Gottes Neue Bibel

Die Haushaltung Gottes
Band 3

Die ersten Hochkulturen. Entartung und Untergang in der Sintflut

- Kapitel 108 -

Kenans Gesang vom Wesen des Lebens. Adams derbe Kritik dieses Gesanges. Henochs beruhigende Worte

31.8.1843
Die Hauptgesellschaft unterhielt sich nun von so manchen Dingen, und sogar unser alter, aber noch immer wackerer Sänger Kenan ward vom Adam aufgefordert, bei dieser Gelegenheit etwas Kurzgefaßtes zum besten zu geben, - was er auch recht gerne tat; denn das war seine Sache.
2
Aber nur war diesmal sein Gesang so ein wenig exzentrisch; daher hatte er auch vom Adam eben nicht den entschiedensten Beifall. - Der Gesang aber lautete also:
3
,,O Menschen, o Leben, ihr trachtet und schauet, dies Leben für ewig erhalten zu können! Ein rätselhaft Trachten und Schauen!
4
Wir leben und sind doch nicht, wie wir hier leben; das Leben ist nichts, und wir sind es mit ihm gleichermaßen!
5
Da stehet lebendig ein Geist! Sagt, wes Auge ihn sehen wohl kann und gewahren welch unser lebendige Sinn?!
6
Ist er so ein Gedanke, der gleich einem Blitze so flüchtig hinfahret und dann im unendlichen Raume sich also erzeuget, wie da sich erzeuget die lockere Flocke des Schnees im dunstigen Äther der Erde?
7
Doch Blitze sind flüchtig, und Flocken des Schnees zerrinnen im Strahle der Sonne; o sagt, was ist's wohl mit dem losen Gedanken, mit dem sich gefundenen Geiste im endlosen Raume, wie gleich auch mit einem Tautropfen für ein Fall?
8
O sagt, ist er nicht Blitzen und Flocken gleich flüchtig vergänglich, ersterbend, um nimmerdar wiederzukehren und sich als derselbe treuvoll zu erkennen, als sei er schon öfter im waltenden Dasein gewesen?!
9
Was ist denn das Sterben der Dinge und Menschen? Was ist denn der Tod für ein Wirken?
10
Vergeh' ich im Tode des Leibes, wie? Oder bleibt wohl von mir noch etwas über im Geiste?
11
Was bin ich im Geiste? Ein denkendes Nichts, unwahrnehmbar für jeglichen Sinn; oder bin ich ein Licht, das da niemandes Auge erschauen je mag, auch das eigene nicht, frei von einem wie immer bestellten Leibe?!
12
Ich möchte verwünschen das nichtige Leben und fluchen der Stunde, in der ich frei denkend als ein tolles Leben mich habe gefunden!
13
Warum mußt' ich werden, um wieder ganz spurlos zunichte zu werden?!
14
O elendes Leben, du grausame Plage dir selbst! Ich muß mich hier empfinden, muß denken, als wär' ich etwas, und muß leben, um schmerzlich bald wieder vergehen zu können! O elendes Leben!
15
Daß sterblich der Geist, sagt mir jeder gar flücht'ge Gedanke, der, so er gedacht, gleich für allzeit vergehet; vergeht aber der sich erzeugte Gedanke, was soll da vom Geiste wohl übrig noch bleiben?
16
Bin ich aber treulich berufen zum ewigen Leben, warum muß ich eher denn sterben auf dieser buntscheckigen Welt und verlassen den teuer und wert mir gewordenen Leib? - O du elendes Leben, du höhnender Trug meiner Sinne! Warum doch muß leben ich hier?"
17
Hier sprang der Adam auf und sagte sehr unbeifällig, wie schon vorhinein bemerkt wurde:
18
,,Mein Sohn, es ist genug von dieser deiner leerschwärmenden Torheit! Mit solchen Gesängen kannst du dich für ein nächstes Mal in irgendeinen Wald begeben und kannst sie dort stundenlang den Bären, Wölfen, Löwen, Tigern und Hyänen vorsingen! Diese Wesen haben genug starke Zähne und einen gehörig starken Verdauungsmagen dazu; aber menschliche Gemüter verschone allezeit damit!
19
Denn wenn du so dumm bist und nicht weißt, was da ist das Leben, der Geist und das Sein, so frage wenigstens die Weisen von uns, und sie werden es dir sagen!
20
Hast du denn schon so ganz und gar vergessen des Herrn und Seiner erhabensten Lehre, daß du nun mit solchen abgedroschenen alten Dummheiten wieder zum Vorscheine kommst?!"
21
Der Henoch aber sagte zum Adam: ,,Laß es gut sein! Ich weiß, warum der Vater Kenan also gesungen hat; es war des Herrn Wille! Warum aber der Herr solches gewollt hat, wird schon die Folge zeigen!
22
Kenan aber sang nicht, was in ihm ist, sondern, was in so manchen anderen noch ist. - Siehe, das ist der Grund; das Weitere wird die Folge zeigen!"

Fußnoten