Von der Hölle bis zum Himmel: Die Jenseitige Führung des Robert Blum
Band 2
- Kapitel 236 -
Antwort des ungläubigen Offiziers. Helena mischt sich ein
Spricht der Offizier: ,,Du bist zwar ein guter Mensch, aber ein närrischer Kauz. Du sagtest, daß wir schon lange gestorben wären und nun hier als Geister herumwandeln. Aber schau: Da steht der herrliche Stephansdom mit dem hohen gotischen Turm gerade so, wie er immer ausgesehen hat! Nicht einmal ein Schwalbennest fehlt unter seinen vielen Gesimsen und Verzierungen. Rings herum die von alters her nur zu bekannten Häuser. Das alles müßte denn auch Seele und Geist haben und gestorben sein und auf der Welt gar nicht mehr vorhanden sein, um hier in deiner Geisterwelt fortbestehen zu können! - Schau, für so dumm mußt du uns doch nicht halten und verlangen, daß man dir so etwas glauben könnte.
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Ebenso schwärmtest du auch von Gott, daß Er sich hier unter euch befinde und in Wien die altgebannten Geister aus ihrer Nacht befreie, um sie dann in die Himmel zu führen. Aber solche burlesken Behauptungen gehören doch in ein allererstes Irrenhaus!
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Gott, das für kein endliches Geschöpf je begreifbare Wesen, eine heiligste Urkraft, die die ganze Unendlichkeit durchdringt, soll sich hier in der beschränkten Gestalt eines Menschen in sterblicher Umhüllung befinden? Mein Freund, so was zu glauben, wäre ja noch bei weitem über eine Mariazeller Wallfahrt. Du bist doch, so du im Ernst der berühmte Blum bist, kein Anhänger des echt römisch-katholischen Leicht- und Aberglaubens gewesen, denn du warst ein Deutschkatholik. Wie kamst du, wahrscheinlich in Amerika oder England dazu, solch ein Zelot zu werden? Haha, es ist wahrlich zum Tollwerden! So etwas zu glauben!
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Schau, Freund, ich könnte dich nun zwar samt deinem lieben Herrgott arretieren; aber ich unterlasse das, denn du bist mit deinen Ideen keinem Menschen mehr gefährlich. Dein Herrgott scheint auch ein ganz unschuldiges Lamm zu sein, sowie die ganze übrige, für eine Wallfahrt reife Gesellschaft. Das Beste bei dir wäre dein allerliebstes Weiberl. Der zuliebe machte ich noch selber eine Mariazeller Wallfahrt mit. Sage mir doch, was sie für eine Landsmännin ist. Ist sie eine Inglismännin, oder was sonst?"
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Sagt Helena: ,,Ich heiße Helena und bin aus echt Oberlerchenfeld gebürtig! Das ist das gewöhnliche ,Irland` für die armen Wiener Sünder! Verstehen's mich?" - Sagt der Offizier: ,,O Kreuz, Bomben und Granaten! Potz Blitz und alle Elemente! Also eine Lerchenfelder Zirkassierin! O verfluchte Geschichte! - Aber wie kommt denn das, daß Sie nun sein Weib sein sollen, indem meines Wissens er ja ohnehin ein Weib und auch mehrere Kinder in Sachsen hat?"
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Sagt Helena echt wienerisch: ,,No wissen's denn das nicht, Sie Kreuzblitzer von an Offizier? Solang man auf der Erd ist, hat man freilich ein gültigs Weib und soll von rechtswegen ka zweite daneben haben. Wenn man aber amal gstorben is und mit Gottes Gnad und Barmherzigkeit in den Himmel kommen is, da kriegt man nachher gleich an anders Weiberl, aber halt von der Erd ani. Denn im Himmel droben wachsen kani Madeln, wann's nit vorher auf der Erd geboren worden san. Schaun's nur, daß a bald in Himmel einikommen, da wird sich vielleicht für Ihnen a no so a recht saubers Weiberl auftreiben lassen! Aber unsern liebsten Herrgott müssen's zuvor wohl über alles liebhaben, sonst is nix, mein lieber Herr Offizier!"
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Sagt der Offizier: ,,Schade um das schöne Kind, daß sie eine gar so gemeine Sprache spricht! Das ist ja ein schrecklicher Dialekt der edlen deutschen Sprache! Sagen Sie, echte Lerchenfelderin, sprechen im Himmel alle Frauenzimmer so wie Sie? Wenn das der Fall wäre, bliebe ich schon lieber in gebildeten Zirkeln auf der Erde. Nein, ist aber das eine Hundesprache."
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Spricht Helena: ,,No, was meinen's denn, was Sie für a politiertes Deutsch sprechen? Schaun's, a jede Sprach ist schön und gut, wann's nur aus an ehrlichen Herzen und Mund kommt! Aber wann a Sprach noch so politiert ist und kommt aber aus an rechten Spitzbubenherzen, was is sie nachher wert? Was wär Ihnen denn lieber, wann ich so recht hochdeutsch redete, Sie aber dann anschmierte - oder wann ich so recht lerchenfelderisch red und es dabei mit Ihnen kreuzehrlich mein? A recht hochdeutsche Sprach hier in Wien is gwöhnlich a Verstellung. Der eine redt hochdeutsch, weil er möcht die Leut meinen machen, daß er a Glehrter is. An anderer spricht hochdeutsch, um beim schönen Gschlecht Eroberungen zu machen, hat dabei aber gewöhnlich die schmutzigsten Absichten, wie ich's nur gar zu oft erfahren hab. So geht's auch in den Ämtern und Kanzleien zu. Die Beamten, die so recht hochdeutsch reden, sind gwöhnlich die gröbsten, stolzesten und dümmsten zugleich und wollen durch ihre hohe Sprach nur ihre Fehler unsichtbar machen. Sagen's, is das alles nit a rechte Spitzbüberei? - Und das heißen Sie a gebildete Sprach, die die Leut brauchen, um anander tüchtig anzuschmieren? Jetzt hören's mir nur bald auf, sonst wird mir übel!"
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Spricht der Offizier: ,,Nein, mein liebes Kind, so meine ich es ja nicht! Ich meine nur, daß man in einer gebildeten, guten Welt wenigstens so reden sollte, wie man schreibt, aber nicht gar so provinzialistisch. Schau, du bist ein so schönes Kind, daß ich in meinem ganzen Leben noch nie ein schöneres Wesen gesehen habe. Hättest du auch eine mehr gebildete Sprache, so wärst du eine reine Göttin. Aber wenn du redest, streifst du den ganzen himmlischen Schönheitsnimbus herab, und man wird dadurch von der höchsten Poesie in die alltäglichste Prosa versetzt. Schau, du hast dich ehedem als eine Himmelsbewohnerin ausgegeben, was ich dir deiner Gestalt nach auch gar nicht in Abrede stellen möchte. So du aber durchaus ein himmlisches Wesen sein willst, mußt du auch himmlisch sein in der Sprache, sonst glaubt dir's kein Kuckuck, daß du eine Bewohnerin des Äthers bist."
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Spricht Helena: ,,Ich bitt Ihnen, reden's nit gar so gschwollen! Mit Ihren Komplimenten können's Ihnen heimleuchten lassen! Meinen's denn, ich bin so eine, die sich mit an Komplimentenköder fangen laßt? Sie, da sag i Ihnen glei: ,Da schaut unser lieber Herrgott zum Fenster hinaus und sagt, es wird nix draus!` - Sie, i bin a Durchgwixte! Verstehen's mich? In Oberlerchenfeld muß man anders reden, wann ma noch an überbliebnes Ganserl fangen will! Meinen's denn, ich kenn' Ihre Begierden nit? Ihnen g'fallt nur mein G'sichtl, mein Herz aber g'hört vor Ihren Augen der Katz' zu! Das geniert Ihnen freili, daß ich nit so feingesprächig bin wie an aufputztes Stadtfräulein, aber das is justament gut, denn dadurch verschaff i mir a Ruh vor Ihnen. - Da reden's mit mein' Mann! Der kann schon besser hochdeutsch als wie ich. Glauben's aber, was er Ihnen sagt, sonst werden's no lang kan Himmel zu sehen bekommen!"
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Spricht der Offizier, sich die Ohren zuhaltend: ,,Gottlob, daß sie ausgeredet hat! Die treibt einen gebildeten Mann zur Verzweiflung mit dieser Hundesprache! O du echtester Lerchenfelder Rostbraten mit Knoblauch und böhmischem Rapunzelsalat! O Gott, o Gott! Mann! Robert! Freund! Bist du taub? Was sagen deine Ohren zu solcher Ästhetik? Du feingebildeter Sachse, du Hofmann, kannst selig sein an der Seite dieses Rostbratens? Mich brächte so eine Ehehälfte in wenigen Stunden zur Verzweiflung! Nein, diese Sprache! Und je länger sie spricht, desto hundsgemeiner! Wahrlich, so diese sonst überirdisch Schönste nur durch Zeichen und Gebärden redete, wäre sie bei weitem interessanter als mit solch einer Hundesprache! Nein, hörst du, die ist ganz sicher vor mir! Und du darfst dich nicht fürchten, daß die jemand zur Untreue bereden wird, denn die ist zu ungeheuer dumm!"
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Spricht Robert: ,,Oh, da irrst du dich sehr! Die ist durchtrieben gescheit und hat einen Mut über zehn Husarenregimenter! Sie redet auch nicht immer so, sondern nur, wenn sie will. Oh, sie kann auch wunderschön reden, so es ihr rechtens zu sein dünkt. Ergibt sich aber eine sie genierende Gelegenheit, da wird sie wieder ganz Lerchenfelderin. - Füge du dich nur dem, was ich dir gesagt habe. Gehe hin und rede mit Gott, dem Herrn Jesus Christus Selbst! Überzeuge dich von allem selbst, dann erst rede und handle!"
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Spricht der Offizier: ,,Weißt du, das klingt wohl alles sehr närrisch, aber führe mich dennoch hin! Sollte es so sein, wie du mir sagtest, so werdet ihr an mir den wärmsten Teilnehmer finden. Im Gegenteil aber einen, der sich auch der Narren annehmen kann!"