Von der Hölle bis zum Himmel: Die Jenseitige Führung des Robert Blum
Band 1
- Kapitel 70 -
Ehegeschichte des Pathetikus. Der hilfreiche General
Spricht der Pathetikus: ,,Bruder Max, du hast nun gut, wahr und aus dem Leben gegriffen gesprochen! - Auch ich war von Geburt aus nur ein Landjunker, wie du weißt. Meine Eltern haben nie zur Klasse der Wohlhabenden gehört und konnten mir somit auch keine andere Erziehung geben, als sie selbst hatten. Der Zufall wollte es, daß ich zum Militär kam. Ich war ein sauberer Bursche und hatte das Glück, meinen Oberst für mich eingenommen zu machen. Er gab mich in die Regimentsschule, in der ich binnen kurzem gut lesen, schreiben und rechnen lernte. In den sonstigen Dienstsachen war ich bald einer der Gewandtesten im ganzen Regiment. Die natürliche Folge davon war, daß ich Gefreiter, Korporal, Feldwebel und schließlich nach sieben Jahren schon Offizier wurde. Jung, sauber, lustig und geschickt, und Offizier! Denke, daß ich auch im Punkt des schönen Geschlechts bei solchen Eigenschaften nicht zurückblieb.
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Zum Unglück lernte ich bei einem Erzaristokraten eine seiner Töchter kennen, und das bei Gelegenheit eines Balls, den er dem Offizierkorps gab. Sie war von Geburt eine Baronesse und ihr Vater obendrauf ein ungeheuer reicher Mann. Das Mädchen gefiel mir, und ich ihr wahrscheinlich noch mehr. Kurz, sie fing Feuer und gab es mir unzweideutig zu verstehen, was sie für mich fühle! Ich, von Geburt ein Landwirt und gegenüber dem Baron arm wie eine Kirchenmaus, nur durch meine Leibesvorzüge und nicht durch Verdienst Offizier, das reimte sich wohl schlecht zusammen. Aber was fragt rechte Liebe nach Geburt und Reichtum!
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Wir beide waren also ineinander über Hals und Kopf verliebt, und unser Wunsch war natürlich kein anderer, als einander ehestmöglich zu heiraten. Aber wie? Wie des erzaristokratischen, reichen Vaters Einwilligung erhalten und ihn zur Legung der vorgeschriebenen Kaution bewegen? Ich steckte mich hinter alles, was mich beim Vater nur immer protegieren konnte. Der Erfolg war, daß mir das Haus auf höfliche Art verboten wurde. Was nun?
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Mein Oberst, der mich wie einen Sohn liebte, riet mir, den Dienst zu quittieren, dann nach England zu reisen und mir dort eine bedeutende Militärstellung zu kaufen. Zu diesem Behufe wolle er mir, selbst ein sehr reicher Kavalier, das nötige Geld ohne allen Rückhalt vorschießen. Ich befolgte seinen väterlichen Rat auf das pünktlichste. Kurz, im Verlauf eines halben Jahres war ich, da ich mich zur Marine wandte, erster Kapitän eines Kriegsschiffes, das nach kurzer Zeit die Bestimmung erhielt, nach Ostindien zu segeln. An Tapferkeit fehlte es mir nicht, und die Nautik hatte ich mir bald zu eigen gemacht.
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Nur zu bald boten sich mir tausend Gelegenheiten, mich als Feldherr auszuzeichnen. Alle Operationen, die mir anvertraut wurden, habe ich glänzend durchgeführt, und so fehlte es auch nicht an gebührenden Auszeichnungen. Nach etwa vier Jahren kehrte ich nach England zurück, geadelt und auch sehr reich. Dort bekam ich einen halbjährigen Urlaub, den ich natürlich benützte, um meine Heiratsgeschichte in Ordnung zu bringen.
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Als ich in meinem Vaterland ankam und gottlob meine Eltern und Geschwister am Leben fand, war darauf mein erster Gang in die Stadt, wo sich mein guter Vater Oberst nun schon als Generalmajor befand. Die Freude über unser Wiedersehen war groß. Meine erste Sorge war, ihm die große Schuld abzutragen. Aber er nahm nichts an und sagte, als ich ihm blankes Gold auf den Tisch legte: ,Mein liebster Freund, Sie wissen, daß ich nie verheiratet war und keine Kinder habe. Sie sind mein einziger Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe, und somit auch der Erbe meines sämtlichen Vermögens. Diese Kleinigkeit aber betrachten Sie als ein väterliches Vorgeschenk und machen davon auch keine Erwähnung mehr!`
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Daß mich eine solche Erklärung bis zu Tränen rühren mußte, das versteht sich von selbst. Wer wohl könnte einem solchen Edel- und Ehrenmann gegenüber ungerührt bleiben? Als wir uns so recht wacker ausgesprochen hatten, so fragte er mich, ob die bewußte Baronesse nie an mich, oder ich an sie geschrieben hätte. Ich erwiderte, daß ich ihr dreimal geschrieben habe, aber leider auf keines dieser Schreiben eine Antwort erhielt. Daß ich aber nun mit diesem Besuch, den ich ganz besonders ihm, meinem größten Freund, schuldig war, auch noch eine Anfrage an den Baron um die Hand seiner Tochter verbinden möchte.
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Der Generalmajor war damit sehr zufrieden, obschon er mir nicht verhehlte, daß der Baron mit seiner Tochter jetzt noch ein anspruchsvolleres Wesen treibe als ehedem. Reichtum sei kein Köder für ihn, ebensowenig auch das Verdienst eines unadelig Geborenen, sondern bei diesem bornierten Aristokraten zähle bloß die Geburt und der hohe Adel. Er habe auch deshalb den ihm vom Kaiser verliehenen Grafentitel zurückgelegt, weil er dadurch zu einem jüngsten Grafen würde, während er sonst doch der älteste Baron sei!
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Daß diese Erklärung auf mein Gemüt keinen sehr günstigen Eindruck machte, läßt sich leicht begreifen. Ich war wohl auch nun ein Edelmann. Aber wo wären bei mir die erforderlichen wenigstens sechzehn Ahnen zu suchen gewesen? Aber der Generalmajor meinte, ich solle dennoch dem Alten meine Aufwartung machen und ihm dabei recht viel Abenteuerliches erzählen von Meeresstürmen, Seeschlangen und Seeschlachten, wovon der Baron ein großer Freund sei; vielleicht gelänge es mir, das Herz des alten Kauzes zu gewinnen!
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Ich befolgte den Rat meines Freundes und wurde vom Alten mit großer Auszeichnung empfangen, was ich für ein gutes Vorzeichen hielt.
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Das Beste an der Sache war das, daß mich meine Emma noch mit derselben Glut liebte wie ehedem. Sie hatte meine Briefe richtig erhalten, mußte dieselben jedoch nur stumm und unter vielen Tränen in ihrem Herzen beantworten. Ich bot natürlich alles auf, um den Alten in Punkto seiner Tochter mir geneigt zu machen. Aber da war alles vergebliche Mühe! Kurz, ich stand nach einem Vierteljahr auf demselben Punkt mit ihm wie am ersten Tag meines Besuches.
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Was ist da zu machen? fragte ich meinen Freund. Nach einer Weile sagte er: ,Ich will Ihnen durchaus keinen bösen Rat erteilen; aber so Sie hier zum Ziel gelangen wollen, so müssen Sie sich schon auf einen Gewaltstreich verlegen. Das Mädchen ist nun nahe an sechsundzwanzig Jahre alt, also vollkommen majorenn und kann über Herz und Hand disponieren, wie es will. Hat es den Mut, sich auch ohne die Einwilligung ihres Vaters zu verheiraten, da nehmen Sie Ihre Emma nur vom Fleck weg! Ich denke, weil das Mädchen selbst Ihnen unlängst den Vorschlag zu einer Entführung machte, so dürfte es auf meinen Vorschlag doch noch eher eingehen, weil er sich auf dem Boden der Gesetzlichkeit befindet. Wenn aber dieser Plan scheitern sollte und Sie hier zu keiner Trauung kämen, dann freilich müßten Sie den Gewaltstreich der Entführung schnell und wohlberechnet wagen und sich dann in England trauen lassen. So es kein anderes Mittel zur Erreichung des Zieles gibt, wird Ihnen am Ende nichts anderes übrig bleiben. Sie werden zwar sicher verfolgt werden! Aber das lassen Sie nur mir über; ich werde die Verfolgung schon so leiten, daß Sie sicher nicht eingeholt werden. Das Weitere werden Sie dann schon selbst zu veranstalten wissen.`
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Dieser Rat gefiel mir natürlich, und ich führte schon bald den Gewaltstreich aus, weil sich der Ausführung der Heirat unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg stellten. Wie mir hernach von seiten meines Freundes bekanntgemacht, wurde ich auch verfolgt. Aber da mein Freund die Verfolgung zu lenken wußte und fürs zweite das Meer keine Balken hat, so kam ich gut davon. Meine Fregatte betretend, ließ ich mich sogleich von unserem katholischen Schiffskaplan trauen und die Trauung gehörig dokumentieren. Damit war soweit alles in Ordnung, was sozusagen die bloße Heirat betrifft."