl für den unmündigen Säugling als das Wonnegefühl einer Mutter, ein Pfand der Liebe ihres Gatten an die Brust zu drücken. So begriff sie nicht und konnte es nicht begreifen, was bei ihrer Empfängnis, was bei der Geburt und ferner geschah; denn sie handelte nur nach Weisung höheren Einflusses und verhielt sich dabei mehr passiv als aktiv, als Weib und Mutter nur ihren Gefühlen folgend, welche sie an ihren Säugling banden.
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Dieses unbewußte Gefühl wurde natürlich gesteigert, als sie zu den Zweifeln und bangen Ahnungen, welche nur sie allein im Busen zu tragen glaubte, das gleiche und noch Größeres von anderen erfuhr, als sie das Jesuskind in den Tempel trug. Durch die gesetzmäßige Beschneidung und Opferung sollte Ich als Kind in die israelitische Religion aufgenommen und in ihr erzogen werden.
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Was Simeon sagte, war ihr ein noch größeres Rätsel, um so mehr, als er das Kind als Das erkannte, wovon sie noch keine Ahnung hatte und haben konnte. Was sie aber noch weniger begriff, waren Simeons letzte Worte, welche so lauteten:
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,,Siehe, Dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen des Volkes Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird (und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen), auf daß vieler Herzen Gedanken offenbar werden!"
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Daß aus ihrem Sohn etwas Außerordentliches werden könnte, war für sie denkbar - waren ja die Empfängnis, die Geburt usw. mit so außerordentlichen Erscheinungen begleitet -; doch einen Gott als Mensch unter dem Herzen getragen zu haben und den zu erwartenden Messias den geistigen Wiederhersteller nicht allein ihres Volkes, sondern der ganzen Menschheit, das waren Begriffe, die in ihrem Kopf keinen Platz fanden. Sie hat Mich noch bei Meinem Kreuzestod nicht als Gott, sondern nur als Menschen, als ihren Sohn beweint; erst durch die Auferstehung wurde sie, wie auch Meine Apostel, in dem bekräftigt, was Ich ihnen oft gesagt hatte.
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Das Schwert, welches in Zukunft durch ihre Brust gestoßen wurde, war der mütterliche Schmerz; denn hätte sie gewußt und erkannt, wer Ich eigentlich war, so hätte sie nicht trauern, sondern bei Meinem Hingang frohlocken sollen.
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Ich selbst habe es ihr und Meinen Aposteln oft vorausgesagt, was Mir bevorstehen und wie Ich den Tod und die Hölle überwinden werde; allein, wo ist die Überzeugung - besonders in jenen Zeiten der Propheten und wunderwirkenden Essäer -, daß Ich, ein Mensch mit Fleisch und Knochen wie sie, der ißt und trinkt, ein Gott, und zwar der Herr aller Heerscharen sei, der in menschlicher Form, beim unmündigen Kind angefangen, am Kreuz - in jener Zeit das Zeichen der Schande und Entehrung - enden sollte!
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Deswegen waren Joseph und Maria erstaunt. Sie begriffen nicht, wer Der sei, welcher gekommen ist zum Fall und Auferstehen der Juden, - zum ,Fall`: die Zerstörung des Judenreiches fünfzig Jahre nach Meinem Heimgang, und zum ,Auferstehen` vieler Juden zu Christen, sowie die Veränderung des Kreuzzeichens, - früher Zeichen der Schande, später Zeichen der höchsten Verklärung.
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Und wenn Ich wiederkomme, glaubt ihr, es werde dann mehr Verständnis unter den Menschen sein? Mitnichten! Es wird auch dann eine Masse Bewunderer geben, die Mich, für nichts anderes ansehen werden als einen von Gott begeisterten Menschen. Bei Meiner künftigen Darniederkunft, welche natürlich nicht wie einst als Kind, sondern im Mannesalter anfangen wird, wird es auch viele Zweifler geben, und Ich werde vielen Mein Gottsein durch Wunder beweisen müssen, weil die Kraft des Wortes allein bei ihnen nichts ausrichten würde.
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So wird sich Meine Jugendgeschichte zumindest stets in ihren Hauptzügen und Ereignissen wiederholen, nur nicht in materieller, sondern in geistiger Hinsicht, weil dann das geistige Verständnis bei weitem ausgebildeter sein wird und die Gläubigen in der Mehrzahl, die Ungläubigen und Zweifler in der Minderzahl sein werden.
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Seht, Meine Kinder, wie Ich Mich einst nach jüdischem Brauch der Beschneidung unterzogen habe, so laßt auch ihr euch mit der geistigen Taufe - gleich der Beschneidung als erster Schritt und Eintritt in eine Kirchengemeinde -, mit dem Geiste Meiner Liebe taufen! Entfernt aus eurem Herzen, was nicht dorthin gehört, fangt an, Mich und Meine Welt tagtäglich immer mehr zu begreifen, damit nicht auch euch ein Schwert durch die Brust gestoßen werde und ihr, dem Weltlichen zu viel Wert gebend, beweint, was der Trauer nicht wert ist!
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Befleißigt euch, die Dinge zu nehmen, wie sie sind, und erfüllt so jeden Tag eure Aufgabe auf diesem Erdball, solange euer Wandel hier noch bestimmt ist, damit ihr nichts zu bereuen und nichts zu beweinen braucht, wenn die ernste Stunde des Scheidens schlägt.
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So mögt ihr, wie Maria, als Ich zum Vater heimging, Mich erkennen, - erkennen, daß Der, den ihr als Christus wohl kennt, bei weitem größer und liebreicher ist, als ihr Ihn euch vorgestellt habt, daß aber auch Meine Forderungen an euch strenger sind, als ihr dachtet.
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Viele leben jetzt, glauben und lieben Mich wie Maria Mich zu Lebzeiten geliebt hatte. Allein das genügt nicht. Maria erkannte erst am Kreuz und bei Meiner Auferstehung, daß Der, den sie geboren, kein Mensch, sondern Gottes Sohn, das heißt die von der Liebe getrennte Weisheit war, der nach dreitägigem Im-Grabe-liegen wieder in Sein Himmelreich zurückkehrte und später nicht mehr körperlich, sondern nur vergeistigt Seinen harrenden Aposteln und Seiner Leibesmutter erschien.
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Macht, daß auch in euch Christus auferstehe, wie Er ist und war, damit ihr euch einst nicht zu verwundern braucht, wenn ihr Ihn anders als gedacht findet.
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Dies zur Mahnung und Darnachachtung! Amen.