Die Geistige Sonne
Band 2
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 45 -
Göttlich-geistige Weisheit ist Torheit vor der Welt
Ihr habt solches getan und habt darüber ein wenig nachgedacht; und ich sage euch: Hier ist das Verhältnis also: Ihr hättet darüber denken können, was ihr gewollt, und ihr hättet entsprechendermaßen vollkommen richtig und wahr ein Bild innerer Bedeutung dieses Ornamentes treffen müssen. Ihr saget hier freilich wohl mit etwas erstauntem Gemüte:
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Wenn sich die Sache also verhält, da hat man es im Reiche der Geister überaus leicht. Man kann auf diese Weise ganz gedankenund sinnlos allerlei unzusammenhängende Phrasen hintereinander herplaudern und das noch dazu zur erörternden Beantwortung einer allerwichtigsten Lebensfrage, und man hat am Ende durch allerlei nichtige Faseleien unwillkürlich die größte Weisheit hervorgebracht.
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Wir sind aber gegenteils der Meinung, daß man im Geiste, um wahrhaft geistig weise zu sprechen, noch ums Unvergleichliche bündiger sprechen muß denn auf der Erde, und das aus solchem gewiß sicheren Grunde, weil dem Geiste auch viel triftigere und bündigere Hilfsmittel zu Gebote stehen, so er im völlig absoluten Zustande sich befindet, als auf der zerbröckelten Außenwelt, wenn er obendrauf noch von seiner schweren Fleischmasse gefangen und niedergedrückt ist.
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Ja, meine lieben Freunde und Brüder, ihr habt einerseits wohl recht, so ihr das Geistige mit irdischem Maßstabe bemesset; bemesset ihr aber das Geistige geistig, so werdet ihr leichtlich gewahr werden, daß eure vorliegende Schlußfolgerung auf sehr untüchtigen Füßen basiert. Ihr habt sicher in den Briefen meines lieben Bruders Paulus gelesen, wo er sich nicht selten darüber ausspricht, daß die Weisheit der Weisen in Christo vor der Welt eine barste Torheit sei. Das ist sie auch richtig; wie denn aber?
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Sehet, wenn ihr zählet, da meinet ihr, die Ordnung in eurem Zahlensysteme sei vollkommen und habe keine Lücken. Ich sage euch aber, daß zwischen jeder Zahl eine unausfüllbare Kluft vorhanden ist und diese Kluft ist nur dem höchsten Geiste erschaulich ausgefüllt. Was werdet ihr dann für ein Urteil fällen, so ein vom höchsten Gnadenlichte erfüllter Geist vor euch hintritt und zählt zwischen eins und zwei zahllose Milliarden hinein und sagt am Ende: Und noch ist die Kluft zwischen euren zwei systematischen Ordnungszahlen bei weitem nicht ausgefüllt. Und wenn er euch da noch in tiefere und tiefere unausgefüllte Klüfte zwischen den von ihm gezählten Milliarden führen wird, welche sich alle zwischen eurer Eins und Zwei befinden, so werdet ihr sagen:
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Dieses Wesen hat im höchsten Grade überspannte Begriffe und faselt da von unendlichen Größen, wo wir nichts als zwei knapp aneinanderstoßende Einheiten erschauen.
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Ein anderer Geist mag zu euch kommen und wird euch Geschichten über eure Erde erzählen, über die graue Vorzeit wie über die jüngste Vergangenheit und Gegenwart, welche auf der Erde eigentlich nie geschehen sind. Ja, er kann noch einen anderen Streich tun, er kann wirkliche Taten aus der Gegenwart ins graue Altertum zurückversetzen und umgekehrt die Taten des grauen Altertums in die gegenwärtige Zeit; so kann er auch die Orte verwechseln, wo eine oder die andere Tat begangen ward. Also kann er auch die Erde mit der Sonne austauschen und dergleichen noch mehr solches für eure Urteilskraft entsetzlich widersprechendes Zeug. Er kann da tausend setzen, wo ihr eins habt, und so auch umgekehrt. Was werdet ihr mit eurer irdisch weise geordneten Beurteilung dazu sagen? Sicher werdet ihr nichts anderes herausbringen als: Siehe da, der Geist faselt!
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Ihr saget in eurer Weltweisheit: Wenn ich bin und denke, so bin ich der, der ich bin und denke. Der Geist wird aber zu euch sagen: Ich bin und bin nicht; ich denke und denke nicht; ich bin, der ich nicht bin; und ich denke, wie ich nicht denke. Was werdet ihr dazu sagen? Nichts anderes als: Siehe da, der Geist faselt schon wieder! Denn ordnungsmäßig kann ein bestimmtes Sein ja doch nicht zu gleicher Zeit ein Nichtsein sein.
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Sehet, aus diesem aber könnet ihr leicht erschauen, daß sich die geistige Weisheit niemals nach dem irdischen Maßstabe bemessen läßt. Damit ihr aber doch davon irgendeinen leisen Begriff bekommet, so will ich nur das Sein und Nichtsein und das Denken und Nichtdenken nach geistiger Weisheit ein wenig erleuchten. Und so höret!
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Wenn der Geist sagt: Ich bin und denke, so zeigt er dadurch an, daß der Herr in ihm alles in allem ist; und sagt er von sich aus: Ich bin nicht und denke nicht, so redet er, daß ohne den Herrn für sich selbst kein Wesen etwas ist noch etwas vermag. Wie ists denn aber, wenn der Herr in der tiefen Weisheit Ähnliches von Sich aussagt, der doch ewig alles in allem ist? Sehet, dann bezeiget solches, daß der Herr Selbst in Sich Selbst ewig vollkommen ist und denket. Wenn Er aber spricht: Ich bin nicht und denke nicht, so besagt das soviel als: Alle Wesen sind zwar Geschöpfe von Mir und sind Meine durch Meinen Willen festgehaltenen lebendigen Gedanken; und es gibt kein Ding in der ganzen Unendlichkeit, das Ich nicht gedacht und schöpferisch mit Meinem Willen gefestet hätte. Damit aber Meinen Geschöpfen die vollkommene Freiheit werde, so gebe Ich Meine Gedanken so vollkommen frei, als hätte Ich sie nicht gedacht und nicht geschaffen, auf daß sie nun wie aus sich ganz frei denken, schalten und walten können, als hingen sie von Mir nicht im geringsten ab und als wäre Ich gar nicht vorhanden.
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Sehet, das ist dann der Weisheitssinn in den geistigen Begriffen, welche mit irdisch geordnetem Maßstabe in ihrer geistigen Einfachheit freilich wohl als Faseleien angesehen werden müssen. Wie es sich aber mit diesem für euch ein wenig erhellten Weisheitsbeispiele verhält, also verhält es sich auch mit allen den früher angeführten Rechen- und historischen Beispielen; und ihr könnet einen Geist fragen: Wie viel ist zwei mal vier? und der Geist gäbe euch zur Antwort: Zwei mal vier ist Judäa oder China oder Asien oder Europa oder Jerusalem oder Bethlehem oder der König Salomo und dergleichen noch eine zahllose Menge Mehreres, so hätte er euch allzeit die untrüglich wahre Antwort gegeben.
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Aber ihr werdet dazu sagen: Daß zwei mal vier acht ist, das sehen wir ein, aber daß zwei mal vier - Länder, Städte und Völker bezeichnen sollen, das scheint wohl eine starke Faselei zu sein. Mit irdisch geordnetem Verstande genommen, sicher; aber mit geistigem, wo eine jede Zahl einen unerschöpflichen entsprechenden geistigen Grundsinn hat, wird die Antwort vollkommen richtig sein. Ich sehe aber, daß euch diese Angabe zu sehr wißbegierlich kitzelt, und ihr möchtet gern ein leises Fünklein haben, so will ich euch ja gleichwohl ein paar Fünklein vorspringen lassen.
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Sehet, zwei mal vier ist acht; wie ist es aber Jerusalem? Sehet, in der Zahl 8 ist die Zahl 7 unfehlbar enthalten. Die Zahl 7 aber besagt die Vollmacht der sieben Geister Gottes, welche Entsprechung haben mit den sieben Farben und sonach auch mit dem Leben eines jeden Menschen. Aber nun haben wir bei der Zahl 7 die Zahl 1; was besagt denn diese? Sie besagt, daß diese sieben Geister nicht sieben, sondern im Grunde nur vollkommen ein Geist sind; und das ist gleichsam in der Zahl 8 ausgedrückt, in welcher Zahl zu gleicher Zeit die Geister Gottes abgesondert und dann daneben zu eins vereint entsprechend dargestellt werden; und dieses vereinte Eins zu dem früheren wie geteilten Sieben gibt die vollkommene Zahl 8.
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Nun aber stellt Jerusalem den Herrn ebenfalls unter dem wirkenden Standpunkte der Liebe und Weisheit vor; welches ihr aus der Veranlassung der Entstehung dieser Stadt und ihrer zweckdienlichen Einrichtung gar wohl ersehen könnet. Sonach ist der Herr oder Seine Liebe und Weisheit oder die eben das bezeichnende Stadt Jerusalem ja vollkommen identisch; und die den Herrn als ein in eins vollendetes Wesen darstellende Zahl 8 muß ja dann alles dasjenige ebenfalls bezeichnen, was immer nur aus was auch für einem Standpunkte betrachtet, den Herrn in Seiner vereinten Vollkommenheit darstellt. Jerusalem aber tut solches; also kann es auch mit eben dem gleichen Rechte unter der Zahl 8 bezeichnet sein.
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Wie es sich aber mit Jerusalem verhält, so verhält es sich im Grunde des Grundes mit allem andern; indem der Herr doch sicher überall alles in allem ist; und somit die Zahl 8 in der bestimmten Sphäre eines so gut wie das andere vollkommen richtig bezeichnen kann.
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Ihr saget hier freilich: Wenn es sich mit 8 tut, so muß es sich auch mit allen anderen Zahlen tun. Das ist richtig und sicher; aber ihr werdet solches, solange ihr noch mit irdischen Zahlen und Maßstäben herumspringet und der Meinung seid, daß Gott und die reineren Geister ebenso zählen müssen wie ihr, nicht völlig in der Tiefe begreifen können.
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Wenn aber ein Prophet spricht: Vor Gott sind tausend Jahre wie ein einzelner Tag, und die Zahl aller Menschen ist gleich null vor dem Herrn; was sagt ihr denn zu diesem mathematischen Verhältnisse? Denn im Grunde müßt ihr denn doch sagen: Gott hat die Jahre und die Tage gestellt, und hat das Jahr zusammengesetzt aus dreihundert und etlichen und sechzig Tagen, und mußte da ja doch die Tage und Jahre Selbst eher wohl unterschieden haben, sonst wäre es Ihm sicher nicht möglich gewesen, Tage und Jahre so wohlgeordnet und wohl unterscheidbar nacheinander folgen zu machen.
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So aber der Herr solches ersichtlichermaßen allerhöchst klar berechnend getan hat und Selbst sicher am besten weiß, aus wieviel Tagen ein Jahr besteht, wie kann Er denn Seiner eigenen gestellten Ordnung gewisserart wie vergessen und dieselbe so sehr unbeachtet überspringen wollen und tausend Jahre einem einzelnen Jahrestage gleichstellen?
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Sehet, solch ein Spruch kommt euch viel natürlicher vor, weil ihr euch denselben schon mehr angewöhnt, ihn schon zu öfteren Malen gehört und darüber euch schon mehr oder weniger passende Vergleichungen angestellt habt. Würdet ihr aber nie etwas davon gehört haben, so würde er euch ebenso wundersam klingen, als so ich euch sagen möchte: Siebenhundertdreißig und vier Jahre sind gleich 27 Tagen und etlich wenigen Stunden und einer Stunde und einer Minute für sich.
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Aus diesem aber will ich euch nur zeigen, daß die Zahlen, Jahre, Tage, Stunden und Minuten im Geiste durchaus nicht das bezeichnen, als was sie dastehen, sondern die Weisheit des Geistes ist eine andere als die des irdischen Verstandes. Und so denn werdet ihr hoffentlich nun auch ein wenig zu begreifen anfangen, daß ich ehedem vollkommen richtig zu euch gesprochen habe, da ich zu euch sagte: Ihr möget über die Bedeutung dieses Zierakulums was immer für ein Entsprechungsbild aufgestellt haben, so habt ihr dennoch vollkommen den wahren Sinn dieses Säulenrondell-Ornamentes bezeichnet.
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Damit ihr aber euch davon desto lebendiger überzeugen möget, so setzet wie zufällig ein bezeichnendes Entsprechungsbild über die Bedeutung dieses Ornamentes auf, und ich werde euch mit der Gnade des Herrn bei der nächsten Gelegenheit zeigen, daß ich in der aufgestellten Behauptung vollkommen recht habe. - -