Von der Hölle bis zum Himmel: Die Jenseitige Führung des Robert Blum
Band 1
- Kapitel 71 -
Des Pathetikus Ehehimmel umdüstert sich. Das wahre Gesicht der Gattin
Spricht Pathetikus weiter: ,,Ich sah nun nichts als ein Paradies vor mir, da ich nun das Ziel erreicht hatte. Aber leider stiegen um mein Paradies nur zu bald die düstersten Wolken auf!
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Meine Emma wurde stets mehr von Gewissensbissen gepeinigt, daß sie ihren Vater verlassen hatte, sie wurde daher von Tag zu Tag mißmutiger, bereute den Schritt und verwünschte die Stunde, in der sie mit mir die erste Bekanntschaft gemacht hatte. Ferner wuchs bei ihr auch das Heimweh, so daß ich ernstlich um sie zu sorgen anfing. Ich bot alles auf um ihr vom Leben andere Begriffe beizubringen, aber alle meine Mühe war vergeblich! Und so blieb mir schon nach Verlauf von einem Jahre nichts übrig, als meinen Dienst in England zu quittieren und mich dann mit meiner Ehehälfte als wohlhabender Privatmann nach Wien zurückzuziehen.
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Dort angelangt, wollten wir zu Emmas Vater, um womöglich seine Vergebung zu erlangen. Aber er - wahrscheinlich mehr aus Gram als an einem Nervenfieber - war leider dahin!
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Jetzt war es bei meiner Emma völlig aus. Ihre hochmütigen Geschwister machten ihr die bittersten Vorwürfe und machten sie gleichsam zur Mörderin ihres Vaters, der noch sterbend die Hände nach seiner einzigen Emma ausgestreckt hätte! Solche Nachrichten brachten sie aufs Krankenlager und mich um mehrere Tausende. Sie wurde jedoch wieder gesund und verlangte von mir nicht selten Opfer, die ich kaum erschwingen konnte, die ich ihr aber dennoch mit aller Zartheit darbrachte. Der Zufall wollte nun, daß ihre Geschwister nach ein paar Jahren starben, wodurch mein Weib, Mutter von zwei Töchtern, die alleinige Erbin eines großen Vermögens wurde. Da sollte man denken, dies werde meine Emma wieder fröhlicher und mir geneigter machen.
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Aber nach der Erbschaft erfuhr ich erst, wer sie und wer ich war! - Ihre frühere Gemütskrankheit hatte sich zwar bald nach dem Empfang ihrer Erbschaft gelegt. Aber an ihre Stelle trat eine andere, nämlich die unersättliche Begierde nach Glanz, Pracht und Vergnügungen aller Art.
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Einmal eröffnete ich ihr mit der größten Zartheit, daß so ein Leben nicht in der Ordnung sei und im Grunde sie mich viel unglücklicher gemacht habe als ich sie. Und daß ich in England schon ein Admiral sein könnte, so ich nicht ihr zuliebe dort meine Offiziersstellung verkauft hätte und nach Wien gezogen wäre! Als ich ihr solches unter Tränen sagte, da war der Teufel vollkommen los! Ohne mir ein Wort zu erwidern, lief sie hastig in ihr Gemach, brachte mir Papiere im Werte von zweimalhunderttausend Gulden und sprach: ,Da, mein Herr Gemahl, von Geburt ein Schweinehalter, empfangen Sie, was ich Sie allenfalls gekostet habe! Verlassen Sie meine Wohnung und sehen Sie sich um eine andere um! Auch steht es Ihnen frei, die paar Bälge von Kindern mitzunehmen; denn mit derlei Geschöpfen kann ich mich nicht abgeben, die mir leider in meiner großen Verblendung ein Bauernjunge gezeugt hat! Adieu, wir sind quitt!`
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Mit diesen Worten warf sie die Tür hinter sich zu, und ich stand mit den zwei weinenden lieben Töchterchen wie versteinert da. Ich ging nach ein paar Stunden selbst zu ihr hin, wurde aber nicht vorgelassen. Der Kammerdiener sagte mir, daß die gnädige Frau Baronin es wünsche, daß ich sogleich aus dem Hause ziehen solle. Ich bedeutete dem Kammerdiener, er möge der Gnädigen vermelden, daß ich weder ihres Geldes noch ihres Hauses bedarf. Ich werde mit meinem eigenen, redlich erworbenen Vermögen mich samt den zwei Kinderchen schon durchbringen!
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Darauf eilte ich sogleich in mein Zimmer und berief meine Dienerschaft. Ich gebot ihnen: ,Packt schnell alle meine Sachen zusammen, denn wir müssen heute noch aus dem Hause. Hole einer von euch noch andere Taglöhner, damit die Sache hurtiger vom Fleck geht!` Meine Dienerschaft machte große Augen und lange Gesichter, fügte sich aber emsig meinen Befehlen.
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Als ich gerade mit dem Einpacken beschäftigt war, pochte jemand an meine Tür. Wer war's? Mein guter Generalmajor, der gerade an diesem Tag in Geschäften nach Wien kam! ,Was sehe ich, was tun Sie? Ziehen Sie denn aus?`, waren seine Worte. Ich erzählte ihm natürlich alles, was vorgefallen war, und das alles ohne meine allergeringste Schuld!
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Der General wußte anfangs nicht, ob er lachen oder sich ärgern solle. Nach einer Weile erst faßte er sich und sprach: ,Mein armer, geliebter Freund, beruhigen Sie sich! Wenn Ihre Gemahlin so ist, da seien Sie von Herzen froh, daß Sie auf eine so honette Art diese adelige Dame los geworden sind! Aber diese wertvollen Papiere behalten Sie für Ihre Kinder, denn da wären Sie wohl nicht recht gescheit, ihr diese namhafte Summe für nichts und wieder nichts zurückzulassen!`
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Als der General mich so tröstete und belehrte, trat der Kammerdiener der Gnädigen barsch ins Zimmer und sagte: ,Die Gnädigste läßt Euch sagen, daß sie das, was sie Euch als Entschädigung gab, unter gar keiner Bedingung mehr zurücknehmen wolle. Sollte aber dies etwa zu wenig sein, so ist sie erbötig, Euch noch mehr zu geben!` - Ich biß mir in die Lippen vor Ärger und konnte wahrlich nicht reden. Dafür aber nahm der General für mich das Wort und sprach: ,Sagen Sie der Gnädigen, diese 200000 Gulden sind für die Opfer, die dieser Mann für sie brachte, nichts anderes als ein lausiger Bettel! Die Ehre eines Offiziers, wie dieser einer war, bezahlt man nicht mit solch einem Bettel! Darum soll die Gnädigste nur in die große Kasse greifen und diesem Ehrenmanne, der seinesgleichen sucht, seine von ihr mit Füßen getretene Ehre vergüten! Sagen Sie der Gnädigen, ich, der Fürst N. N., Vater dieses meines liebsten Sohnes, fordere das von ihr! Und sagen Sie ihr auch, daß sie sich nimmer unterstehen solle, seinen Namen zu führen! Hat Er das alles verstanden?` - Spricht der Kammerdiener: ,Ja, Euer Durchlaucht!" ,So packe Er sich!` donnerte der General. Der Kammerdiener verbeugte sich bis zum Boden und ging.
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Nach einer Weile öffnete sich die Tür und die Baronin stürzte vor den General hin und bat ihn und mich händeringend um Vergebung. Sie sprach viel von einer kränklichen Laune und von der durch sie bewirkten Übereilung, und Gott weiß, was sie noch alles zusammengeschnattert hat.
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Der General ließ sie ausreden und sprach dann in seiner leidenschaftslosen Ruhe: ,Madame, ich kannte Ihren bornierten Vater und kenne Sie! Der Apfel fällt nie weit vom Baum, und so werden auch Sie, meine Holde, nicht viel besser sein. Dieser Ihr gewesener Mann ist zwar nicht mein leiblicher Sohn. Aber da ich keine Kinder habe, so habe ich es bei meinem guten Kaiser dahin gebracht, daß er ihn einstweilen als meinen rechtmäßig adoptierten Sohn unter dem Titel Graf anerkannt hat. Sterbe ich aber heute oder morgen, so ist er Fürst! Verstehen Sie mich? Und sollten es andere Hochadelige beim Kaiser dahin bringen, daß ihm der Fürstentitel auch im Geheimen nicht zugelassen würde, so bleibt er aber dennoch mein Sohn und alleiniger Erbe aller meiner Güter! Dieser mein Sohn benötigt weder Ihres Hauses noch Ihres Vermögens. Aber Sie haben als Baronin seine Ehre geschändet, und dafür verlange ich als sein Vater eine Genugtuung von einer halben Million! Verstehen Sie mich, Madame?` - Spricht die Baronin: ,Durchlauchtigster Herr Schwiegerpapa! Nicht nur eine halbe Million, sondern mein ganzes Vermögen gebe ich her, wenn Sie mir nur verzeihen und mir meinen geliebten Gemahl nicht wegnehmen!`
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Darauf der General: ,Ja, ja, meine holde Tochter, jetzt, da Sie zum ersten Mal erfahren haben, daß dieser ,Schweinehalter`, wie Sie ihn zu titulieren pflegten, mein Sohn ist, fühlen Sie wieder Liebe zu ihm! Aber auf diese Art wird es sich wohl schwerlich mehr tun. Gehen Sie daher in Ihr Gemach zurück, denn ich habe meinem Sohn wichtige Dinge zu eröffnen.` Emma bittet nun noch inständiger um Vergebung und gelobt bei allem, was ihr heilig ist, mit mir durch ihr ganzes Leben lieber eine Schweinehirtin zu sein, als mich nur eine Minute mehr zu verlassen! - ,Gut`, sprach darauf der General, ,das werden wir sehen! Ich werde mir die Freiheit nehmen, Ihnen sogleich auf den adeligen Zahn zu fühlen und werde sehen, wie Sie die Probe bestehen!` - Spricht Emma: ,Tun Sie mit mir, was Sie wollen; nur als eine Leiche werde ich mich von meinem Gemahl trennen lassen!` - Spricht der General: ,Nun das wird sich sogleich zeigen, liebste Baronin! Warten Sie auf keine neue Probe von mir; denn ich habe mit Ihnen die Probe schon gestellt und Sie haben diese zur Hälfte schlecht bestanden. Sie lieben meinen Sohn, weil Sie nach meinem Geständnis ihn nun ungezweifelt dafür halten. Aber dem ist nicht so! Ich sagte das nur, um Sie zu prüfen und Sie dadurch von der Schmählichkeit ihres Aristokratenhochmuts schlagend zu überzeugen. Als ihre Leichtgläubigkeit in Ihrem Gemahl nicht mehr den stinkenden Schweinehalter, sondern einen Fürsten gewahrte, da fingen Sie an, zu Kreuz zu kriechen! Aber was werden Sie nun tun, so ich das nur zu Ihrer Probe Gesagte fest widerrufe und sage: Ihr mir über alles schätzbarer Herr ist doch nur der Sohn eines Bauern?`
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Als Emma solches vernahm, sprang sie jählings auf und rief: ,Was!! So verfährt man mit der Tochter des reichen Barons N. N.? - Also mein Gemahl kein Fürst, sondern nur ein Bauernsohn und ein in England neugebackener Gentleman! Oh, das ist schändlich, das ist unaussprechlich niederträchtig! Mich, eine Baronin ersten Ranges, so zu einer barsten Gans zu stempeln! - Kammerdiener!` - Spricht der Kammerdiener: ,Was wünschen gnädige Frau Baronin?` - Spricht Emma: ,Gehe Er eilends in mein Gemach und hole die Papiere auf meinem Tisch, damit ich diesem Bauern da seine gekränkte Ehre vergüte!` - Sprach der General: ,Hat nicht vonnöten, meine Gnädige! Ich wußte es ja, daß die zweite Probe schlechter als die erste ausfallen werde. Sie sind und bleiben, was Sie sind; Sie verstehen mich hoffentlich? Und dieser mein wirklicher Sohn bleibt aber trotz seines Bauerntums das, wie ich's Ihnen früher kundgab! Und nun gehen Sie weiter!`
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Bei diesen Worten kehrt sich Emma noch einmal um und sagt: ,Euer Durchlaucht! Sie hatten die Güte, mir soeben zu bemerken, daß ich diese Probe schlecht bestanden habe. Aber Dieselben bedenken dabei nicht, daß vielleicht dieser ganze von mir wohlberechnete Auftritt nichts anderes war als eine energische Frage an meinen Herrn Gemahl, ob er mich wohl noch liebe? Denn ich muß nun offen gestehen, daß mein Herr Gemahl seit nahe anderthalb Jahren sich gegen mich mit einer mir kaum begreiflichen Kälte benommen hat, die mich ganz unglücklich machte. Ich gab ihm oft zu verstehen, wie ich ihm nun das nicht mehr sei, was ich ihm einstens war! Aber da wußte sich der fürstliche Herr Gemahl allzeit mit tausenderlei zu entschuldigen. Da mußte es doch irgendeinen Haken haben!
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Ich bin nun sehr reich und kann so manches tun, um das Herz meines Gemahls zu erforschen. Ich gab Gesellschaften und Bälle und ließ mir von Kavalieren den Hof machen, um zu sehen, ob er doch etwa einmal mit etwas Eifersucht zum Vorschein kommen werde. Aber da war alle meine Mühe vergeblich! Es schien ihm sogar recht zu sein, daß ich mich mit andern besser unterhielt als mit ihm! Lange ertrug ich diese Schmach für mein Herz. Da aber seine Kälte gegen mich nur zunahm, und er auch mein Schlafgemach gar nicht mehr zu kennen schien, so faßte ich eben diesen Entschluß, den ich heute ausführte, um eine letzte ernste Frage an sein Herz zu tun!
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Aber es blieb auch diese ohne den geringsten Erfolg. Weil ich aber ohne mein Verschulden seine Liebe so ganz verloren habe, so sei sie denn in Gottes Namen verloren!
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Wahrlich, Euer Durchlaucht, ich rede nun die volle Wahrheit: Solange ich als eine Arme an seiner Seite stand, liebte er mich mit einer Kraft, die ich kaum begreifen konnte. Als ich aber alleinige Erbin eines großen Vermögens wurde, da war es gerade aus bei ihm! Er äußerte mir nicht nur keine Freude darüber, sondern er ärgerte sich allzeit darüber und sagte mir oft ins Gesicht: ,Dein Geld wird diesem Hause Fluch, nie aber einen Segen bringen!` - Überlegen Euer Durchlaucht nun ganz nüchtern meine Lage und urteilen dann über mich, ob ich wohl eine so infame Sünderin bin, als wie Sie und Ihr Herr Adoptivsohn nun meinen!`"