Der Saturn
Darstellung dieses Planeten samt Ring und Monden und seiner Lebewesen
- Kapitel 35 -
Haupt-Lebensgesetz: Der Wille Gottes. - Behandlung von Übertretern
Nachdem wir bis jetzt gesehen haben, daß auf diesem Planeten namentlich die Gebirgsbewohner unter sich keine abgeschlossenen Eigentumsgrenzen haben und daß das Gesicht eines Menschen allen Saturnbewohnern ein hinreichendes Zeugnis ist, daß ihm vom Großen Geiste das unbestreitbare Recht eingeräumt ist, allenthalben auf dem ganzen Planeten für sein Bedürfnis Besitz zu nehmen - so wollen wir uns nun wieder zu unserer geteilten Familie unter ihrem neuen Ältesten wenden.
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Den Tempel haben wir gesehen, wie er angelegt wurde, und haben von der Möglichkeit gehört, wie solche eine geheiligte Ansaat in wunderbarer Schnelligkeit dem Boden dieses Planeten entwachsen kann, und haben auch gesehen, wie diese Saturnbewohner alle ihre übrigen Bauten angelegt haben. Sonach hätten wir die Entstehung eines neuen Besitztums vollkommen angeschaut und geht uns danach nur noch das zu schildern ab, was ihr bei euch eine politische Verfassung nennt.
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Worin besteht denn diese bei einer solchen Familie? - Sehet, dort ist die politische Verfassung sehr kurz und mit wenig Worten abgetan; denn der Grundsatz dieser Verfassung besteht bloß in dem, daß kein Glied einer solchen allgemeinen Familie ohne den ihm vom Ältesten bekanntgegebenen Willen des Großen Geistes etwas tun darf und auch nie etwas tut. Wenn aber jemand den Willen des Großen Geistes durch den Ältesten erfahren hat, so darf er nicht eher seine Hand an irgendein Werk legen, als bis er dem Großen Geiste für die Bekanntgebung seines Willens innigst gedankt hat und bis er dann auch nach dem Dank den Großen Geist gebeten hat um das rechte und gute Gelingen des zu unternehmenden Werkes.
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Das ist einmal der Hauptgrundsatz der ganzen politischen Verfassung der Saturnmenschen. Nach diesem Grundsatz handelt denn auch ein jeder Mensch und kümmert sich dann um nichts weiteres, als allein um das, wie er dem Großen Geiste nach der Vollendung des Werkes den gebührenden Dank darbringen möchte.
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Ihr könnt es buchstäblich glauben, daß in diesem kurzen Satze alles Erdenkliche begriffen ist. Denn wer da nach Meinem Willen handelt, der handelt ja allzeit recht.
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Darum gibt es dort auch durchaus keine weiteren Auslegungen über dieses kurze politische Gesetz, welches sich ein jedes Kind auf dreimaliges Vorsagen merken kann. Und dieses kurze Gesetz hat auch keinen Strafkodex als einen politischen Zuchtmeister zur Seite; sondern der Ausdruck: ,,Ich handle nach dem erkannten Willen des Großen Geistes!" - ist für jeden Saturnmenschen die kräftigste Beweisurkunde der rechtlichen und dadurch auch niemand andern beeinträchtigenden Handlungsweise.
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Wenn es sich, was freilich selten der Fall ist, dennoch manchmal ereignet, daß jemand aus der Tiefe zu den Gebirgsbewohnern kommt und da irgendwo zu seinem Vorteil handelt, ohne daß er sich zuvor mit einem Ältesten einer Familie beraten hat, so geht da entweder der Älteste selbst oder ein Nachältester sogleich zu ihm hin und fragt ihn: ,,Aus welchem Willen tust du dieses?" - Sagt dann der Gefragte: ,,Nach dem Willen des Großen Geistes!" - so wird er nicht mehr gestört in seiner Handlung.
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Sagt aber der Befragte: ,,Es war mir dies notwendig zu meinem Nutzen, daß ich mich solches zu tun unterfangen habe!" - so gibt ihm der Älteste folgende Lehre und spricht zu ihm:
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,,Höre, Bruder im Großen Geiste! Wie ist es möglich, daß du über das Bedürfnis, welches allein in dem Willen des Großen Geistes liegt, noch ein anderes Bedürfnis haben kannst, welches von dem Bedürfnis nach dem Willen des Großen Geistes getrennt ist? Daher rate ich dir als wahrer Bruder im Großen Geiste: Unterlasse sobald das Werk, damit du nicht unglücklich wirst mitten in der Ausführung deines Vorhabens. Bist du bedürftig und hast keine Wohnung, siehe, unsere Wohnung ist hinreichend geräumig, nicht nur dich, sondern Hunderte deinesgleichen aufzunehmen. Tust du solches Werk aber aus heimlichem Eigennutz, da falle augenblicklich nieder auf dein Angesicht und flehe inständig und reuemütig zum Großen Geiste, daß Er dich verschonen möchte mit einer gebührenden Züchtigung! Denn der Große Geist ist überaus gut den Guten, aber überaus streng und gerecht dem, der da zuwiderhandelt Seinem über alles heiligen Willen!"
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Bei einer solchen Anrede läßt so ein unbefugter Fremdling auch sogleich sein Werk fahren. Möchte er sich aber sträuben, so sagt der abgesandte Älteste zu ihm: ,,So tue denn, was du willst, von mir aus sei es dir für alle Zeiten der Zeiten bewilligt, damit deine Sünde nicht größer werde vor den Augen des Großen Geistes. Siehe aber zu, daß dich die Strafe nicht auf offenem Felde ereilt!"
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Darauf bietet er ihm die Hand, verläßt ihn und läßt ihn sein Werk forttreiben. - Wenn er aber nach Hause kommt, was tut er da? - Ihr werdet hier vielleicht meinen, er wird mehrere hinsenden, etwa wie bei euch, mit Stricken und Lanzen, damit sie den Frevler oder Dieb gefangennehmen und ihn nach Hause führen zur gerechten Züchtigung? - O nein, solches ist bei den Menschen dieses Planeten durchaus nicht der Fall, und namentlich bei den Gebirgsbewohnern schon gar nicht. Sondern bei dieser Gelegenheit gibt der Älteste allen Mitgliedern kund, was da vor sich geht, und fordert sie dann auf, daß alle sich vereinigen sollen in einer inständigsten Bitte an den Großen Geist, Er möchte diesem Bruder, der sich vergessen hat, indem er wider den Willen des Großen Geistes handelt, gnädig und barmherzig sein und denselben wieder zurückführen zu jener wahren Erkenntnis, daß dem Menschen nichts, denn der alleinige Wille des Großen Geistes Bedürfnis sein soll.
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Wenn alle die Familienmitglieder eine Zeitlang also inständigst gebetet haben, dann sammelt sich der Älteste in seinem Herzen und ruft den allzeit ratgebenden lichten Geist, daß er ihm kundgeben möchte den Willen des Großen Geistes zur bleibenden Wohlfahrt des betreffenden verirrten Bruders. - Bei solcher Gelegenheit gibt dann auch allzeit der Geist dem Ältesten kund, was da zu tun ist.
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Ist der Frevler ein verhärteter, eigenwilliger Selbstnützler, dann wird es dem Ältesten aufgetragen, daß er den Fremdling solle gefangennehmen lassen und auf die Höhe führen, wo sich die Familienwohnung befindet. Da solle ihm zuerst Speise und Trank gereicht werden. Dann aber solle er unterrichtet werden in der Erkenntnis des allein geltenden Willens des Großen Geistes, und es solle solche Belehrung sieben Tage lang währen. Nach dieser Zeit aber solle er in den Tempel geführt werden und da aus dem innersten Grunde dem Großen Geiste den allerwilligsten Gehorsam geloben, demzufolge er nimmerdar einen Schritt und Tritt tun wolle, ohne den Willen des Großen Geistes.
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Bekehrt sich ein solcher Frevler, so solches an ihm in der Tat vollzogen wird, so wird er nach vollbrachtem Dankgebet mit verschiedenen Lebensmitteln reichlich beteilt und sodann von dreien in die Tiefe hinab geleitet bis zur Stelle, wo er angibt, daß sich daselbst seine Wohnung befindet. Findet es sich, daß da seine Wohnung ist, wo er sie angegeben hat, so hat der ganze Prozeß ein Ende, bis auf das, daß er von den dreien ganz brüderlich ernstlich zur Befolgung dessen, was er gelobt hatte, wie zu aller Dankbarkeit gegen den Großen Geist, ermahnt wird.
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Sollte es sich aber ergeben, daß ein solcher Fremdling gar zu entfernt von den Gebirgen seine Wohnung hat, oder daß er gar keine Wohnung hat, was bei den Bewohnern der Tiefe eben nicht selten der Fall ist, so wird er im ersten Fall am Fuße des Berges zwar entlassen, aber unter einer eindringlichen und äußerst drohenden Ermahnung, sein Gelöbnis ja nie mehr wieder zu brechen. Alsdann wird er gesegnet und auf freien Fuß gesetzt.
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Ist er aber gewissermaßen ein Landstreicher und hat somit keine Wohnung, obgleich er in der Höhe ausgesagt hatte, daß er eine Wohnung besitze, so wird er in diesem freilich äußerst seltenen Fall zwar wohl auch ausgelassen und auf freien Fuß gesetzt; aber es wird ihm dabei bedeutet, daß er dadurch nicht sie, nämlich die Gebirgsbewohner, sondern nur Den, dessen Willen sie allzeit erfüllen, hat täuschen wollen. Dieses aber sei das allergrößte Übel, das ein Mensch begehen kann, darum er nun wohl zusehen solle, wie er da zurechtkomme mit Dem, der alle Gedanken erkennt, bevor sie noch gedacht werden.
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Sie zeigen ihm dann die auf der Erfahrung beruhenden schrecklichen Folgen einer solchen Handlung und verlassen ihn alsbald ungesegnet. Denn wer gefrevelt hat vor ihnen, der wird gesegnet, damit er sich wieder kehren möchte zum Großen Geiste; wer aber gefrevelt hat vor dem Großen Geiste, einen solchen getraut sich niemand zu segnen, bevor an ihm nicht klar ersichtlich wird, daß ihm der Große Geist noch gnädig ist. Ist solches der Fall, dann wird er auch wieder von den Menschen gesegnet.
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Wird er aber, was sehr häufig der Fall ist, vom Großen Geiste alsbald mit einer Strafe heimgesucht, dann bitten die Saturnmenschen den Großen Geist wohl nahe tagtäglich für die Vergebung seines an Ihm begangenen Frevels; aber zu segnen wagt sich einen solchen Sträfling niemand eher, als bis er entweder auf dem geistigen oder dem natürlichen Wege erfährt, daß ihm der Große Geist die verhängte Strafe zu mildern angefangen hat. - Das ist also das Verfahren in dem Fall, wenn ein solcher Frevler verhärtet ist.
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Ist er aber nicht verhärtet, so läßt der Älteste drei Boten, welche reichlich mit Früchten beladen sind, dahinziehen, wo der Frevler noch sein Werk verrichtet. Wenn sie bei ihm anlangen, gebieten sie ihm im Namen des Großen Geistes alsbald abzustehen von seinem Werke, belehren ihn über den Willen des Großen Geistes, vergeben ihm seine Tat, nehmen ihn in die Mitte und führen ihn hinab, wo er angibt zu wohnen.
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Dort beschenken sie ihn mit den Früchten und sagen dann zu ihm: ,,Bruder, damit du fernerhin nicht mehr sündigest an uns und noch viel weniger an dem allerheiligsten Willen des Großen Geistes, so stellen wir dir hier frei, daß du zu uns kommen kannst, wann du willst, und du sollst nimmerdar leer nach deiner Wohnung ziehen - denn solches zu tun wissen wir aus dem Willen des Großen Geistes. Wenn du dich aber je wieder erkühnen würdest, zu sündigen also wie jetzt, so wird dich die Strafe des Großen Geistes beim ersten ungerechten Tritte ereilen."
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Alsdann reichen sie ihm ihre Hände, segnen ihn und ermahnen ihn zur Dankbarkeit gegen den Großen Geist und entfernen sich endlich wieder von ihm.
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Seht, das ist das ganze richterliche Verfahren bei solchen Vergehungen von seiten der Saturnmenschen. - Nächstens wollen wir ähnliche politische Verfassungen und Verfahren weiter verfolgen.