Hiob: Es gibt keinen Vermittler
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"Daß so es ist, weiß ich fürwahr! - Wie mag vor Gott im Recht sein wohl ein Mensch?
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Und fiele einem ein, mit ihm zu rechten, nicht eins auf tausend könnte er ihm Rede stehen.
4
Weisen Herzens ist er und an Kraft gewaltig, wer wollte trotzen ihm und bliebe heil?!
5
Berge verrückt er, ohne daß sie es merken - in seinem Zorn stülpt er sie um.
6
Die Erde scheucht er von ihrer Stätte, daß ihre Pfeiler wanken.
7
Der Sonne gebietet er - sie geht nicht auf; sein Siegel legt er an die Sterne.
8
Er ganz allein spannt den Himmel aus, auf des Meeres Höhen schreitet er einher.
9
Den Bär, den Orion hat er geschaffen, das Siebengestirn, die Sternbilder des Südens.
10
Großes wirkt er, das nicht zu fassen, unzählbare Wundertaten, die nicht zu zählen sind.
11
Zieht er an mir vorüber, merke ich es nicht, ich werde es nicht gewahr, wenn er vorbeibraust.
12
Rafft er dahin, wer will es ihm verwehren? - wer will ihn so fragen:>Was treibst du da?<?
13
Niemand vermag Gottes Groll zu bannen, selbst Rahabs Helfer duckten sich unter ihm.
14
Wie sollte ich ihm Rede stehen da, wie an ihn wählen meine Worte?
15
Selbst wäre ich im Recht, könnte ich ihm nichts erwidern, um Gnade müßte ich bei meinem Kläger flehen.
16
Und riefe ich ihn auf, daß er mir Rede stehe: daß er mich anhörte, glaube ich nicht!
17
Er fiele über mich im Sturmwind her, und mehrte grundlos meine Wunden.
18
Zu Atem kommen ließe er mich nicht mehr; er sättigte mich mit bitterem Weh.
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Gilt es die Kraft des Starken, heißt es:>Hier bin ich!< - Doch gilt es das Recht: Wer lädt mich vor?
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Wäre ich im Recht, mein Mund zieh mich dennoch des Unrechts! - Wäre schuldlos ich, er spräche mich doch schuldig!
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Und schuldlos bin ich! - Nichts liegt mir mehr am Leben! Mein Dasein erachte ich für nichts!
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Einerlei ist es doch - darum sage ich es frei: Ob schuldlos oder schuldig - er rafft doch hinweg!
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Wenn er mit seiner Geißel Schlag jählings tötet, lacht er der Schuldlosen Verzweiflung.
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In Frevlerhand gegeben ist das Land, die Augen bedeckt er seinen Herrschern. - Ist er es nicht, wer dann?!
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Rascher als Läufer eilen dahin meine Tage, entfliehen, sie schauen kein Glück.
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Wie Binsenboote gleiten sie vorbei, wie ein Adler, der stößt auf die Beute.
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Nehme ich mir vor, meinen Jammer zu vergessen, meine Miene zu ändern und heiter zu sein,
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so graust mir wieder vor all meiner Qual: Ich weiß, los wirst du mich nicht sprechen!
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Schuldig soll ich nun einmal sein, was mühe ich mich da noch vergeblich?
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Und wollte mit Schnee ich mich waschen, mit Lauge mir reiben die Hände,
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so würdest du in Unrat mich tauchen, daß selbst mein Gewand sich ekelte vor mir!
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Er ist ja nicht ein Mensch wie ich, dem ich antworten könnte:>Laß uns gemeinsam gehen vor Gericht!<
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Oh, daß einen Richter es zwischen uns gäbe, der auf uns beide legte seine Hand,
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der mir fernhielte seinen Prügel, daß mich vor ihm die Angst nicht mehr bezwänge!
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Ohne ihn zu fürchten wollte ich dann reden; doch so bin ich meiner nicht mächtig!